Henning Scherf weiß, dass das Alter sehr reizvoll sein kann

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Bei einer Matinee sprach Hennig Scherf (links) über das Leben im Alter und warum Jung und Alt zusammengehören. Weiter nach rechts Bürgermeister Gerhard Schneider, stellvertretende Landrätin Christina Flauder und Dekan Thomas Guba. Werner Reißaus
Bei einer Matinee sprach Hennig Scherf (links) über das Leben im Alter und warum Jung und Alt zusammengehören. Weiter nach rechts Bürgermeister Gerhard Schneider, stellvertretende Landrätin Christina Flauder und Dekan Thomas Guba. Werner Reißaus
Henning Scherf hat in seinen "Lebensgeschichten und Hoffnungen alter Menschen" Robert und Meta Hartmann aus Kulmbach eine Widmung geschenkt, die Christina Flauder überbrachte. Foto: Werner Reißaus
Henning Scherf hat in seinen "Lebensgeschichten und Hoffnungen alter Menschen" Robert und Meta Hartmann aus Kulmbach eine Widmung geschenkt, die Christina Flauder überbrachte. Foto: Werner Reißaus
 

Der frühere Bremer Bürgermeister Henning Scherf lebt seit langem in einer Wohngemeinschaft. In Himmelkron erklärte er, warum.

Unter dem Titel "Eure Alten sollen Träume haben" ist noch bis zum 26. Oktober eine Ausstellung mit Lebensgeschichten und Hoffnungen von Senioren aus der Region in der Stiftskirche und der Ritterkapelle. Im Rahmenprogramm hatten das Dekanat Bayreuth-Bad Berneck und das Evangelische Bildungswerk Oberfranken-Mitte zu einer besonderen Matinee in die Ritterkapelle eingeladen. Zu Gast war Henning Scherf, der frühere Bürgermeister von Bremen. Der SPD-Politiker sprach zum Thema "Mehr Leben: Warum Jung und Alt zusammengehören".

Es war ein sehr bewegender Vortrag, bei dem auch die eine oder andere Träne floss, weil Henning Scherf authentische Geschichten aus seinem Leben erzählte. Die musikalische Ausgestaltung übernahmen Anette Mystzka und Ute Nolte.

Lehrer, Richter, Staatsanwalt

Henning Scherf zog die Besucher vom ersten Augenblick an in den Bann. Der BR erzählte er am Rande, wie er seinen Weg in die Politik fand: "Ich bin ja vor dem Krieg geboren. Mein Vater war damals in einer bekennenden Kirche und sehr gegen die Nazis. Deswegen war er auch eingesperrt. Meine Mutter bekam als Sozialdemokratin ebenfalls ganz große Probleme. Wir Kinder haben unsere Eltern nach dem Krieg gefragt, warum sie sich nur auf das Beten konzentriert hätten. Das habe ja offenbar nicht geholfen, sie hätten sich doch organisieren müssen."

Irgendwann habe er sich "bei den Jusos reingeschlichen", so der Bremer. "Ich wollte aber nie hauptamtlicher Politiker werden, sondern meine berufliche Selbstständigkeit bewahren." Nach dem Jurastudium habe er an einer Berufsschule unterrichtet und als Richter, Staatsanwalt und Verwaltungsbeamter gearbeitet. "Ich habe also alles ausprobiert, das war eine gute Lernerfahrung."

1971 wurde Henning Scherf mit 32 Jahren in den Landtag, ein Jahr später zum SPD-Landesvorsitzenden gewählt.

"Man hat mir das damals nicht zugetraut"

"Da war ich plötzlich eine Figur, die bundesweit wahrgenommen worden ist." Von 1995 bis 2005 war er dann Regierungschef des Bundeslandes Bremen in einer großen Koalition: "Man hat mir das damals nicht zugetraut, aber das ist sehr gut gelaufen. Wir haben uns sehr gut vertragen und haben aufeinander geachtet, anders als jetzt." Mit 67 Jahren sei er auf eigenen Wunsch ausgeschieden, weil er "noch etwas anderes machen" sollte. Gleich sein erstes Buch verkaufte sich über 500 000 mal. "Das war schon eine Überraschung, denn ein linker Sozialdemokrat und Protestant schrieb im katholischen Herder-Verlag in Freiburg so einen Bestseller."

Heute ist Scherf mit seiner Ehefrau häufig auf Reisen. Seit 1987 wohnen sie mit Freunden in einer Wohngemeinschaft: "Wir haben da ein altes Haus gefunden, das haben wir für unsere Zwecke umgebaut. Diese Wohngemeinschaft ist eine spannende Erfahrung, wie wir da gemeinsam alt werden können. Wir haben auch schon Sterbebegleitung gemacht - und auch das hat uns zusammengeschweißt."

"Ich bedauere keinen Tag"

Das Alter sei für ihn reizvoll und attraktiv. "Ich bedauere keinen Tag, dass ich aus der Politik raus bin." Die Form der Wohngemeinschaft hat Henning Scherf ausgedehnt und in Hannover das Forum "Nationales gemeinschaftliches Wohnen" gegründet. "Wir haben inzwischen über 40 000 solcher Projekte Die WGs sprießen wie Pilze aus der Erde, überall, besonders auf dem Land. Man kann in der Wohngemeinschaft gemeinsam alt werden und etwas gegen die Einsamkeit und gegen den Bedeutungsverlust tun." Und wenn es dann noch gelinge, junge Leute zum Mitmachen zu animieren, dass das Ganze eine Mehrgenerationenveranstaltung werde, "dann hält das alle in Trab und macht mobil." Seine WG habe auch drei Flüchtlingskinder aufgenommen. "Sie haben innerhalb von zwei Jahren Deutsch gelernt und sind im Gymnasium die Besten."

Henning Scherf sprach von einer neuen Form von Lebensglück: "Ich bin für jeden Tag dankbar, dass wir mit so vielen liebenswürdigen und herzlichen und sehr zugetanen Leute zusammen sind. Selbst schwierige Zeiten haben wir gemeinsam bewältigt und sind näher zusammengerückt. Uns haben die Einschläge zusammen- und nicht auseinandergebracht. Das ist eine wunderbare Erfahrung."