Für die Bundesanstalt für Fleischforschung hat Max Wild großartige Holzintarsien von Fossilienfunden aus der Nähe von Kulmbach gefertigt.
An Dracula kommt er nicht ganz heran. Der größte jemals lebende Flugsaurier, der zurzeit im Dino-Park Altmühltal die Fans zu Tausenden anzieht, war so groß wie eine Giraffe, eine halbe Tonne schwer und hatte eine Flügelspannweite von zwölf Metern. Da zahnlos, hat er vor 66 Millionen Jahren seine Opfer in Rumänien, im Herzen von Transsilvanien, mit einem Happs heruntergeschlungen.
Ihm gegenüber ist der "Dorygnathus mistelgauensis" ein Winzling. Seine Flügelspannweite beträgt nur einen guten Meter. Allerdings ist er mit ausladendem Kiefer und scharfen Zähnen ausgerüstet. Und ein paar Millionen Jährchen hat er auch auf dem Buckel: Vor 180 Millionen Jahren ist er über Mistelgau abgestürzt und in den Sedimenten des tropischen Meeres versunken.
Knochenreste im Urwelt-Museum
Seine Knochenreste befinden sich heute im Urwelt-Museum in Bayreuth, doch
Kulmbach hat ihn auch: als wunderschöne Intarsienarbeit im Besprechungsraum der Bundesanstalt für Fleischforschung, dem heutigen Max-Rubner-Institut.
Max Wild hat 29 Fossilien auf Tafeln mit unterschiedlichen Formaten geschnitten. Es ist - drei Jahre nach den nach steinzeitlichen Höhlenmalereien im Foyer von 1976 (Folge 5) - der zweite große Auftrag der Bundesbehörde an ihn. Das Projekt ist maßgeschneidert für die Fleischforschung. Wild zeigt an den Fossilien die Entwicklung des Lebens von ihren Urformen bis zu den Nutztieren wie Rind, Schwein und Schaf, die dem Menschen wichtige Lebensmittel liefern. Der Clou aber ist: es sind überwiegend Funde aus der Region.
Wiege der Paläontologie
Max Wild (1911 - 2000) war ein vielseitig begabter Künstler, der sich intensiv mit ausgestorbenen Tier- und Pflanzenarten beschäftigt und eine eigene Fundsammlung angelegt hat. Mit seinen Tafeln wollte er die außergewöhnliche Bedeutung des Obermaingebietes für die Erforschung der Erdgeschichte erkennen lassen und zugleich darauf verweisen, dass die Anfänge der Paläontologie in Oberfranken liegen: Der Bayreuther Graf Georg von Münster (1776 - 1844) gilt als ihr Begründer; August Goldfuß (1782 - 1848) aus Thurnau untersuchte erstmals wissenschaftlich die Fossilien des Obermaingebiets; der Kulmbacher Appollonius Weltrich (1781 - 1850) hat sich bei der Fachwelt durch die oberfränkischen Pflanzenversteinerungen des Rhät (Obertrias) einen Namen gemacht; der Autodidakt Hugo Hesse (1855 - 1923) legte eine umfangreiche Sammlung von Versteinerungen aus dem Kulmbacher Umland an, dazu Präparate einheimischer Insekten, Käfer, Schmetterlinge, Vögel und Säugetiere. Sie war eine der besten Regionalsammlungen Deutschland gilt. Leider wurde sie 1945 durch den Vandalismus auf der Plassenburg zerstört.
Als Künstler geht Max Wild über die wissenschaftliche Aufarbeitung hinaus. "Ihr haftet etwas Formelhaftes an", so schreibt er in den Wettbewerbs-Unterlagen, "das durch die lebendige Struktur des gewachsenen Holzes gemildert werden soll." Für die Intarsien verwendet er 20 bis 30 verschiedene Furnierholzblätter, farblich wunderbar nuanciert: grauweiße Pappel, geflammte Birke, rötlich goldbraune Kastanie, dunkel gemaserte Eiche, schwarzer Nussbaum. Angebracht werden sie an einer honiggelben Wandvertäfelung aus Eschenholz.
In ein warmes Licht getaucht
Das Ergebnis ist faszinierend: Skelette und Körper wirken sinnlich und zum Greifen nah. Zugleich wird der ganze Raum in ein warmes Licht getaucht, das eine behagliche Arbeitsatmosphäre schafft. Professor Reiner Hamm, langjähriger Leiter der Forschungsanstalt, bezeichnet Wilds Holzbildkunst als Glücksfall für die Bundesanstalt.
Bei seinem Streifzug durch die Evolution - von den wirbeltierlosen Ammoniten, über die Fische, Amphibien, Reptilien bis zu den Säugetieren - beginnt Max Wild auf der linken Seite mit der paläologischen Sensation von 1962: der Entdeckung des Kelchtiers aus dem Silurkalk von Elbersreuth (Frankenwald). Der winzige Meeresbewohner hat vor 520 Millionen Jahre gelebt und ist zu diesem Zeitpunkt der älteste Fossilienfund in Bayern.
Deutlich weiterentwickelt ist der Koiloskiosaurus, ein Reptil mit einem bereits säugetierähnlich entwickelten Skelett. Gefunden wurde es 1919 im Buntsandstein von Coburg. Rechts davon setzt Max Wild den großen Auftritt der Flugsaurier in Szene. Es sind Reptilien, die erstmals erfolgreich in den Luftraum vorstoßen und enorme Flugfähigkeiten ausbilden.
Schönstes Exemplar weltweit
Der zweite Vorstoß der Dinos im Oberjura (vor 160 Millionen Jahren) führt zum Urvogel. Auf einer großen Intarsientafel in der Mitte hält Max Wild den 1861 im Jurakalk bei Solnhofen entdeckten Archaeopteryx fest. Er gilt wegen seines gut erhaltenen Skeletts und Federkleides als schönstes Exemplar weltweit.
Daneben, als Beispiel für die Übergangsformen von den Reptilien zu den Säugetieren, ein Hundzahnsaurier mit weit hervorstehenden Reißzähnen und das Skelett des Koiloskiosaurus. Gefunden wurde das Reptil im Buntsandstein von Coburg. Als erstes echtes Säugetier folgt der insektenfressende Zalambdalestes in der Größe einer Maus oder Ratte. Aus ihm gehen alle späteren Säugetierarten hervorgehen, auch die Hominiden.
Wilds Tafeln enden rechts mit den Vorläufern heutiger Nutztiere in der Fleisch- und Milchwirtschaft. Dargestellt ist Capra, die Urform der Ziege vor zehn Millionen Jahren. An ihre Seite hat der Künstler das Merino-Schaf gestellt - eine moderne Züchtung, die speziell den deutschen Anforderungen als Fleisch- und Wollschaf entspricht. Daedon, das Urschwein aus der Fränkischen Alb vor 35 Millionen Jahren, hat seinen Platz, ebenso ein urzeitlicher Keiler. Als Vorfahren des Hausrinds hat Wild den mühsam rückgezüchteten Wisent und den Auerochsen aus dem Jung-Tertiär verewigt.