Arbeitsagentur-Geschäftsführer Schulz: "Kulmbachs Arbeitsmarkt hat sich verändert"

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In der Gummistraße können Verbraucher ihren Elektroschrott noch bis Ende September bei der Integra abgeben. Dann endet die 24-jährige Geschichte des Projekts. Andreas Schmitt
In der Gummistraße können Verbraucher ihren Elektroschrott noch bis Ende September bei der  Integra abgeben.  Dann endet die 24-jährige Geschichte des Projekts. Andreas Schmitt
 
Henri Schulz ist operativer Geschäftsführer der Arbeitsagentur Bayreuth-Hof. Foto: Archiv
Henri Schulz ist operativer Geschäftsführer der Arbeitsagentur Bayreuth-Hof. Foto: Archiv
 

Über das Ende der Beschäftigungsinitiative Integra und den veränderten Arbeitsmarkt sprachen wir mit Henri Schulz, Geschäftsführer der Arbeitsagentur.

Das bevorstehende Aus der Beschäftigungsinitiative Integra Ende September bewegt die Menschen. Viel wird über die Gründe spekuliert, welche Arbeiterwohlfahrt (Awo) und Caritas zur Einstellung ihres Engagements für das Projekt bewogen haben, bei dem Langzeitarbeitslose und andere Jobsuchende durch das Sammeln von Elektroschrott, alten Möbeln oder Büchern eine bezahlte Tätigkeit erhielten.
Awo-Hauptgeschäftsführerin Margit Vogel hatte als einen Grund genannt, dass es keine "Menschen mit integrativem Hintergrund" mehr gebe - und sorgte bei Facebook-Nutzer Tobias D. damit für Verwunderung. Er schrieb auf der Seite der Bayerischen Rundschau: "In den Zeiten einer Flüchtlingskrise davon zu sprechen, dass es für integrative Arbeitsplätze kein Personal gäbe, ist ein wenig irritierend, wie ich finde."

Wir haben Henri Schulz, Geschäftsführer der Arbeitsagentur Bayreuth-Hof, um eine Einschätzung gebeten. Der 64-jährige Trebgaster war von 1985 bis 2005 Leiter der Kulmbacher Arbeitsagentur-Dienststelle und hat in dieser Zeit unter anderem an der Gründung der Integra und des Brückenwerks, einer Werkstatt für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, mitgewirkt. 2005 wechselte er an den Hauptsitz des Agenturbezirks.

Herr Schulz, die Arbeiterwohlfahrt hat das Ende ihres Engagements unter anderem damit begründet, dass es keine "Menschen mit integrativem Hintergrund" mehr gebe. Sehen Sie das ähnlich?
Henri Schulz: Ja, der Kulmbacher Arbeitsmarkt hat sich stark verändert. Die Integra wurde in den 90er Jahren gegründet, als unsere Region durch die Probleme der Textilindustrie in einer Strukturkrise war. Damals hatten wir in Kulmbach eine Arbeitslosenquote zwischen acht und zwölf Prozent. Heute sind wir bei 3,5 bis fünf. Das heißt, wir hatten damals viel mehr Langzeitarbeitslose, auf die das Konzept passte.

Aber es gibt doch auch heute noch Langzeitarbeitslose und Menschen, die eine Integration in den Arbeitsmarkt benötigen...
Ja, schon. Insgesamt ist die Zahl aber viel geringer. Und von denen, die früher zur Initiative gingen, können die Jobcenter heute viele ohne Fördermaßnahme vermitteln.

Wie sah das Profil des typischen Integra-Mitarbeiters aus?
Die Mitarbeiter mussten körperlich einigermaßen fit sein. Oft waren sie Mitte oder Ende 50 und hatten es deshalb auf dem "normalen" Arbeitsmarkt schwer. Mit der Beschäftigungsmaßnahme haben wir Brücken gebaut oder zumindest Zeit überbrückt. Die Integra hat einigen Dutzend Langzeitarbeitslosen eine Perspektive gegeben.

Wie hat sich die Initiative finanziert?
Der größte Teil der Personalkosten wurde über die Arbeitsagentur finanziert. Als dies wegfiel, betrieben die Träger eine finanzielle Gradwanderung.

Also war das Aus für Sie nicht überraschend?
Nein. Der Personenkreis, der eine Förderung erhalten hätte, wurde zu klein. Man konnte mit den Fördergeldern nicht mehr planen.
Die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt war also für Integra eher schlecht?
Durch die Zahlungen des Landratsamtes für die Sammlung des Elektroschrotts und durch die Sammlung und den Weiterverkauf von alten Möbel, Lampen oder Büchern gab es zwar auch Einnahmen. Das reicht aber nicht, um die Personalkosten und die Miete selbstständig zu stemmen. Und auf Dauer hat jeder ein Problem damit, ein Defizit zu verantworten.

Das Aus ist also ein logischer Schritt?
Ja, auch wenn es mir sehr leid tut. Man muss den Wohlfahrtsverbänden dankbar sein, dass sie sich so lange engagiert haben.

Das Gespräch führte Andreas Schmitt