"Zwölf Maß sind unser Limit, dazu vier Limo am Hosenbund", sagt die 37-jährige Jaqueline Renk, die pro Freischießen zwei bis drei Kilo abnimmt. Kein Wunder: Renk befindet sich heuer auf dem großen Kronacher Fest in ihrem zwölften Jahr als Bedienung, Meisel in ihrem 17. - und legen beide ein starkes Tempo hin. Einem unerfahrenen Tunnelgänger, zumal mit der Sorge um seine Kamera behaftet, ist es fast unmöglich, da hinterher zu kommen. Zumal es in den Kronacher Freischießen-Röhren keine Straßenverkehrsordnung gibt.
Überall stehen Hindernisse in Form von spaßig-betrunkenen Menschen herum, ständig ist mit plötzlich einsetzendem Gegenverkehr zu rechnen. Und dass von den Seiten her mal ein Tanzender kommt, ist nicht ganz auszuschließen.
Meistens jedoch ist auch das nicht gefährlich, die wollen nämlich nur spielen. "Ich bin in Kronach in all den Jahren erst ein einziges Mal wirklich belästigt worden", erzählt Kerstin Meisel während einer kurzen Zigarettenpause hinter dem Ausschank-Tresen. "Die meisten kennen wir ja, da kriegt man dann nur einen Knutscher", sagt sie mit einem Grinsen auf den Lippen.
Voll durchorganisiert
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Doch die zwei Bedienungen sind nicht nur Profis darin, selbst im größten Trubel noch immer einen Scherz auf den Lippen zu haben, sie sind auch voll organisiert. Renk hat drei Beutel um die Hüfte hängen: einen für Geld und Biermarken, einen voller Zwei-Euro-Stücke zum Herausgeben des Pfands und einen dritten mit bunten Chips. "Damit kaufen wir unser Bier ein", erklärt sie.
Bier einkaufen? Nun, die beiden Bedienungen trinken zwar bei guter Stimmung zu einem ihrer Lieblingslieder auch mal einen Schnaps oder einen Schluck Bier zwischendurch, mit Bier einkaufen ist aber etwas anderes gemeint: Für jedes Getränk, das sie von den Ausschenkern am Tresen entgegen nehmen, müssen sie einen Chip, den sie vorher im Wert eines Bieres oder eines nicht-alkoholischen Getränks gekauft haben, abgeben. So kann man hinterher berechnen, welche Bedienung wie viel verkauft hat.
Da man sich bei der Lautstärke kaum versteht, werden die Coins in bestimmter Reihenfolge auf die dafür vorgesehene Holzbox gelegt. Oben das Bier, darunter Biermixgetränke, darunter Limo, Wasser und Co. Bezahlt werden die insgesamt neun Bedienungen, die sich die rund 600 Quadratmeter große Halle samt Vorbereich aufteilen, nicht nach Stunden. Sie erhalten Geld pro Bier - und natürlich das Trinkgeld. "Ältere geben immer etwas, Jüngere nicht so", erzählt Jaqueline Renk.
200 bis 300 Bier pro Tag
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Abgerechnet wird hinter dem Tresen mit Kaiserhof-Geschäftsführer Ulrich Kaiser. Während draußen der Hexenkessel tobt, zählt er in aller Ruhe Biermarken und Geld. Das Ganze ist Vertrauenssache. "Wenn nicht eine schwanger ist oder aus Altersgründen ausscheidet, bleibt das Team eigentlich immer gleich", erzählt Meisel, die während ihrer Ausbildung in München auch schon auf dem Oktoberfest bedient hat.
200 bis 300 Bier werden es 2018 wohl pro Tag werden, berichtet Meisel, die wie Renk aus Neuses kommt. Beim Bedienen sind die beiden voll in ihrem Element. Nur in einigen wenigen Momenten merkt man ihnen die Anstrengung an. An diesem Dienstag vor dem Feiertag wird der Schrittzähler von Kerstin Meisel zwischen 13 und 0.30 Uhr sage und schreibe 28 000 Schritte anzeigen.
Die Stimmung trübt das nicht, meistens singen sie beiden Bedienungen mit, lachen und schäkern mit den Gästen. Getreu dem Motto: Zuerst die Tunnel, dann das Vergnügen - in Form einer kalten Festmaß.