Zuhause für Bedürftige: Streit um Notwohngebiet in Kitzingen

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Engagiert: Dominic Niedermeier gehört zu denjenigen, die sich im Notwohngebiet ehrenamtlich engagieren wollen.
Ralf Dieter
Eindeutiges Zeichen: Rote Herzen signalisieren in der Bürgerversammlung, dass sich viele Siedler für die Bewohner des Notwohngebietes einsetzen wollen.
Ralf Dieter
Wünsche: Die Bewohner des Notwohngebietes haben auf einem Transparent festgehalten, was sie sich wünschen.
Ralf Dieter

Bürgerversammlung im Stadtteilzentrum Kitzingen. Beim Dauerthema Notwohngebiet wurde es emotional. Der Oberbürgermeister appelliert auch an die Bewohner, Zerstörungen zu vermeiden. Dank freiwilliger Helfer soll sich jetzt endlich etwas bessern.

Zum Schluss wurde es emotional. Ein Wunder ist das nicht: Das Notwohngebiet in der Kitzinger Siedlung ist ein Dauerthema. Jetzt soll endlich was passieren. Engagierte Bürger stehen bereit.

Montagabend, Bürgerversammlung im neuen Stadtteilzentrum: Die Tagesordnungspunkte Soziale Stadt und Umbau Mittelschule Siedlung bringen nicht viel Neues. Eine Diskussion kommt erst beim Punkt „Sonstiges“ auf. Es geht um das Notwohngebiet und die Wohnverhältnisse in der Egerländer Straße. Eine Handvoll Bewohner sind gekommen. Sie tragen ihr Anliegen vor. Teils mit drastischen Worten. Von einer Hinhaltetaktik der Stadt ist die Rede, davon, dass Menschen wie Viecher eingepfercht werden. „Dann müsst ihr euch nicht wundern, wenn wir anfangen zu beißen“, sagt ein Bewohner.

Ein junger Mann, Anfang 20, klagt darüber, dass er sich nicht duschen kann. Die Folge: Auf dem Arbeitsmarkt hat er keine Chance. Von „menschenunwürdigen Zuständen“ spricht eine Frau, die seit mehr als 20 Jahren regelmäßig ihre Schwiegermutter im Notwohngebiet besucht. „In dieser Zeit ist einmal das Treppenhaus gestrichen worden“, sagt sie. Mehr sei nicht passiert. Warmes Wasser gebe es nicht, die hygienischen Zustände seien untragbar, Haustüre und Fenster seien kaputt.

Oberbürgermeister Siegfried Müller hört sich die Beschwerden an. Die Mindestanforderungen seien erfüllt, betont er. Jahr für Jahr stelle die Stadt 100 000 Euro in den Haushalt für Reparaturen und Sanierungsmaßnahmen im Notwohngebiet ein. Im letzten Jahr habe diese Summe nicht gereicht. „Weil zu viel zerstört wurde.“ Wohnungen seien vermüllt, Fenster und Türen würden mutwillig beschädigt. Sein Appell an die Bewohner: „Vermeiden Sie in Zukunft diese Zerstörungen.“

Bauamtsleiter Oliver Graumann wird nach der Versammlung im Gespräch mit dieser Zeitung noch deutlicher. Die städtischen Mitarbeiter vor Ort hätten immer wieder mit weit Schlimmerem als kaputten Türen und Fenstern zu kämpfen. Scherben, Erbrochenes, Blutlachen. „Vor diesem Hintergrund Forderungen zu stellen, kann ich nicht nachvollziehen.“ In einem Punkt stimmt Graumann den Ehrenamtlichen zu. Eine ständige soziale Betreuung sei wünschenswert. Einen entsprechenden Antrag hat die neue Referentin für die Soziale Stadt, Bianca Tröge, bereits bei der Stadt eingereicht.

Zusammen mit einigen Mitarbeitern hat sich Müller am 12. November die Situation vor Ort angeschaut. Ein paar Zusagen kann er an diesem Montagabend machen. Die Begegnungsstätte – das ehemalige Café-stübchen – kann wieder geöffnet werden. Nach einem Wasserschaden musste es geschlossen werden. „Die Auflage war immer, dass sich jemand ehrenamtlich darum kümmert“, erinnerte Müller.

Mit Stadträtin Andrea Schmidt hat sich eine Kennerin der Szene und engagierte Helferin zur Verfügung gestellt. Müller versprach, eine gebrauchte Küche einzubauen, Schmidt will jetzt das Staatsministerium um eine weitere Förderung anschreiben. In den anstehenden Haushaltsberatungen werden die Stadträte über weitere bauliche Maßnahmen beratschlagen.

Einmal, eventuell zweimal in der Woche soll die Begegnungsstätte öffnen. Für Schmidt ein wichtiges Puzzlestück in der Betreuung der Notwohngebietler. Zwölf ehrenamtliche Helfer haben sich bereits gemeldet, die in der Begegnungsstätte helfen wollen. Mitglieder des Vereins „Sonnenblumen“ und andere engagierte Siedler sind darunter. Die Begegnungsstätte soll zu einer Anlaufstelle werden, wo es nicht nur Kaffee und Kuchen gibt, sondern auch Sachspenden abgegeben werden können. „Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass sich noch weitere Bürger anschließen“, sagt Dominic Niedermeyer, der sich seit Jahren im Arbeitskreis Soziale Stadt engagiert.

Die Spendenbereitschaft sei vorhanden, wie er aus vielen Gesprächen herausgehört hat. „Aber wir müssen die Hilfe bündeln.“

Soziale Betreuung und warme Duschen: Das sind für Dominic Niedermeyer die zwei drängendsten Probleme im Notwohngebiet. Der 23-Jährige hat sich das Notwohngebiet zusammen mit anderen Mitgliedern des Arbeitskreises Soziale Stadt angeschaut, bei den jährlich stattfinden Grillnachmittagen hat er Kontakte geknüpft. „Der erste Schritt muss sein, dass diese Menschen von Drogen und Alkohol wegkommen“, meint er. „Sonst kann es nur schwerlich eine positive Entwicklung geben.“ Das langfristige Ziel müsse lauten, möglichst viele wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Dafür sei eine Umsiedlung essenziell. „Damit sich die Betroffenen wieder leichter mit ihren Mitmenschen austauschen können.“

Kurzfristig könnten Duschcontainer vor Ort helfen. Eventuell könnten die Bewohner des Notwohngebietes auch in der Sickerhalle oder in den Umkleidekabinen des SSV duschen. „Das muss natürlich mit den Verantwortlichen geklärt werden.“

Niedermeyer will eng mit der Stadt und den Stadträten zusammenarbeiten. Am 27. November hat er sie zum nächsten Treffen des Arbeitskreises eingeladen. Um 18.30 Uhr sind auch alle anderen Interessierten ins Stadtteilzentrum eingeladen. „Mir ist mein Stadtteil wichtig“, erklärt Niedermeyer seine Motivation. „Und die Hilfsbedürftigen gehören einfach dazu.“

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