Cannabis, Marihuana und Co.: Wo Eltern Hilfe finden, wenn ihre Kinder kiffen

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Joint
Immer mehr Jugendliche greifen zum Joint - und schocken damit ihre Eltern. Im Landkreis Kitzingen gibt es mehrere Anlaufstellen, die im Falle des Drogenkonsums bei Jugendlichen helfen können.
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Foto: dpa/Daniel Karmann

Viele Eltern wissen sich nicht zu helfen, wenn ihr Nachwuchs Cannabis oder andere Drogen konsumiert. Verschiedene Ansprechpartner bieten Unterstützung.

Hannes war 14, als Angelika (Namen von der Redaktion geändert) Veränderungen an ihrem Sohn feststellte. Irgendwann wusste sie nicht mehr weiter. „Ich bin überhaupt nicht mehr an den Jungen ran gekommen“, erinnert sie sich.  Die Pubertät, hatte sie gedacht. Doch es steckte mehr dahinter. Durch Zufall entdeckte sie, dass der Gymnasiast schon seit einem halben Jahr regelmäßig kiffte. „Ich hätte mir Rat holen sollen“, sagt sie – zum Beispiel bei Ellen Ströhlein. Die Leiterin des Volkacher Familienstützpunktes plant die Gesprächsrunde zum Thema „Kiffen ist doch gar nicht so schlimm“ und kennt viele Fälle, die wie dieser begonnen haben.

„Es gibt zwei Gruppen von Eltern und anderen Angehörigen, die auf mich zukommen“, erklärt die Sozialpädagogin, die seit 2016 einen der vier Familienstützpunkte des Landkreises betreut. „Die einen machen sich Gedanken, weil die Kinder in Freundeskreisen verkehren, in den geraucht wird.“ Viele seien selbst noch gar nicht mit Cannabis in Berührung gekommen, gingen unbedarft an das Thema heran.

Eltern in Sorge: Die Kinder beim Kiffen erwischt

„Aber es gibt auch diejenigen, die sich ernsthafte Sorgen machen, weil sie, oder auch die Polizei, die Kinder schon beim Konsum erwischt haben.“ In beiden Fällen könne sie nur ein gewisses Maß an Aufklärung leisten, mit den Eltern im Gespräch bleiben und so eine niederschwellige Anlaufstelle für besorgte Angehörige sein.

„Oft erfahren Eltern erst von der Polizei vom Drogenkonsum ihrer Kinder“, weiß auch Markus Hack von der PI Kitzingen. „Die Polizei ist zwar auch Ansprechstelle und die Eltern können sich gerne an uns wenden“, sagt der Polizeidirektor. „Allerdings halte ich das Angebot der Beratungsstellen für sinnvoller, da wir einen Strafverfolgungszwang haben. Wenn uns die Eltern erzählen, dass ihr Kind Drogen konsumiert, müssen wir ein Strafverfahren einleiten. Eltern wollen aber in erster Linie Unterstützung im Umgang mit dem Problem.“

Genau diese Unterstützung fällt in das Aufgabengebiet von Uwe Kohler. Er ist am Landratsamt für Gesundheit und Soziales verantwortlich, an Schulen und in Betrieben unterwegs, klärt auf, berät – auch präventiv. Seit 2015 betreibt er im Rahmen von „Kräutermischungen und Co.“ Aufklärung, vermittelt Hintergrundwissen zu illegalen und legalen Drogen, Risiken und Verhaltensalternativen, startete das Projekt „Flashback“ in Zusammenarbeit mit der Polizei.

Drogenkonsum: Kiffen kann Psychosen, Angstzustände und Panikattacken auslösen

„Die Rückmeldungen bestätigen uns bei beiden Angeboten, dass sie gut ankommen und das Wissen rund um Drogen fördern“, sagt er als Suchtpräventionsfachkraft. Nichtsdestotrotz sei er immer wieder geschockt von der hohen Zahl der Behandlungen, die aus dem Konsum psychotroper Substanzen resultieren. „Jugendliche zwischen 13 und 21 Jahren sind in ihrer Entwicklung zum Erwachsenen mittendrin in umfassenden Veränderungsprozessen. Vor allem bei den Veränderungen im Gehirn kann der Cannabiskonsum umfassenden Schaden verursachen.“

Kiffen könne Psychosen, Angstzustände und Panikattacken auslösen. Wer kifft, erhöht sein Risiko für psychische Störungen wie Depressivität. Und Kiffen kann sehr wohl zu einer substanzspezifischen Abhängigkeit führen. Eltern sollten in Kontakt mit ihrem Kind gehen und bleiben, rät er. „Reine Vorhaltungen und Schimpfen sind nicht förderlich.“ Ein Klima, das einen offenen Austausch ermöglicht, sei nötig. „Aber Eltern sollten auch klar Stellung beziehen, Struktur und Verhaltensvorgaben festlegen.“

Dabei will Ellen Ströhlein den Eltern helfen. „In vielen Familien gibt es wirklich Probleme. Die Jugendlichen lassen oft gar nicht mit sich reden, blocken ab. Ich höre den Angehörigen zu, verweise auf einschlägige Literatur und die Beratungsstellen.“ Sie habe schon manch verzweifelte Situation erlebt. „Viele kämpfen mit großen Ängsten, haben von Cannabis als Einstiegsdroge gehört und wollen Schlimmeres verhindern“, weiß Ströhlein. „Die Jugendlichen selbst sitzen in ihrer Clique, gehen aus, entspannen. Das Kiffen gehört für viele dazu. Aber sie können oft nicht einschätzen, was daraus entstehen könnte.“

Kräutermischungen: Wirkstoffe führen teils zu aggressivem Verhalten

Auch Markus Hack hat festgestellt, dass Jugendliche den Cannabis-Konsum verharmlosen. „Manche reagieren aufgrund der öffentlichen Diskussion über die Legalisierung und 'Ungefährlichkeit' von sogenannten weichen Drogen völlig uneinsichtig“, so der Polizist. Dabei schwanke die Konzentration der Wirkstoffe bei Haschisch und Marihuana inzwischen so stark, dass die Folgen des Konsums immer unberechenbarer würden – genauso wie die Konsumenten selbst. „Es gibt Wirkstoffe, zum Beispiel Kräutermischungen, bei denen sich die Personen vollkommen irrational verhalten, auch aggressiv werden.“

  Mehr zum Thema: Legalisierung von Cannabis: Das denken die Franken darüber  

Greift die Polizei einen Jugendlichen auf, schwanke die Stimmung oftmals im Laufe des Kontakts von gleichgültig zu aggressiv, teilnahmslos, euphorisch oder weinerlich. „Jeder Konsument reagiert anders.“ Da bei den neuen psychoaktiven Substanzen die Zusammensetzung nicht immer gleich sei, erhöhe sich zum einen das Risiko einer Abhängigkeit, zum anderen seien die körperlichen und psychischen Spätfolgen für Jugendliche bei regelmäßigem Konsum derzeit vollkommen unabsehbar.

Angelika will ihren Sohn beschützen, dringt aber nicht zu ihm durch. Dass die Gesprächsrunde in Volkach ein Termin sein könnte, den sie zusammen besuchen, bezweifelt die dreifache Mutter. Sie selbst will unbedingt teilnehmen – und hofft auf den einen, entscheidenden Hinweis, wie sie ihrem Sohn wieder näher kommen kann.

Statistik zeigt: Zahl der Rauschgiftdelikte im Landkreis Kitzingen ist stark angestiegen

In den letzten beiden Jahren stieg die Zahl der Rauschgiftdelikte laut der Kriminalstatistik für den Landkreis Kitzingen stark an. Polizeipräsident Gerhard Kallert erklärte bei der Auftaktveranstaltung von „Flashback“ im Sommer 2019, dass sich die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren in Unterfranken von 214 im Jahr 2008 auf inzwischen 728 im letzten Jahr mehr als verdreifacht hat. Betrug der Anteil der Jugendlichen an Rauschgifttatverdächtigen vor zehn Jahren noch etwa sieben Prozent, so sind es heute mit fast 15 Prozent mehr als doppelt so viele. Die Kriminalstatistik 2019 erscheint im April.
 
Für den 18. März 2020 hatte der Familienstützpunkt Volkach in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt Kitzingen den Vortrag „Kiffen ist doch gar nicht so schlimm“ in der Mittelschule Volkach geplant. Aufgrund der stetigen Verbreitung des Coronavirus muss dieser jedoch verschoben werden. Interessierte können sich unter fsp-volkach.de informieren, wann der Vortrag nachgeholt wird.
 
Die Familienstützpunkte des Landkreises gibt es seit 2016. Sie bieten Familien im Landkreis einen Anlaufpunkt für sämtliche Fragen rund um die Themen Gesundheit, Erziehung und Ernährung. Nähere Infos gibt es unter www.kitzingen.de. Dort kann man neben sämtlichen Kontaktdaten auch das komplette Vortrags- und Kursprogramm einsehen. Die Beratungsstelle am Landratsamt und Uwe Kohler sind unter Rufnummer 09321/928-3315 oder per E-Mail (uwe.kohler@kitzingen.de) erreichbar.
 
In Würzburg hat 2019 Deutschlands erstes Cannabis-Café eröffnet. Es ist eine Mischung aus Hanfapotheke, Café und Cannabis-Social-Club.