K(r)ampf der Geschlechter

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Darf er das? Sollte er das? Oder sollte er das nicht? Hans Driesel muss Daniela Sandner nur etwas Apfelsaft ins Glas gießen, und schon entwickelt sich ein launig-hintergründiges kulturhistorisches ...
Diana Fuchs
Parlamentswahlen in Frankreich
Vorhang auf für die Liebe zwischen älterer Frau und jüngerem Mann: Das französische Präsidentenpaar Brigitte und Emmanuel Macron.
Parlamentswahlen in Frankreich
Foto: dpA-Archiv/ Christophe Petit-Tesson
Darf er das? Sollte er das? Oder sollte er das nicht? Hans Driesel muss Daniela Sandner nur etwas Apfelsaft ins Glas gießen, und schon entwickelt sich ein launig-hintergründiges kulturhistorisches ...
Foto: Diana Fuchs
Darf er das? Sollte er das? Oder sollte er das nicht? Hans Driesel muss Daniela Sandner nur etwas Apfelsaft ins Glas gießen, und schon entwickelt sich ein launig-hintergründiges kulturhistorisches ...
Foto: DIANA FUCHS

Junger Mann liebt ältere Frau - ist das ein Aufreger? Heiter-Besinnliches zum Frauentag.

Liebe zwischen (jüngeren) Männern und (älteren) Frauen ist ein spannendes Thema. Hans Driesel kann dazu jede Menge Fakten und Anekdoten aus der Literaturgeschichte beitragen. Mit stilistischer Eleganz, Leichtigkeit und Charme zitiert der 78-Jährige aus dem Effeff viele imposante Persönlichkeiten, Dichterinnen und Frauenrechtlerinnen. Daniela Sandner umrahmt seine Geschichten mit Beiträgen aus wissenschaftlicher Sicht. Die beiden ergänzen sich perfekt – und laden deshalb am Samstag zu einer „heiter-besinnlichen Collage zum Weltfrauentag“ ein.

Was hat Sie dazu gebracht, dem Thema "Junger Mann und ältere Frau" eine eigene Kulturveranstaltung zu widmen?

Hans Driesel: Auslöser war die „Altneihauser Feierwehrkapell'n“. Norbert Neugirg und seine Männer haben bei der Sendung „Fastnacht in Franken“ über Brigitte Macron gelästert, die Frau des französischen Präsidenten. Deren einziges „Vergehen“: Sie ist deutlich älter als ihr Mann. Das allein hat ausgereicht, um Witze über sie zu reißen. Das ist so spießig – damit wollten wir uns mal näher befassen.

Daniela Sandner: Zum Weltfrauentag sollte es ohnehin ein Kulturprogramm geben, wir haben dann das Thema ein bisschen angepasst. Ich hatte mich in meiner Doktorarbeit unter anderem mit dem Bild der Frau um 1900 befasst. Und Hans Driesel weiß über die spannendsten Persönlichkeiten der Literaturgeschichte Bescheid. Also haben wir gedacht: Machen wir mal was zusammen.

Bei älteren Herren schaut gar keiner mehr hin, wenn sie sich mit einer deutlich jüngeren Freundin schmücken. Wenn aber eine Frau mit einem jüngeren Mann zusammen ist, wird diese Beziehung sehr kritisch beäugt – siehe Cameron Diaz, Sandra Bullock, Shakira oder aktuell Meghan Markle, Prinz Harrys künftige Braut. So gesehen, sind die Macrons in guter Gesellschaft...

Sandner: Ja, genau. Umso absurder ist es, dass das Thema so unheimlich aufgeblasen wird. Das Schlimme ist: Oft sind es Frauen, die über andere Frauen mit jüngerem Partner herziehen.

Warum ist das so?

Sandner: Es geht immer noch, genau wie Ende des 19. Jahrhunderts, darum, dass Frauen auf die Gebärfunktion und die Reproduktionsfähigkeit – schreckliche Wörter! – reduziert werden. Früher war der „Wert“ einer Frau davon abhängig, Kinder zu kriegen. Und diese Fähigkeit sank und sinkt mit dem Alter eben rapide. Das führt uns zum nächsten schrecklichen Wort: dem „Verfallsdatum“ für Frauen. War die Frau erst mal über 40, oje, dann wurde sie zum Problem für den potenten Mann...

Inwiefern? Nicht jeder wollte schließlich 20 Kinder, oder?

Sandner: Sex war damals nicht zum Spaß da, sondern ganz einfach nur das Mittel zur Fortpflanzung. Was aber sollten die „armen Männer“ machen, deren Frauen keine Kinder mehr bekommen konnten? Um das Jahr 1900 herrschten in der Gesellschaft extrem bürgerliche, prüde Vorstellungen – und trotzdem gab es eine sichtbare, öffentliche Prostitution. Selbst literarische Texte zeugen davon, dass Männer eben zu käuflichen Damen gingen.

Driesel: Es gab damals aber auch schon erste Frauenrechtlerinnen, etwa Fanny Gräfin von Reventlow, die genau vor hundert Jahren starb. Unangepasst und skandalträchtig war ihr Leben. Um sie wird es am Samstag ebenso gehen wie um andere streitbare Frauen, etwa Annette von Droste-Hülshoff oder Clara Zetkin, die ebenfalls mit wesentlich jüngeren Männern liiert waren.

Wenn man provozieren wollte, könnte man sagen: So viel hat sich seit deren Zeiten gar nicht verändert. Auch heute noch sind Frauen vielerorts nur mehr oder weniger schmückendes Beiwerk anstatt Gleichberechtigte. Gerade auch im Fasching. Denken wir an die tanzenden Gardemädchen oder die Sketche mit palavernden Putzfrauen...

Driesel: Es gibt Entwicklungen hin zur Gleichberechtigung, aber es ist ein mühsamer Weg. Manche Männer tun sich schwer damit, eine starke Frau vor sich zu haben. Das ist ein Generationenproblem, das hoffentlich irgendwann endet. Warum es im Fasching allerdings so viele Putzfrauen gibt, ist eine gute Frage.

Sandner: Vielleicht brauchen wir solche Stereotypen, weil die Welt ja sonst so komplex ist. Es ist traurig, aber wahr. Diese Gehirnschubladen existieren nicht von ungefähr schon seit langer Zeit. Und selbst viele Frauen tun nichts dagegen – im Gegenteil.

Wie meinen Sie das: Die Frauen tun nichts dagegen?

Sandner: Kleines Beispiel: Bei Besprechungen mache ich oft ganz automatisch den Kaffee. Könnte auch ein männlicher Mitarbeiter machen. Mache ich aber ohne nachzudenken. Außerdem beobachte ich immer noch, dass Mütter ihre Söhne nicht so erziehen, dass sie ganz selbstverständlich ihren Teil der Arbeit in Haushalt und Küche übernehmen. Dabei ist das doch eine Form von Emanzipation, wenn „Mann“ mehr kochen kann als ein Spiegelei.

Ich denke, dass viele Mütter ihre Jungs heute schon unter dem Gleichberechtigungsaspekt aufwachsen lassen...

Driesel: Der Gleichberechtigungsgedanke war schon früher unbeliebt. Ein Mann, der Ende des 19. Jahrhunderts seine Großfamilie ernähren musste, war nicht angetan von der Idee, dass nun auch Frauen auf den Arbeitsmarkt drängen.

Sandner: Doch dann kamen der 1. und der 2. Weltkrieg. Danach haben die Frauen jeweils gezeigt, dass sie Männer ersetzen können. Das hat Letztere in die Krise gestürzt. Der Mann als Versorger diente mehr und mehr aus.

Umso seltsamer, dass dann heute noch so viel Aufhebens gemacht wird, wenn eine ältere Frau mit einem jüngeren Mann zusammen ist.

Driesel: Ja, vor allem, weil sich das Leben sonst auch stark gewandelt hat. Heute sind Frauen mit 70 oder 80 Jahren oft aktiver und viel „lebendiger“ als Frauen früherer Generationen mit 50 Jahren. Ältere Frauen von heute emanzipieren sich, sie machen „ihr“ Ding, unabhängig von einem Mann.

Sandner: Das ist eben eine persönliche Form von Emanzipation. Sie kommt langsam, aber sie kommt!

Spannungsfeld zwischen Mann und Frau

Kultur im Keller: Am Samstag, 10. März, eröffnet das Deutsche Fastnachtmuseum das Programm „Kultur im Keller“ mit einer Lesung zum Spannungsfeld der Geschlechter. Den zeitlichen Schwerpunkt bilden – auch aufgrund des Bayerischen Verfassungsjubiläums – die Zeit des Vormärz, also die Jahre vor der Märzrevolution 1848/1849, und das frühe 20. Jahrhundert. Hans Driesel liest und rezitiert, Daniela Sandner kommentiert. Für musikalische Umrahmung sorgt Pianist David Ress. Der Eintritt kostet 15 Euro. Anmeldung (empfohlen) unter Telefon 09321/ 23355.

Hans Driesel: Der Gründer der Schweinfurter Kleinkunstbühne Schrotturmkeller und der Hans-Sachs-Gruppe moderierte Karnevalssendungen im ZDF, gehörte zu den Männern der ersten Stunde des BR-Quotenrenners „Fastnacht in Franken“ und war 26 Jahre lang Sitzungspräsident der Schwarzen Elf Schweinfurt. Für sein kulturelles Engagement wurde er mehrfach ausgezeichnet. Der 78-Jährige ist seit langem im Deutschen Fastnachtmuseum aktiv, wirkte bei der Neukonzeption mit und unterstützt Museumsleiterin Daniela Sandner.

Daniela Sandner: Die 32-Jährige ist wissenschaftliche Leiterin des Deutschen Fastnachtmuseums in Kitzingen. Sie studierte von 2005 bis 2011 Europäische Ethnologie/Volkskunde, Amerikanistik und Politikwissenschaft in Bamberg. Zu ihren Schwerpunkten zählt die historische Geschlechterforschung. Nach ihrem Studium arbeitete sie unter anderem für das Germanische Nationalmuseum, Abteilung Volkskunde. Die Neukonzeption des Fastnachtmuseums begleitete sie von Beginn an (seit 2012) und ist seither für alle Maßnahmen im Bereich der (Neu)Strukturierung und (Neu)Positionierung des Museums verantwortlich.