Eine Kirche, verschiedene Wege

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Wohin führt der Weg?: Papst Franziskus mit afrikanischen Bischöfen während der Synode im Vatikan. Dekan Göttke und Pfarrer Spöckl sind der Meinung, dass die deutsche Kirche in ihrem Alltag längst ...
Foto: dpa/Maurizio Brambatti

Drei Wochen lang haben mehr als 270 Bischöfe in Rom über aktuelle Fragen beraten. Das Ergebnis? Ansichtssache.

Der Mann will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Schon das sagt viel über das (Selbst-)Verständnis von Homosexuellen in der deutschen Gesellschaft im Jahr 2015 aus. Aufgewachsen ist er in einem streng katholischen Elternhaus, er hat ein katholisch geprägtes Internat besucht.

Sein Berufswunsch lautete schon in frühen Jahren: Priester. Mit seinem Gewissen ließ sich das aber nicht verbinden. „Ich wollte nie ein doppelbödiges Leben führen“, sagt er. Andere tun das. Davon ist er überzeugt. Zehn bis 15 Prozent der geweihten Priester sind nach seiner Überzeugung homosexuell. Mindestens. In der katholischen Weltkirche fänden die Homosexuellen keine Heimat. Auch nicht nach der Bischofssynode von Rom.

Im Abschlussdokument werden nur ganz wenige Worte über sie verloren. Sie dürften nicht diskriminiert werden, man müsse ihnen mit Respekt begegnen, heißt es da. „In der Praxis jedoch bleibt homosexuelles Handeln zwischen sich liebenden Partnern weiterhin schwere Sünde“, bedauert der Mann. Lediglich in Millimeterschritten bewege sich die Kirche fort. Dabei sei die deutsche Kirche vergleichsweise „sehr aufgeschlossen.“

Tatsächlich haben die drei Teilnehmer der Bischofskonferenz, Kardinal Marx, Erzbischof Dr. Koch und Bischof Dr. Bode, eine Erklärung abgegeben, die weiter geht als die offizielle Abschlusserklärung. „Im falsch verstandenen Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über Menschen gebracht haben“, heißt es da.

„An der Kommunionbank wird niemand abgewiesen“
Gerhard Spöckl Pfarrer in Kitzingen

Insbesondere nennen die drei deutschen Bischöfe ledige Mütter und außerehelich geborene Kinder, Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, Geschiedene und Wiedeverheiratete sowie homosexuell orientierte Menschen. „Als Bischöfe bitten wir diese Menschen um Verzeihung.“

Ganz neue Töne sind das. Töne, die der Theologe und Leiter des Recollectio-Hauses in Münsterschwarzach, Dr. Wunibald Müller, grundsätzlich wunderbar findet. Viele homosexuelle Menschen würden das Mitleid und Erbarmen allerdings nicht brauchen. „Vielmehr brauchen sie Anerkennung und möchten uns auf Augenhöhe begegnen“, sagt er. „Sie wollen, dass man ihr Leben nicht als sündhaften Zustand bezeichnet. Sie möchten hören, dass wir ihre homosexuelle Liebe anerkennen und zugeben, dass es eine echte Liebe ist.“

Die Kirche müsse zu diesem Thema eine Position finden, meint Kitzingens Pfarrer Gerhard Spöckl. Genauso wie sie Antworten auf die Frage finden muss, ob Wieder Verheiratete zur Kommunion zugelassen werden sollen. Seine Position ist eindeutig: Die Aufgabe der Kirche sei es, den Mensch dabei behilflich zu sein, ihr Glück zu finden. „Und das muss für jeden gelten.“

In letzter Konsequenz sei die Kirche ein Mittel zum Zweck. Ein Ansprechpartner, damit die Gläubigen den Weg zu Gott finden. Dass dieser Weg in Afrika und Asien ganz anders aussieht als in Westeuropa sei klar. „Wir müssen deshalb unterschiedliche Wege in unserer Weltkirche gehen“, sagt Spöckl. Die „riesigen kulturellen Unterschiede“ betont auch Dekan Peter Göttke.

Dass jetzt viele Entscheidungen in die jeweiligen Ortskirchen zurückverlagert werden sollen, begrüßt er. „Das ist ein Aufwind für uns.“ Viel Neues habe die Synode aber nicht gebracht. Viele Diskussionspunkte würden in der gängigen Praxis längst umgesetzt. Schon jetzt gebe es beispielsweise ganz viele Wieder Verheiratete, die sich in der katholischen Kirche engagieren. „Und die sind herzlich willkommen.“ Die Aufgabe der Kirche sei es schließlich, den Menschen auch in schwierigen Lebensphasen zur Seite zu stehen. „Wir müssen ihnen helfen, in ihren neuen Lebensperspektiven glücklich zu werden.“

Die Diskussionen in Rom zur Situation der Familien sind für Gerhard Spöckl keinesfalls unnötig gewesen. „Aber die Menschen vor Ort haben das in der Praxis schon längst entschieden.“ Die deutsche Kirche sei in ihrem Alltag schon weiter als die Diskussionsgrundlagen in Rom. Bezüglich der Eucharistie laute in der Diözese Würzburg schon seit längerem der Grundsatz: „An der Kommunionbank wird niemand abgewiesen.“

Natürlich suche er im richtigen Moment das Gespräch mit einem Wieder Verheirateten. „Wenn ich merke, dass die Kommunion für diesen Menschen auf dem Weg zu seinem persönlichen Glück wichtig ist, dann kann ich ihn doch nicht abweisen.“ Spöckl und Göttke sind jetzt gespannt auf das nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus. „Eine Überraschung halte ich für durchaus denkbar“, sagt Spöckl.

Der Papst habe schon die Kurie reformiert, jetzt könnten weitere zukunftsweisende Entscheidungen folgen. Vielleicht geht sogar der Wunsch des Mannes in Erfüllung, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will: Vielleicht kommt es irgendwann zu einer echten Integration von Homosexuellen.