Sportwissenschaftler Prof. Dr. Harald Lange wirft dem DFB ein völlig antiquiertes Denken vor. Beim jüngsten Verbandstag zeigte sich das nach seiner Überzeugung in der Frage der Gleichstellung
Landkreis Kitzingen/Würzburg Während Hansi Flick die Nationalmannschaft offenbar zu alter Stärke führt, zeigt der Deutsche Fußball Bund (DFB) eine Schwäche nach der anderen. Eine Strukturreform sei dringend notwendig, meint Prof. Dr. Harald Lange, Inhaber des Lehrstuhls Sportwissenschaften an der Uni Würzburg. Er wirft dem DFB nicht nur einen Ausverkauf der Werte des Fußballs vor –, sondern auch die Diskriminierung von Frauen.
Frage: Was stört Sie am DFB?Prof. Harald Lange: Da muss ich weit ausholen.
Gerne.Lange: Die Strukturen sind völlig veraltet und ungeeignet für eine Krisensituation. Der DFB hat in den letzten neun Jahren vier Präsidenten verschlissen. Spätestens nach dem Rücktritt von Fritz Keller im Mai dieses Jahres hätte ein Neuanfang mit der Hilfe externer Berater beginnen müssen. Diese Chance wurde vertan. Stattdessen wird das gleiche Spiel wie immer gespielt. Die Landesfürsten üben sich in Machtkämpfen, halten an ihren Posten fest. Seilschaften sind wichtiger als die Lösung sachlicher Fragen. Der Verlierer ist der deutsche Fußball.
Die Ware Fußball scheint nach wie vor gut zu funktionieren.Lange: Das Produkt Fußball ist in der Gesellschaft immer noch nachgefragt. Aber zu einer Top-Unterhaltung gehört es, dass ein Stadion bebt. Tut es nicht mehr. Und das hat nicht nur etwas mit der Pandemie zu tun.
Die echten Fans rebellieren?Lange: Das System ist bei vielen von ihnen unglaubwürdig geworden. Die Legionärsmentalität vieler Spieler steht im Widerspruch zu einer echten Bindung zum Verein. Die Pandemie hat das noch einmal verstärkt. Beim DFB ist das nicht anders. Der Verband musste Freikarten für das Spiel gegen Armenien in Stuttgart verteilen, um das Stadion einigermaßen voll zu bekommen.
Ist der Fußball also im Niedergang begriffen?Lange: Wir müssen zwischen dem Kommerz und dem Herz unterscheiden. Die gebundenen Fans, diejenigen, deren Herz für einen Verein schlägt, werden jedenfalls weniger. Der Club in Nürnberg oder 1860 München sind Ausnahmen. Das sind Vorbilder, auch für den DFB.
Was könnte der DFB von diesen sportlich eher erfolglosen Vereinen lernen?Lange: Wie man Fans einbindet, wie man einzelnen Mitgliedern Gehör schenkt. Es gibt so ein großes Reservoir an klugen Köpfen, die meisten von ihnen resignieren allerdings – oder werden aufs Abstellgleis geschoben. Da gibt es deutschlandweit so viele gute Ideen, die einfach verpuffen, weil der DFB immer noch in einem Funktionärswesen aus dem letzten Jahrtausend verharrt.