Stehende Ovationen, Tränen der Rührung und vor Lachen - das alles gab es am Freitag in der Maintalhalle. Über vier Stunden dauerte der Abschiedsabend für den scheidenden Dettelbacher Bürgermeister Reinhold Kuhn.
Am Ende eines langen Abschiedsabends in der Maintalhalle gestand der ehemalige Bürgermeister Reinhold Kuhn das ein, was in 30 Jahren Amtszeit als Bürgermeister eher selten eintrat: er war sprachlos. "Ich stehe da und weiß nicht, was ich sagen soll", bekannte er unter dem stehenden Beifall seiner Mitarbeiter, Bürgermeisterkollegen, Ratsmitglieder, Angehörigen und Freunde zu später Stunde. Von dem ganzen Abend habe er nur gewusst, dass er um 20 Uhr beginnen sollte und er habe schon geahnt, dass seine Mitarbeiter sich gehörig ins Zeug legen würden. Trotzdem war er überrascht von der gigantischen Verabschiedung.
"Einige von euch haben mich auf meinem ganzen Lebensweg begleitet", sagte Kuhn am Ende gerührt. Der Abschied von Amt und Verantwortung bereite ihm - zumindest vorläufig noch - keine Probleme. "Aber das Loslassen von den Kollegen, die mir täglich begegnet sind, fällt mir sehr, sehr schwer." All das, was aus seinem Bürgermeisterleben an diesem Abend in Erinnerung gerufen worden war, hätte ohne die Mitarbeiter nicht stattfinden können. Gleichermaßen dankte er dem Stadtrat, in dem man in den vergangenen 40 Jahren natürlich nicht immer einer Meinung gewesen sei, sich letztlich aber immer zusammengerauft habe.
"Wenn meine Ehefrau Irene nicht gewesen wäre, hätte ich es als Bürgermeister nicht 30 Jahre ausgehalten", dankte er der Frau an seiner Seite. Nun trete er ins zweite Glied zurück - denn der Chefposten zuhause sei bereits besetzt.
Irene Kuhn strahlte und klatschte begeistert Beifall. Sie freut sich auf eine neue Zeit, in der Ehemann Reinhold nicht jeden Morgen ins Rathaus geht und nach vielen Terminen erst spät abends wieder nach Hause kommt.
"Heute spreche ich Sie letztmals als Herr Bürgermeister an."
Das hatte Kreisheimatpfleger, Stadtarchivar und ehemaliger Rektor der Rudolf-von-Scherenberg-Volksschule, Hans Bauer, Kuhn zu Beginn des Abends begrüßt. Als Moderator führte er durch die Veranstaltung. Er verglich die Stadt und ihren Bürgermeister mit einem Liebesverhältnis, der seine große Liebe mit ihren zehn Vornamen - Ortsteilen - zwischen wütend und zufrieden stets gehätschelt und getätschelt habe. "Diese Liebe verlässt Sie heute für immer", stellte Bauer fest. Zunächst lenkte er jedoch den Blick auf das Jahr 1982, als Kuhn sein Amt antrat. Damals amtierte Rolf Bauer als Landrat, Tamara Mönch - spätere Bischof - legte in den Haßbergen gerade ihr Abitur ab, Dettelbach zählte 6200 Einwohner. Bauer zeigte einen bebilderten Querschnitt durch viele Ereignisse, Entscheidungen und Neuerungen, die während der Amtszeit Kuhns erfolgten.
Kuhn habe sich durch große, aber nicht unendliche Geduld ausgezeichnet. Nachtragend sei er aber zu keiner Zeit gewesen. Planen und Bauen als bevorzugtes Arbeitsfeld und bis ins Detail vorbereitete Stadtratssitzungen konnten Kuhns Traum vom Leben auf dem Land nach Gutsherrenart nicht verhindern.
"Er war der Landlord von Bibergau", fand Bauer. Dort werde er am Montag nach kurzem, unruhigem Schlaf aufwachen und erst allmählich feststellen, dass er nicht mehr ins Rathaus müsse. Bauer empfahl ihm unter dem Beifall der Gäste wirklich loszulassen, nicht nachzusehen, ob alles laufe sondern lieber zufrieden zu sagen: "Ich bin dann mal weg." Zumindest so lange, bis eine verzweifelte Bürgermeisterin vor seiner Tür stehe und um Hilfe bitte, ergänzte er augenzwinkernd. "Falls Sie aber Langeweile haben sollten, könnten Sie ja die Ortsgeschichte von Bibergau weiter erforschen", schlug Bauer vor.
Es folgte noch viel Lob von Kollegen und Wegbegleitern.
In Bürgermeisterdienstversammlungen habe er Reinhold Kuhn als Mann kennengelernt, der zuhören, messerscharf analysieren und Entscheidungen umsetzen kann, erinnerte sich Wilhelm Sturm als Stellvertreter der Landrätin. Der Mainfrankenpark und das Industriegebiet Dettelbach Ost seien Visionen eines Bürgermeisters gewesen, die zu mehr als 2000 neuen Arbeitsplätzen führten. "Der Einsatz für die Bürger war vorbildlich", bilanzierte Ernst Dobler, Kuhns Wegbegleiter im Stadtrat von Anfang an. Kuhn habe 1984 für die CSU für den Kreistag kandidiert und sei mit einem großem Vertrauensvorschuss eingezogen.
Mauro Pinzani, Bürgermeister der italienischen Partnerstadt Rufina, dankte in einem Brief für die gute Zusammenarbeit, die sich hoffentlich mit der neuen Bürgermeisterin fortsetze.
"Bürgermeister Kuhn hinterläßt große Fußstapfen", fand seine Nachfolgerin Christine Konrad, dass das Bürgermeisteramt für Kuhn nicht nur Arbeitsplatz war sondern ein Stück Lebenswerk. Sie habe mit ihm nicht nur einen Politiker, sondern einen exzellenten Stadtentwickler kennen gelernt, der seine Stadt immer im Blick hatte, mit Fachwissen neue Impulse setzte und die Planung mit dem Willen, Lösungen zu finden, zur Chefsache machte. "Herzlichen Dank für alles was Sie für Dettelbach und seine Bürger geleistet haben", schloss Konrad und zeichnete Kuhn zusammen mit dem 2. Bürgermeister Ernst Dobler mit dem Ehrenring der Stadt aus, um ihm so für eine nachahmenswerte und bewunderswerte Leistung zu danken.
Lachtränen bei Oliver Tissot
Um die Veranstaltung aufzulockern, hatte die Verwaltung als Überraschungsast den Nürnberger Kabarettisten und Wortakrobaten Oliver Tissot in die Maintalhalle geholt. "30 Jahre, das ist nach deutschem Strafrecht zwei Mal lebenslänglich", witzelte dieser und bezeichnete Kuhn als "König des Reinholens", der ein Kleinod richtiger Entscheidungen getroffen habe. Kuhn kam mit dem Abwischen seiner Lachtränen kaum noch nach.
Tissot erinnerte an die Büroklammeraffäre 1982 und stellte fest, dass es noch nie ein Bürgermeister in Deutschland geschafft habe, in so kurzer Zeit in überregionale Nachrichten zu gelangen. Damals führte eine fehlende Heftklammer bei den Kandidaturunterlagen dazu, dass die Bürgermeisterwahl wiederholt werden musste. "Er hat mit einer fehlenden Büroklammer angefangen und mit einem goldenen Ring aufgehört."
Die Mitarbeiter verabschiedeten sich schließlich mit dem Lied "Time to say goodbye", bei dem sich Kuhn wieder die Augen wischte - Lachtränen dürften es diesmal allerdings nicht gewesen sein.