Grausamer Tod in der Weinpresse

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Keine Schuld trifft einem Urteil des Kitzinger Amtsgerichts zufolge den Winzer, in dessen Betrieb ein Mann zu Tode gekommen war. Der Unfall hatte zunächst Rätsel aufgegeben.

Die Erleichterung ist dem Weingutbetreiber anzusehen: Tief durchschnaufend verlässt er das Kitzinger Amtsgericht – mit einem Freispruch in der Tasche. Der 41-Jährige hatte Widerspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt, in dem ihm ein Mitverschulden am Tod eines Angestellten vorgeworfen worden war. Geahndet werden sollte dies mit 9000 Euro (150 Tagessätze zu je 60 Euro).

Herbst 2014. Bei den Winzern herrscht Hochbetrieb, die Kelter hat gerade begonnen. In einer Kelterhalle im Landkreis Kitzingen haben der Mitarbeiter eines Weingutes und ein als Aushilfe engagierter Rentner am 18. September ihr Tagwerk beendet. Gegen 19.30 Uhr stehen letzte Aufräum- und Reinigungsarbeiten an. Die Männer sind beim Weinpressen seit Jahren ein eingespieltes Team.

Alles ist wie immer. Der Rentner reinigt gerade die Weinpresse und beugt sich deshalb mit dem Oberkörper in die Maschine. Dann geht alles ganz schnell: Aus dem Nichts beginnt sich die Weinpresse um 90 Grad zu drehen und quetscht den Rentner ein. Der Mann hat keine Chance: Er erstickt qualvoll, sein Kollege kann ihm nicht mehr helfen.

Das Opfer hatte einen tragischen Fehler gemacht: Eigentlich muss – wie von seinem Chef zu Beginn der Keltersaison angeordnet und wie unzählige Male zuvor auch geschehen – der Hauptschalter ausgemacht werden. Danach müsste dieser Hauptschalter eigentlich mit einem Schloss gesichert werden, damit kein Dritter aus Versehen wieder anschalten kann.

Das unterblieb zwar in diesem Fall, dafür gibt es als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme eine weitere Forderung vom Chef: Der Stecker ist zwingend aus der Steckdose zu ziehen, die Presse darf beim Reinigen keinesfalls am Stromnetz hängen.

Es gibt eigentlich nur eine Erklärung, warum beides an dem Unglückstag unterblieb: Sein Kollege habe schlicht „vergessen auszuschalten“, ist sich der Weingutmitarbeiter, der den Tod in der Presse miterleben musste, ganz sicher.

Trifft den Betreiber des Weingutes eine Mitschuld an dem Arbeitsunfall? Hat er fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht? Und wenn ja, wie groß ist das Verschulden? In dem Strafbefehl war die Schuldfrage bejaht und mit 150 Tagessätzen durchaus hoch angesetzt worden. In der Verhandlung vor Kitzingens Strafrichter Bernhard Böhm bleibt davon am Ende nichts mehr übrig.

Warum sich die Maschine zu drehen begann, war selbst für einen nach dem Vorfall eingesetzten Gutachter zunächst schwer zu erkennen gewesen: Ein Fühler, der normalerweise Flüssigkeitsmenge in der Trommel misst, war beim Reinigen zur Seite gelegt worden – und dann wohl heruntergefallen. Die Bewegung dieses Messgerät, eine Art Schwimmer, sorgte wohl dafür, dass sich die Maschine trotz der gedrückten „Pause“-Taste im Display in Bewegung setzte. „Es muss“, so der Experte, „über den Schwimmer gegangen sein“.

Dass so etwas passieren konnte, ist im Nachhinein nun klar. Aber hätte der Chef des Weingutes das wissen können und seine beiden Kelterer auf genau diese Situation hinweisen müssen? Die Verteidigung schüttelt den Kopf: Die Gefahr, die von dem Schwimmer ausging, habe nicht einmal der Experte auf Anhieb verstanden. Sein Mandant könne nichts weitergeben, „was er nicht weiß“, so das Argument der Verteidigung.

Während die Staatsanwaltschaft an dem Fahrlässigkeitsvorwurf festhält und für den Angeklagten eine Geldstrafe von 2250 Euro (50 Tagessätze zu je 45 Euro) fordert, schließt sich das Gericht der Meinung der Verteidigung an: Es sei völlig unklar gewesen, „dass durch den Schwimmer so etwas ausgelöst werden kann“.

Am Ende bleibe es bei einem tragischen Unfall, der nur deshalb passieren konnte, weil sich das Opfer über zwei Anweisungen hinweggesetzt habe, die eigentlich doppelt für Sicherheit sorgen sollten: Das Ausschalten des Hauptschalters und die Unterbrechung der Stromzufuhr.