Wer sein Leben lang gearbeitet und Versicherungsbeiträge gezahlt hat, sollte auch dann noch abgesichert sein, wenn er plötzlich arbeitslos wird - eigentlich.
Sie hat den Lebensmut noch nicht verloren - aber herzhaft gelacht auch schon lange nicht mehr. Nur, wenn sie von ihrem Leben vor Hartz IV erzählt, dann hat Petra S. (
Name geändert) ein Lächeln auf den Lippen. "Was mich jetzt noch am Leben hält, ist meine ehrenamtliche Arbeit", sagt die 51-Jährige. "Ohne die wäre ich schon lange verrückt geworden." Inzwischen hat sie sich auf ihre Situation eingestellt, ohne Arbeit zu sein und von 707 Euro im Monat zu leben. "Es ernährt nicht, aber es hält am Leben." Einen Ausweg aus der "Hartz IV-Mühle", wie sie es nennt, sieht sie für sich nicht mehr. Sie arrangiert sich.
Aus dem Job in Hartz IV Dabei hat sie Jahrzehnte lang Vollzeit gearbeitet. Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung war sie im Büro und Verkauf sowie im Marketingbereich beschäftigt - bis 2004.
Danach nahm sie verschiedene Stellen an - "alles, was im Büro zu tun ist, kann ich machen", erklärt sie. Anfang 2006 bekam sie schließlich einen unbefristeten Job bei einem Zeitungsverlag - und freute sich riesig. Das halbe Jahr Probezeit ging schnell vorbei, wurde dann allerdings einfach noch einmal um drei Monate verlängert - ehe sie unverschuldet die Kündigung erhielt und arbeitslos wurde. Und weil Petra "nur" ein dreiviertel Jahr angestellt war, rutschte sie direkt ins Hartz IV-System. Heute bezeichnet sie sich als "arm", wenn sie Wohnung, Heizung und Strom bezahlt hat, bleiben ihr knapp 200 Euro. Solche Verhältnisse prangert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) an. "Job-Verlust führt häufig direkt in die Armut" heißt es in einer Pressemitteilung des Kreisverbandes Kitzingen mit seinem neuen Vorsitzenden Holger Kempf.
Viele Beschäftigte müssten sich, wenn sie arbeitslos werden, mit Hartz IV zufrieden geben, obwohl sie zuvor schon ihre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt hatten.
Der Grund dafür ist, dass sie zu kurz an einem Stück beschäftigt sind - wie im Falle von Petra S. Wer für ein Jahr einen Job behält, hat danach Anspruch auf Arbeitslosengeld I (ALG) - und das würde in fast allen Fällen bedeuten, dass man auch als Arbeitsloser einiges mehr an Geld zur Verfügung hat.
"Der Weg vom Lohnempfänger zum Hartz VI-Empfänger ist somit für viele sehr kurz geworden", schreibt der DGB-Kreisverband - vor allem auch vor dem Hintergrund der drohenden Entlassungen bei Fehrer.
Dabei sei das Risiko in der Industrie grundsätzlich niedriger - 2012 mussten lediglich acht Prozent der Beschäftigten in dieser Branche, die dann arbeitslos wurden, staatliche Leistungen beanspruchen.
Dennoch hält es der DGB für "dringend erforderlich, den sozialen Schutz der Arbeitslosenversicherung wieder zu verbessern". Bis Februar 2006 bestand ein Versicherungsanspruch von mindestens sechs Monaten nach Beitragszeiten von drei Jahren - unabhängig davon, wie lange die letzte Anstellung andauerte.
Politik als Ansprechpartner Für Toni Orth vom Jobcenter in Kitzingen ist klar: Die Forderung muss direkt an die Politik gehen. Allerdings sieht er dann eine neue Problematik auf die Verantwortlichen zukommen: Schließlich muss irgendjemand für die Absicherung der Arbeitslosen aufkommen. "Man muss schon aufpassen, dass die Balance gewahrt ist zwischen den Beitragszahlern und den Empfängern", erklärt er. Schließlich zahlt jeder sozialversicherungspflichtige Beschäftigte regelmäßig seine Beiträge - und die müssten dann nach oben gehen.
Und das würde die Beitragszahler wiederum wenig begeistern.
Es ist tatsächlich ein Drahtseilakt - das versteht auch Petra S. Am meisten verärgert sie, dass alle Hartz IV-Empfänger über einen Kamm geschert werden. "Ich würde sehr gerne wieder arbeiten", sagt sie. "Aber die Aussichten sind bescheiden". Depressionen, die verschlissene Bandscheibe, eine verschleppte Gürtelrose, und dazu lebensgefährliche Erkrankungen, das alles hat sie in den letzten Jahren überstehen müssen. Die Fördermaßnahmen der Arge - teilweise harte, körperliche Arbeit (dafür war sie sich nie zu schade!) - haben ihr eher geschadet als weitergeholfen. "Alles, was mir helfen würde, kostet Geld", sagt Petra S.
Und das hat sie nun mal nicht.
528 Beschäftigte im Landkreis Kitzingen sind 2012 nach Verlust des Arbeitsplatzes direkt ins Hartz IV-System gerutscht - obwohl sie zuvor Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlten.
Zwei Systeme
Arbeitslosengeld I ist eine Versicherungsleistung, die sich an das letztbezogene Gehalt anlehnt. Es beträgt in der Regel 67 Prozent des Einkommens und wird für ein Jahr gezahlt, über 55-Jährige können es 18 Monate beziehen, über 58-Jährige 24 Monate. Zuständig dafür ist die Arbeitsagentur.
Arbeitslosengeld II ist eine Steuerleistung, die vom Staat bereitgestellt wird. Sie ist vermögens- und einkommensabhängig, dazu gibt es Wohnungsgeld von der zuständigen Gemeinde. Hartz IV-Empfänger werden im Jobcenter betreut und beraten.