Der Betrieb in der Seniorenresidenz geht unter den Argusaugen der Überwacher aus dem Landratsamt Haßberge weiter. Der Skandal weitet sich dennoch aus.
Bereits Ende 2002 war den Kontrolleuren des Medizinischen Dienstes (MDK) die miese Pflege in der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf bekannt. In einem internen Protokoll von einer Personalbesprechung, das unserer Zeitung vorliegt und vom Heimleiter Peter U. unterzeichnet ist, bezeichnet er selbst das Ergebnis der MDK-Prüfung als "katastrophal". Wörtlich heißt es darin: "Einige Bewohner wurden ,schwimmend‘ in ihren Bett vorgefunden." Deswegen sollten die Windeln rechtzeitig gewechselt werden. Damals wurde vom MDK ein sofortiger Aufnahmestopp verhängt.
Pflegeskandal Gleusdorf: Über den Tod hinaus ausgeplündert?
Der Heimleiter ist noch immer frei und in Verantwortung, wie aus dem zuständigen Landratsamt Haßberge am Freitag auf Anfrage zu erfahren war. "Bei einer Ortseinsicht aufgrund der aktuellen Gegebenheiten wurde ein normaler Pflegebetrieb wahrgenommen. Der Heimleiter und ein stellvertretender Pflegedienstleiter kümmern sich um den laufenden Betrieb." Im Landratsamt gehen die Verantwortlichen davon aus, dass die Bewohner in der Einrichtung bleiben. (Fach-)Personal sei vorhanden, die ärztliche und medikamentöse Versorgung gewährleistet. "Die Heimaufsicht wird die Einrichtung in den kommenden Monaten engmaschig begleiten und kontrollieren."
Pflegekräfte: Wir wurden im Stich gelassen
Dass dies in der Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen ist, beklagen immer mehr Pflegekräfte, die nun an die Öffentlichkeit gingen, sich aber selbst an den Pranger gestellt fühlen. "Wir wurden von den Aufsichtsorganen im Stich gelassen." Und auch Angehörige sehen dies so. Eine Tochter, die im Jahr 2010 ihre Mutter wegen eines Hilferufs in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nachts um 22 Uhr im Rollstuhl abholte, hat sich bei der Heimaufsicht beschwert. Ohne Konsequenzen.
Noch schlimmer die Erzählungen über einen weiteren mysteriösen Todesfall, Nummer 6 seit Beginn der Enthüllungen im Fränkischen Tag und auf inFranken.de. Demnach wurde einer Seniorin (Name bekannt), die die Nahrungsaufnahme verweigerte, das Essen unter Anwendung von Zwang und Gewalt verabreicht. "Ihr wurde die Nase zugehalten und das Essen in den Mund gestopft" - und zwar von einer Vertrauten und Handlangerin, die die mittlerweile in U-Haft sitzende Geschäftsführerin schon aus ihrer Zeit in einem Pflegeheim in Verden (bei Bremen) her kannte. Pflegerinnen von damals erinnern sich, dass die alte, zierliche Frau, weil "sie aspirierte", ins Krankenhaus gebracht werden musste, wo sie am Tag drauf verstarb.
Wie diese "Ernährungsberatung" funktionierte, berichten andere Pflegekräfte. "Die, die schlecht gegessen haben, wurden fettgefüttert. Es gab Puddingsuppe, früh, mittags und abends. Auf den Pudding kam noch Butter drauf - nur wegen der Kalorien. Das war so ekelig. Danach saßen die stundenlang auf dem Klo."
@spielfrei: Sie haben es auch nicht verstanden - oder kommt es in ihrer Denkart einfach nicht vor, dass man Missstände, so wie sie nun mal waren, nicht beschönigen kann, und um Himmelswillen, auch gar nicht schönreden soll (wenn es ein ernsthafter, seriöser Journalismus ist !).
Die Tatsachen zu schildern hat mit reißerischem Sensationsjournalismus absolut nichts zu tun, und hier auf die Bildberichterstattung und ihr Niveau zu verweisen, ist in diesem Zusammenhang schon sehr verwegen!
Was würden Sie denken, wenn ein(e) Angehörger von Ihnen aufgrund der mehr als schäbigen Pflege/Zustände in diesem Heim Leidtragende(r) gewesen - oder gar aufgrund verweigerter Hilfe - verstorben wäre??! Würden Sie dann die Aufdeckung dieser haltlosen Zustände, die den Gewinn, die Bilanzen anstelle der hilfs/pflegebedürftigen Menschen in den Mittelpunkt stellt - auch noch als reißerisch sehen??!!!
Ein guter Journalismus berichtet auch über nicht ganz so schöne und genehme Themen um dem Ur-Auftrag, nämlich der Information der Bevölkerung, nachzukommen, es ist völlig verfehlt, wenn man bei schlimmen Zuständen/Taten/Vergehen das Ganze verniedlicht und die Menschen absichtlich falsch informiert.
Und das nichts mit reißerischer Berichterstattung zu tun, sondern, wie gesagt, es ist eine reine Information von bestehenden Tatsachen...
Tragische Zuständecdie aus reiner Gewinngier herbeigeführt werden. So was darf nicht sein.
Was aber genau so ekelhaft ist: Dieser billige Sensationsjournalismus des Herrn Kestel.
Ohne mutigen Lokaljournalismus hätte das Thema vermutlich nicht die Aufmerksamkeit erfahren, die notwendig ist, um Veränderungen für die Zukunft zu bewirken. Das hier ist kein "billiger Sensationsjournalismus", sondern Lokaljournalismus in seiner höchsten Qualität. Würden alle Journalisten so offen, so ungeschminkt und realitätsnah wie Herr Kestel berichten, dann stünde die deutsche Presse inbezug auf ihre Glaubwürdigkeit nicht in ihrer größten Krise seit Bestehen der Bundesrepublik. Ich habe größtes Unbehagen, wenn Herr Kestel in ein paar Jahren in den Ruhestand eintreten wird, weil ich keinen ebenbürtigen Nachfolger ausmachen kann.
Hä? Ralf Kestel ist Kult! Wenn amal a Tag ohne RK im FT is, dann taugt die Zeitung an dem Tag nix. So isses. Müssert mehr Ralf Kestels geben.
Liebe(r) Herr/Frau spielfrei,
Sie dürfen es mir glauben, dass es mir keinen Spaß bereitet, über solche Miststände (sic) - und zwar kontinuierlich zu berichten. Aber meine Berufsauffassung und mein Selbtverständnis lassen nichts anderes zu.
Wer weiß, ob der unmenschliche Umgang mit hilflosen, alten Menschen je ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und Behörden gerückt worden, wenn ich mich nicht der Leute, die den Mut hatten, die Missstände an- und auszusprechen, und ihren Problemen angenommen hätte. Viel zu lange hatte es schon gedauert, viel zu lange haben sich gewissenlose Menschen aus Sozialkassen bedient.
Dass sich nun immer mehr Menschen mit Insiderwissen anklagend zu Wort melden, sollten Sie mir nicht anlasten. Das ist kein billiger Sensationsjournalismus, sondern richtig harte Arbeit mit vielen Abwägungsprozessen, aber auch mit Konsequenz und Hartnäckigkeit.
Ich darf Ihnen versichern, dass ich die Konsequenzen der Berichterstattung für die Menschen dort und die Einrichtung selbst stets im Auge behalte. Allein, ich kann nichts anders, auch wenn es mir noch immer schlaflose Nächte bereitet. Leider lassen sich solch schlimme Vorgänge weder schönreden, noch schönschreiben.
Kleiner Scherz: Natürlich wären mir harmonische Schmusestunden mit irgendwelchen aalglatten Zeitgenossen und hübschen Damen bei Banketten viel (an-)genehmer.