Eltmann
Geothermie-Messungen
Das Ohr auf dem Bauch von Mutter Erde
Wo kommt sie her, diese Erdwärme, die in einem ganz bestimmten Landstrich Frankens den Wissenschaftlern aufgefallen ist? Auch im Landkreis wird geforscht.

So muss man sich das vorstellen: Drei Messfahrzeuge haben die Bodenplatten auf die Fahrbahn abgelassen und erzeugen Vibrationen.Dr. Wolfgang Bauer
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Als Wolfgang Bauer in den 1990er Jahren an seine Doktorarbeit ging, befasste er sich mit den Temperaturen im Untergrund Nordbayerns. Und da erkannte er sie das erste Mal: diese Anomalie in der natürlichen Erdwärme im Fränkischen zwischen Schweinfurt und Bayreuth.
25 Jahre später bekam der heutige Leiter der Forschungsgruppe Geothermie am Lehrstuhl für Geologie an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Geo-Zentrum Nordbayern, den wissenschaftlichen Auftrag "nachzubohren": Was ist die Ursache für diese Wärmeanomalie?
Wobei "Bohren" nur sinnbildlich zu sehen ist, denn inzwischen gehen Geologen bei den Untersuchungen des Untergrunds wesentlich sachter vor, indem sie Schallwellen nutzen, die sie mittels so genannter Geophone einfangen, ganz spezielle "Lauscher" die jeweils per Stab zehn Zentimeter in den Boden reichen.
Harald Stollhofen hat als Professor am Lehrstuhl für Geologie in Erlangen-Nürnberg dieser Tage erst den neuen Masterstudiengang Geothermie eröffnet und freut sich, dass das Projekt an seiner Fakultät angesiedelt ist. Er erläutert, dass man die Erdwärme aus der Bergwerksarbeit kennt. Normal sind pro tausend Metern Tiefe 30 Grad Celsius, und das proportional ansteigend. In dem Raum Frankens, zu dem auch der Landkreis Haßberge gehört, "sind die 60 Grad schon viel früher erreicht als in 2000 Metern".
Bei Mürsbach stieß man das erste Mal auf die außergewöhnliche Wärme, als man 1970/71 auf der Suche nach einem möglichen Standort für einen Erdgasspeicher zur Strukturerkundung bohrte und nach 1000 Metern schon deutlich über 45 Grad Celsius Wärme feststellte. Im benachbarten Staffelstein bohrte man 1976 nach dem heißen Wasser. In Obernsees gibt es heute eine Therme, Bad Rodach ist auch bekannt. In Eltmann im Landkreis Haßberge gab es ebenfalls Bohrungen: Hier war in den 1950er Jahren die Erdölindustrie auf der Suche nach eventuellen Vorkommen.
Sehr viel mehr Erhebungen gibt es für den hiesigen Raum aber nicht. Die Daten sind zentral erfasst bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover (gegründet 1958 als Bundesanstalt für Bodenforschung).
Die Bundesanstalt sammelt Daten aus allen möglichen Arbeiten: auch Daten, die Firmen sammelten und die diesen Firmen noch gehören. Wie Wolfgang Bauer erklärt, kann man zwar anfragen, ob man diese Daten zu Forschungszwecken bekommt, doch nicht immer geben die Firmen sie frei - schließlich steht am Ende jeder Forschungsarbeit die Veröffentlichung. Es ist nur ein Mosaiksteinchen seiner umfangreichen Vorarbeiten für das Projekt, das im Winter im Landkreis Haßberge anlaufen soll.
Noch viel mehr "Laufarbeit" ist zu erledigen, dafür hat er extra ein Unternehmen beauftragt: Denn Geologen können sich nicht einfach auf dem Boden von Kommunen und Verbänden, von Landwirten und privaten Eigentümern bewegen, selbst wenn sie nur Schallwellen aussenden, sie müssen jeden um Erlaubnis fragen. Vom Bergamt in Bayreuth und dem bayerischen Wissenschaftsministerium in München bis zur Regierung von Unterfranken hinunter bis zu jedem einzelnen Bürgermeister im Raum zwischen Schweinfurt, Bamberg und Hof-Bayreuth.
Der nordbayerische, fränkische Raum gilt als bislang sehr wenig untersucht. Es lässt sich daher noch nicht beantworten, woher seine geothermische Anomalie kommt. Sind es Bruchstellen in der Erdkruste, deren Bruchlinien bis in die Tiefe reichen und es heißen Wässern erlauben aufzusteigen? Oder sind es riesengroße Granitkörper - "wie im Fichtelgebirge", sagt Bauer, in denen radioaktive Materialien zerfallen und dabei Wärme freisetzen? Wohlgemerkt in geringsten Konzentrationen, aber, "die Menge macht's". Bislang alles Theorie.
Klärung erhoffen sich die Forscher durch ihre seismischen Untersuchungen. Die übrigens vor Kurzem erst den Königsberger Stadtrat passierten, der das Vorhaben wohlwollend zur Kenntnis nahm.
Bauer hat im Vorfeld "große Störungszonen" definieren können und senkrecht darüber so genannte Geophon-Linien gezogen (siehe Karte).
Vermessen werden insgesamt 200 Kilometer in Schritten von je fünf bis zehn Kilometern, denn ein Kabel, das alle 20 Meter mit einem Geophon bestückt ist, wird auf dem Boden zu Fuß und von Hand verlegt; es misst jeweils fünf Kilometer Länge. Mit zwei solchen Messkabeln ist man am Werk. Vermesser begleiten den Trupp über Berg und Tal und markieren mit Pflöcken die Route, wo die Geophone in den Boden kommen. Wenn die dann im Boden sind, liegt das Ohr der Forscher sozusagen auf der Erde.
Der nächste Schritt: Spezielle Fahrzeuge erzeugen mit Hilfe von Druckplatten auf eigens berechneten Vibrationspunkten auf dem Boden Vibrationen. Dabei entstehen genau definierte sekundenlange niederfrequente Schallwellen (20-Sekunden-Sequenzen im Bereich von 15 bis 100 Hertz, also vom menschlichen Ohr nicht hörbar). Sie dringen in den Boden ein, durchlaufen die tieferen Bodenschichten und werden von Gestein zurückgeworfen. Aus der Dauer, wie lange sie unterwegs sind, bis sie wieder gemessen werden können, kann der Geologe ein Profil des Untergrunds erstellen.
"Wir benutzen nur öffentliche Straßen und Wege", erklärt Wolfgang Bauer zu den Fahrzeugen, an deren Unterseite massive Druckplatten montiert sind, die mittels Hydraulik in Vibration gebracht werden. Der ganze Trupp aus drei bis vier massiven Fahrzeugen wird dabei kaum Spuren hinterlassen.
Es sind spezielle Seismik-Unternehmen, die solche Messungen anbieten, die Ausschreibung läuft gerade: europaweit.
Wie lange wird man brauchen? Alle 100 Meter sitzt ein Vibrationspunkt für den der Trupp fünf Minuten braucht. "Durch einen Ort sind wir in spätestens einer Stunde", schätzt Doktor Bauer die Zeit ein, die das alles dauern könnte. Die Monate Januar bis März 2018 sind dafür reserviert: Ruhezeit in der Landwirtschaft und auch in der Flora und Fauna. "Die Wiesenbrüter sind noch nicht da."
Was kann das alles bringen? Für den Forscher erst einmal die Beantwortung seiner Frage. Für den Bürger? "Eine denkbare Möglichkeit ist im Zuge der Energiewende die Gewinnung von regenerativer Wärme," erklärt der Wissenschaftler und lenkt den Blick über den Tellerrand: In Italien nutzt man seit 1904 in der Toskana Geothermie zur Stromgewinnung, in Island wird die ganze Hauptstadt Reykjavík durch heißes Wasser aus den Thermalquellen beheizt. Ja, beim französischen Nachbarn in Paris heizt man die Außenbezirke mit Erdwärme. Und nicht zuletzt: Im Süden Bayerns gibt es inzwischen schon gut 16 solcher Anlagen, die Stadtwerke München rüsten aktuell ihre fossil befeuerten Heizkraftwerke aus Geothermie um.
"Das Problem bei der Geothermie ist", schmunzelt der 50-jährige Wissenschaftler hörbar durchs Telefon, "man sieht's halt nicht."
25 Jahre später bekam der heutige Leiter der Forschungsgruppe Geothermie am Lehrstuhl für Geologie an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Geo-Zentrum Nordbayern, den wissenschaftlichen Auftrag "nachzubohren": Was ist die Ursache für diese Wärmeanomalie?
Wobei "Bohren" nur sinnbildlich zu sehen ist, denn inzwischen gehen Geologen bei den Untersuchungen des Untergrunds wesentlich sachter vor, indem sie Schallwellen nutzen, die sie mittels so genannter Geophone einfangen, ganz spezielle "Lauscher" die jeweils per Stab zehn Zentimeter in den Boden reichen.
Harald Stollhofen hat als Professor am Lehrstuhl für Geologie in Erlangen-Nürnberg dieser Tage erst den neuen Masterstudiengang Geothermie eröffnet und freut sich, dass das Projekt an seiner Fakultät angesiedelt ist. Er erläutert, dass man die Erdwärme aus der Bergwerksarbeit kennt. Normal sind pro tausend Metern Tiefe 30 Grad Celsius, und das proportional ansteigend. In dem Raum Frankens, zu dem auch der Landkreis Haßberge gehört, "sind die 60 Grad schon viel früher erreicht als in 2000 Metern".
Bei Mürsbach stieß man das erste Mal auf die außergewöhnliche Wärme, als man 1970/71 auf der Suche nach einem möglichen Standort für einen Erdgasspeicher zur Strukturerkundung bohrte und nach 1000 Metern schon deutlich über 45 Grad Celsius Wärme feststellte. Im benachbarten Staffelstein bohrte man 1976 nach dem heißen Wasser. In Obernsees gibt es heute eine Therme, Bad Rodach ist auch bekannt. In Eltmann im Landkreis Haßberge gab es ebenfalls Bohrungen: Hier war in den 1950er Jahren die Erdölindustrie auf der Suche nach eventuellen Vorkommen.
Sehr viel mehr Erhebungen gibt es für den hiesigen Raum aber nicht. Die Daten sind zentral erfasst bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover (gegründet 1958 als Bundesanstalt für Bodenforschung).
Die Bundesanstalt sammelt Daten aus allen möglichen Arbeiten: auch Daten, die Firmen sammelten und die diesen Firmen noch gehören. Wie Wolfgang Bauer erklärt, kann man zwar anfragen, ob man diese Daten zu Forschungszwecken bekommt, doch nicht immer geben die Firmen sie frei - schließlich steht am Ende jeder Forschungsarbeit die Veröffentlichung. Es ist nur ein Mosaiksteinchen seiner umfangreichen Vorarbeiten für das Projekt, das im Winter im Landkreis Haßberge anlaufen soll.
Noch viel mehr "Laufarbeit" ist zu erledigen, dafür hat er extra ein Unternehmen beauftragt: Denn Geologen können sich nicht einfach auf dem Boden von Kommunen und Verbänden, von Landwirten und privaten Eigentümern bewegen, selbst wenn sie nur Schallwellen aussenden, sie müssen jeden um Erlaubnis fragen. Vom Bergamt in Bayreuth und dem bayerischen Wissenschaftsministerium in München bis zur Regierung von Unterfranken hinunter bis zu jedem einzelnen Bürgermeister im Raum zwischen Schweinfurt, Bamberg und Hof-Bayreuth.
Der nordbayerische, fränkische Raum gilt als bislang sehr wenig untersucht. Es lässt sich daher noch nicht beantworten, woher seine geothermische Anomalie kommt. Sind es Bruchstellen in der Erdkruste, deren Bruchlinien bis in die Tiefe reichen und es heißen Wässern erlauben aufzusteigen? Oder sind es riesengroße Granitkörper - "wie im Fichtelgebirge", sagt Bauer, in denen radioaktive Materialien zerfallen und dabei Wärme freisetzen? Wohlgemerkt in geringsten Konzentrationen, aber, "die Menge macht's". Bislang alles Theorie.
Klärung erhoffen sich die Forscher durch ihre seismischen Untersuchungen. Die übrigens vor Kurzem erst den Königsberger Stadtrat passierten, der das Vorhaben wohlwollend zur Kenntnis nahm.
Bauer hat im Vorfeld "große Störungszonen" definieren können und senkrecht darüber so genannte Geophon-Linien gezogen (siehe Karte).
Vermessen werden insgesamt 200 Kilometer in Schritten von je fünf bis zehn Kilometern, denn ein Kabel, das alle 20 Meter mit einem Geophon bestückt ist, wird auf dem Boden zu Fuß und von Hand verlegt; es misst jeweils fünf Kilometer Länge. Mit zwei solchen Messkabeln ist man am Werk. Vermesser begleiten den Trupp über Berg und Tal und markieren mit Pflöcken die Route, wo die Geophone in den Boden kommen. Wenn die dann im Boden sind, liegt das Ohr der Forscher sozusagen auf der Erde.
Der nächste Schritt: Spezielle Fahrzeuge erzeugen mit Hilfe von Druckplatten auf eigens berechneten Vibrationspunkten auf dem Boden Vibrationen. Dabei entstehen genau definierte sekundenlange niederfrequente Schallwellen (20-Sekunden-Sequenzen im Bereich von 15 bis 100 Hertz, also vom menschlichen Ohr nicht hörbar). Sie dringen in den Boden ein, durchlaufen die tieferen Bodenschichten und werden von Gestein zurückgeworfen. Aus der Dauer, wie lange sie unterwegs sind, bis sie wieder gemessen werden können, kann der Geologe ein Profil des Untergrunds erstellen.
"Wir benutzen nur öffentliche Straßen und Wege", erklärt Wolfgang Bauer zu den Fahrzeugen, an deren Unterseite massive Druckplatten montiert sind, die mittels Hydraulik in Vibration gebracht werden. Der ganze Trupp aus drei bis vier massiven Fahrzeugen wird dabei kaum Spuren hinterlassen.
Es sind spezielle Seismik-Unternehmen, die solche Messungen anbieten, die Ausschreibung läuft gerade: europaweit.
Wie lange wird man brauchen? Alle 100 Meter sitzt ein Vibrationspunkt für den der Trupp fünf Minuten braucht. "Durch einen Ort sind wir in spätestens einer Stunde", schätzt Doktor Bauer die Zeit ein, die das alles dauern könnte. Die Monate Januar bis März 2018 sind dafür reserviert: Ruhezeit in der Landwirtschaft und auch in der Flora und Fauna. "Die Wiesenbrüter sind noch nicht da."
Was kann das alles bringen? Für den Forscher erst einmal die Beantwortung seiner Frage. Für den Bürger? "Eine denkbare Möglichkeit ist im Zuge der Energiewende die Gewinnung von regenerativer Wärme," erklärt der Wissenschaftler und lenkt den Blick über den Tellerrand: In Italien nutzt man seit 1904 in der Toskana Geothermie zur Stromgewinnung, in Island wird die ganze Hauptstadt Reykjavík durch heißes Wasser aus den Thermalquellen beheizt. Ja, beim französischen Nachbarn in Paris heizt man die Außenbezirke mit Erdwärme. Und nicht zuletzt: Im Süden Bayerns gibt es inzwischen schon gut 16 solcher Anlagen, die Stadtwerke München rüsten aktuell ihre fossil befeuerten Heizkraftwerke aus Geothermie um.
"Das Problem bei der Geothermie ist", schmunzelt der 50-jährige Wissenschaftler hörbar durchs Telefon, "man sieht's halt nicht."