Die Schnitzarbeiten des Pferdebauern Andreas Fischer schafften es sogar ins Fernsehen.
Der Hof von Andreas Fischer war eines der größeren landwirtschaftlichen Anwesen in
Seidenhof. Das sagte auch der Name aus, er war ein Pferdebauer im Gegensatz zu den ärmeren Kuhbauern. Obwohl sein Bauernhof prächtig in Schuss war und er sich bester Gesundheit erfreute, übergab er diesen zu seinem 60. Geburtstag an seinen Schwiegersohn Johann Hacker und bezog das für den Besitzwechsel bereitstehende kleine Austragshäuschen. Endlich konnte er die schwere Landarbeit hinter sich lassen und sich voll seiner Liebhaberei, dem Schnitzen, widmen.
Andreas Fischer aus Seidenhof, geboren am 27. September 1857, war immer ein Bastler gewesen und hatte alles, was auf dem Hof benötigt wurde, mit großem Geschick selbst angefertigt. Zum Tünchen schnitt er sich selbst die Schablonen mit Blumenmustern und bemalte leere Wandflächen mit Menschen, Tieren und Pflanzen.
Geschnitzte Überraschungen
Er legte sich eine Schnitzbank zu und einen Satz Schnitzmesser. Damit konnte er seine schöpferischen Ideen und Fantasien endlich ausleben. Fischer hatte nie eine Ausbildung als Schnitzer genossen. Er fertigte Figuren jeglicher Art. Das Ehepaar Sack erhielt zur goldenen Hochzeit eine geschnitzte Überraschung, und anstelle mit Blumen schmückte er die Gräber von Freunden und Bekannten mit buntem Blumenschnitzwerk.
Erst durch Zufall wurden Insider auf das Talent aus Seidenhof aufmerksam. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg erhielt J. M. Ritz, Redakteur des Magazins "Echte Volkskunst", von Stadtkämmerer Flessa den Hinweis, dass es in der Nähe einen Bauern gäbe, der leidenschaftlich schnitze. Da seine Familie dessen Exponate nicht besonders schätze, bestehe die Gefahr, dass beim Tode des Mannes die gesamte Hinterlassenschaft verbrannt werden könnte. Unverzüglich machten sich die Männer auf den Weg nach Seidenhof.
Eine verwirrende Fülle von Schnitzereien stand dort auf Regalen, war an Möbel genagelt, hing an den Wänden. Die bedeutendsten Werke sind auch heute noch erhalten und im Landschaftsmuseum Obermain zu bewundern. Der "Herrgottswinkel" war tatsächlich in einer Wandnische untergebracht. Zum Monumentalwerk "Das Jüngste Gericht" gehörten vollplastische Figuren. Eine andere Arbeit - "Adam und Eva am Baum der Erkenntnis" - hatte die Vertreibung aus dem Paradies zum Thema.
Die religiösen Darstellungen Fischers entsprangen einer stillen innerlichen Frömmigkeit. Man sagte von ihm, dass er weder Streit noch Zank kannte und dass sein Leben ohne größere Zwischenfälle oder Erschütterungen verlief.
Sehr naturverbunden
Fischer verließ sein Domizil nur, um in Kulmbach Farbe zu kaufen oder in Melkendorf in die Kirche zu gehen. Er war naturverbunden, und so ist es nicht verwunderlich, dass er die verschiedensten Arten von Tieren darstellte, auch solche, die er selbst noch nicht gesehen hatte, den Vogel Strauß zum Beispiel. Zu den Lieblingserzeugnissen Fischers gehörten ferner bunte, geschnitzte Sträuße in der Vase.
Lehrer H. Reul und Schulrat Max Hundt berichten in ihren Notizen: "Fischer soll bis zu seinem Tode sehr oft an Zahnschmerzen gelitten haben und in mancher schlaflosen Nacht seien ihm neue Ideen gekommen, welche er am Morgen sofort in die Tat umsetzte (...). Fischer schnitzte nicht, was er sah, sondern was er dachte und wusste. Er muss so reich an Vorstellungen gewesen sein, dass er unabhängig von Vorbildern auf diesen inneren Reichtum sein ganzes Schaffen aufbauen musste." Andreas Fischer verstarb am 22. Januar 1939.
Originelle Figurenwelt
Nach dem Kriege bemühte sich Stadtschulrat und Kulturreferent Hans Stößlein mit Museumsleiter Wolfgang Mössner, die Schätze des Volkskünstlers auf dem Dachboden zu bergen. Und sie entdeckten bis dato noch gänzlich unbekannte Werke.
Urenkel Fritz Hacker, der Hofbesitzer, gestattete der Delegation aus Kulmbach, das gesamte Werk in Obhut zu nehmen und in das Luitpoldmuseum zu überführen. Stößlein bezeichnete das Schaffen des Seidenhofers als echte Volkskunst, wenn auch von recht eigenwilliger Art. Er kennzeichnete die Arbeiten als "völlig unabhängige starke Formenphantasie" und als eine höchst originelle, archaisch anmutende Figurenwelt.
Bald wurde das Werk Andreas Fischers auch der breiten Öffentlichkeit bekanntgemacht. In der Schalterhalle der Kulmbacher Sparkasse kamen seine Schöpfungen sowohl im November 1966 als auch im Mai 1974 zur Präsentation, wobei das "Jüngste Gericht" wegen des Umfangs nicht gezeigt werden konnte. Auch dienten sie als Mittelpunkt von Weihnachtsausstellungen im Badhaus.
Das ZDF zeigte am 4. August 1972 seine Kreationen Paradies, Vogel Strauß, Menschenpaar zwischen Riesenvögeln und zwei Blumenbuketts. Die Vorderseite des Katalogs 1/75 des Studienprogramms des Bayerischen Fernsehens schmückten ganzseitig zwei Phantasievögel mit Blumenhintergrund.
Heute auf der Plassenburg
Ferner wurde das Wirken Fischers auch im Rundfunk und in Fachzeitschriften gewürdigt. Nach der Auflassung des Luitpoldmuseums in der Stadt fanden die wichtigsten Werke des Künstler im Landschaftsmuseum Obermain auf der Plassenburg eine neue Bleibe.