Seit zehn Jahren ersetzen in Röttenbach ältere Menschen zugezogenen Kindern die Großeltern. Monatliche Treffen lassen innige Bindungen entstehen. Die Nachfrage nach Leihomas und Leihopas ist größer als das Angebot.
Zehn Jahre ist es her, da wurde Erika Ilsemann bewusst, wie viele junge Familien in Röttenbach leben, die erst vor kurzem hergezogen waren. Deren Eltern oft viele 100 Kilometer entfernt lebten. Deren Kinder nur selten mit ihren Großeltern zusammenkamen. Zusammen mit Jugendpfleger Frank Schulte und Karen Georgi von den Freien Spielgruppen rief sie deshalb die Aktion Leihoma-Leihopa ins Leben. Längst haben die Beteiligten dafür ein neues Wort gefunden: Loma oder Lopa klingt doch gut.
Seither hat sich einiges verändert, vor allem die Kinder der ersten Generation sind groß geworden; manche sind schon mitten in der Pubertät. Auch weitere Umzüge und sonstige Lebensveränderungen sind eingetreten. Trotzdem traf sich nun am Spielplatz an der Klebheimer Straße eine ganze Anzahl von Wahlgroßfamilien.
Helen Barüske ist nun zehn und hat seit ihrem ersten Lebensjahr ein herzliches Verhältnis zum Ehepaar Barbara und Josef Bauer.
"Mein Mann zog am Anfang nicht so", sagt die Leihoma. "Doch heute wickelt Helen ihn um den kleinen Finger." Einmal die Woche ist sie mittags bei den Leih-Großeltern, und dem erst zögerlichen "Opa" macht es die größte Freude, dem Mädchen sein Lieblingsessen zu kochen.
"Meine Mutter ist froh, dass Barbara die Dinge tut, die sie wegen der Entfernung nicht machen kann", ergänzt die Mutter Verena Barüske, die aus Kiel stammt. Besonders gut hat sie einen fiesen Infekt in Erinnerung, als alle Familienmitglieder deswegen das Bett hüten mussten.
"Barbara rief an und stellte uns einen Topf mit Essen vor die Tür; wegen der Ansteckungsgefahr wollte sie lieber nicht ins Haus."
Längst kennen sich die echten Großeltern und die geliehenen, und für alle ist es eine Selbstverständlichkeit, etwas gemeinsam zu unternehmen. Dadurch die neue Lebensregion kennenzulernen, nennt Verena Barüske neben der generationenübergreifenden Erziehung als einen weiteren wichtigen Grund solcher Wahlzusammenschlüsse und erzählt von einem Ausflug dieser Tage zum Staffelberg.
Heute sind es neun solcher Großfamilien im Ort. Mindestens eine ist sozusagen die zweite Runde. Nachdem die Kinder der ersten Familie groß waren, schlüpfte ein Ehepaar, dessen Kinder und Enkel im Ausland leben, nochmals in die Leih-Großelternrolle.
Dass sich die Idee so lange hielt - trotz aller äußeren Veränderungen - führt Erika Ilsemann auf das Konzept zurück, bei dem man sich einmal im Monat trifft. Schade findet sie es, dass viel mehr junge Familien nach einer Verbindung zu Älteren suchen, als Leih-Großeltern zur Verfügung stehen.