Sigismund von Dobschütz Nach seinem 1992 veröffentlichten Debütroman "Vaterland", erst kürzlich als Taschenbuch wieder neu herausgegeben, und dem 1995 folge...
Sigismund von Dobschütz
Nach seinem 1992 veröffentlichten Debütroman "Vaterland", erst kürzlich als Taschenbuch wieder neu herausgegeben, und dem 1995 folgenden Spionagethriller "Enigma" ist 20 Jahre und einige Bücher später nun "München" der dritte Roman des britischen Schriftstellers Robert Harris (60) erschienen, der sich mit Hitler-Deutschland befasst. In seinem im Oktober 2017 beim Heyne-Verlag erschienenen Politthriller über das Zustandekommen und den Abschluss des Münchner Abkommens im Herbst 1938 geht es um Hochverrat und Unbestechlichkeit, um Loyalität und Vertrauensbruch, um moralische Standfestigkeit und die manchem vielleicht unmoralisch erscheinenden Zwänge der Realpolitik. Wie in seinen früheren Romanen verwebt der auf historische Thriller spezialisierte Autor auch in "München" in faszinierender Weise wieder Fakten und Fiktion. Gerade aber dies ist sein Erfolgsgeheimnis, wodurch auch "München" wieder zu Recht zum Bestseller wurde.
Eindrucksvoll und spannend beschreibt Harris aus britischer Sicht, wie der englische Premier Chamberlain den deutschen Reichskanzler Hitler überfallartig 1938 zu einem kurzfristigen Treffen in München zwingt, gemeinsam mit dem französischen Premier Daladier und dem italienischen Diktator Mussolini. Ziel ist ein Abkommen über die friedliche Überlassung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich bei gleichzeitigem Verzicht des von Hitler gewollten Krieges unter Inkaufnahme des Verrats an den Tschechen.
Schnell wird dem Leser deutlich, dass nicht Ehre und Moral die Tagespolitik der Alliierten bestimmen, sondern die subjektiven Interessen des eigenen Landes. Auch der fiktiv in die real-historische Handlung eingebaute junge Offizier Paul von Hartmann, Mitglied der Widerstandsgruppe um General Hans Oster, kann trotz Vorlage eines streng geheimen Protokolls über Hitlers kriegerische Eroberungspläne den britischen Premier nicht überzeugen, gegen den Diktator vorzugehen. Mit Harris wird man zum Teilhaber des Geschehens im Münchner Führerbau. Sogar in seiner Privatwohnung ist man an Hitlers Seite. Denn auch diese hat sich Harris bei seinen Recherchen angesehen. "München" ist ein Politthriller, der durch seine detailgenaue Wirklichkeitsnähe begeistert und mit seiner Handlung fesselt. Nicht zuletzt lernt man ein bedeutsames Kapitel deutscher Geschichte.