Es gibt viele Geschichten, mit denen man die Geschichte eines Kontinents erzählen kann, in dem die Grenzen gefallen sind. Eine ist die von Mario, der aus Italien nach Haßfurt kam und blieb. Und mit ihm ein leckerer Brotfladen.
Günter Flegel Wohl nirgends ist sich Europa, wenn nicht die ganze Welt, so einig wie auf dem Teller: Die Pizza hat es vom Arme-Leute-Essen zum Global Player geschafft. Der Brotfladen gehört zum Kulturerbe der Menschheit und landet stets auf vorderen Plätzen, wenn nach dem Leibgericht gefragt wird.
Die Geschichte der Pizza ist speziell in Deutschland auch eine Geschichte Europas. Denn sie gehörte neben dem Kaugummi der amerikanischen Soldaten wohl zu den ersten "fremden" Speisen, mit denen sich die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg angefreundet haben. Noch bevor mit der Sehnsucht nach dem Süden die erste große Reisewelle nach Italien rollte.
Mario Ferrucci ging den umgekehrten Weg. In einem kleinen Dorf in den Abruzzen aufgewachsen, machte er sich zusammen mit seinem Bruder auf den Weg nach Norden. "15 war ich, zu Hause gab es keine Arbeit, und so sind wir erst in Schweinfurt gelandet, wo ich im Lokal meines Bruders mitgearbeitet habe", erzählt der Wirt der Pizzeria "La Lupa" - die (römische) Wölfin - in Haßfurt.
Vor 40 Jahren erfüllte sich Mario Ferrucci, heute 62, seinen Traum vom eigenen Restaurant. Seine "Wölfin" bringt seither das Kunststück fertig, zum Kult geworden und Geheimtipp geblieben zu sein. Denn um zu wissen, dass in dem unscheinbaren Haus in einer der ältesten Neubausiedlungen Haßfurts ein Stück Italien steckt, muss man schon Insider sein oder einen guten Tipp bekommen.
Alles begann in Würzburg
Ob es ein Zufall ist? Ein Vierteljahrhundert vor Seniore Ferrucci war es ein anderer Italiener, Nicolino di Camillo, der in Würzburg die allererste Pizzeria auf deutschem Boden eröffnete. Auch er stammte wie Mario aus den Abruzzen und war als ziviler Bediensteter der US Army zunächst nach Nürnberg und dann in das von Bomben zerstörte Würzburg gekommen.
1952 richtete "Nick" in einem der wenigen unbeschädigten Häuser sein Lokal "Sabbie di Capri" ein, heute "Blaue Grotte". In dem Häuschen, ein wenig versteckt in der Elefantengasse, kann man bis heute Italienisch schlemmen. Als Nick erstmals seine Tür öffnete, kostete die Pizza, ein Bier inklusive, 3,50 Mark. Die ersten Stammgäste waren Amerikaner, nicht nur, weil sich damals kaum ein Deutscher diesen Luxus leisten konnte. Pizza war 1952 hierzulande schlicht unbekannt - anders als in den USA, wo italienische Einwanderer längst ihre Esskultur eingebürgert hatten.
Eine Anekdote am Rande: In der Würzburger Pizzeria wurde auch der heute weit verbreitete Pizzakarton erfunden. Nick veranstaltete sehr erfolgreich Pizzapartys und suchte nach einer Methode, den heißen Fladen zumindest noch warm von A nach B zu bringen ...