"Es gibt vieles, was uns verbindet"

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Vor dem Bethaus legte eine Delegation zum 15-jährigen Bestehen der Partnerschaft einen Kranz nieder. Foto: Peter Rauch
Vor dem Bethaus legte eine Delegation zum 15-jährigen Bestehen der Partnerschaft einen Kranz nieder.  Foto: Peter Rauch

Die Problematik von sogenannten Krisenregionen lässt sich am besten nach einem Besuch dort einordnen und ein solcher vervollkommnet das Bild deutlich. Das w...

Die Problematik von sogenannten Krisenregionen lässt sich am besten nach einem Besuch dort einordnen und ein solcher vervollkommnet das Bild deutlich. Das weiß auch Landrat Thomas Bold, der die Geschichte der Partnerschaft im Amt schon seit 2002 begleitet.

20 Jahre besteht die Partnerschaft des Landkreises Bad Kissingen mit dem Landkreis Tamar in Israel. Welche Ereignisse führten zu der ungewöhnlichen Beziehung?
Thomas Bold: Die Partnerschaft entstand durch einen Jugendaustausch, der Jugendliche aus dem Landkreis Bad Kissingen in den Landkreis Tamar, nach Ein Gedi, brachte. Dabei entstand der Kontakt zu Joske Ereli. Der gebürtige Bad Kissinger hatte vor dem Zweiten Weltkrieg emigrieren müssen und war bereit, seine Beziehungen in die alte Heimat wieder aufleben zu lassen.

Am Wochenende fahren Sie mit einer großen Reisegruppe, mit Kreisräten, dem Bezirkstags-Präsidenten, deren Angehörigen und interessierten Mitbürgern nach Israel. Nehmen Sie eine politische Botschaft nach Tamar mit?
Für mich und auch für den Kreistag ist es wichtig, die Partnerschaft vor dem historischen Hintergrund weiterzuführen. Wir sind vor 20 Jahren diese Beziehung ganz bewusst eingegangen und haben mit Freude erlebt, wie offen die Freunde aus Israel uns begegnen. Gerade für Joske Ereli war es ein Akt der Versöhnung, sich in Bad Kissingen auch immer wieder mit Freunden zu treffen, die er noch aus der Schulzeit kannte.
Unsere Partnerschaft kann man also als Beitrag zur Völkerverständigung sehen - das wollen wir auch zum Ausdruck bringen.

Von Beginn an war es eine offizielle Verbindung mit augenscheinlich ungleichen Partnern. In Tamar leben in etwa so viele Menschen wie in Ihrem Heimatort Wartmannsroth. Wer im Partnerlandkreis am Toten Meer nimmt überhaupt vom nordbayerischen Gesundheitsstandort Notiz?
E s ist natürlich richtig, dass die Einwohnerstruktur in unserem Partnerlandkreis am Toten Meer sich stark von der unseren unterscheidet. Aber es gibt auch vieles, das uns verbindet. Tamar ist ein herausragender Gesundheitsstandort mit einer Therme oder beispielsweise Kuranlagen in Ein Bokek. Insofern gibt es gute Ansatzpunkte für eine Partnerschaft. Hier bei uns können wir natürlich nur wenige Kurgäste aus unserem Partnerlandkreis erwarten - die Entfernung wäre für diesen Zweck einfach zu groß. Der Jugendaustausch läuft jedoch sehr gut. Genau solche Begegnungen stehen im Mittelpunkt der Partnerschaft, denn wir wollen für die künftigen Generationen in diesem Sinne weiterarbeiten.

Ein Gedi, die Oase am Toten Meer gilt als das emotionale Zentrum der Partnerschaft, die unweigerlich mit den Namen Joske Ereli und Herbert Neder verbunden ist. Beider wird bei dieser Reise besonders gedacht werden. Ist der Besuch im gleichnamigen Kibbuz für Sie Geschäftsroutine geworden?
Man muss zu den Anfängen zurückblicken: Joske Ereli hat den Anstoß für die Partnerschaft gegeben. Vor 20 Jahren hat dann Herbert Neder mit seinem Kollegen Yoav Givati den offiziellen Grundstein für die Partnerschaft gelegt. Die beiden sind die Gründerväter dieser Verbindung. Dies werden wir natürlich auch in der offiziellen Veranstaltung zum Ausdruck bringen. Eine Reise nach Ein Gedi ist also immer etwas ganz Besonderes für mich. Dass solche Besuche jemals Routine werden, kann ich mir absolut nicht vorstellen. Die Anlagen am Toten Meer, die Felsenburg Masada, die gemeinsamen Erlebnisse mit den Menschen, die spürbare Geschichte in Jerusalem - das alles ist immer wieder ein tief bewegendes Ereignis für mich, und daran wird sich auch nichts ändern.

Im Umgang mit der jüngeren Geschichte in Deutschland wird vom rechten Rand her versucht, eine Vergessenstrategie wieder in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Auch Menschen jüdischen Glaubens fühlen sich nicht mehr so sicher. Ist die kommunale Außenpolitik des Landkreises ein Hebel, um solchen Tendenzen in unserer Region entgegen zu wirken?
Es ist wichtig, sich deutlich gegen solche Tendenzen zu stellen und dafür Sorge zu tragen, dass die schrecklichen Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten.
Wir haben gute Kontakte zu den jüdischen Mitbürgern in Deutschland. Gerade der Jugendaustausch soll für einen unkomplizierten Umgang mit der jüdischen Bevölkerung sorgen und zum gegenseitigen Verständnis beitragen. Insofern ist es eine wichtige Aufgabe, diese Partnerschaft weiter zu erhalten und zu beleben.
Auch im Landkreis Bad Kissingen mussten während der Zeit des Dritten Reichs viele jüdische MitbürgerInnen auswandern. Zudem wurden viele in Konzentrationslagern ermordet. Aufgrund der Vergangenheit ist es umso wichtiger, über diese aufzuklären und gemeinsam nach vorne zu blicken. Gerade durch Partnerschaften mit Israel, wie sie auch andere unterfränkische Landkreise führen, wollen wir dafür Sorge tragen, dass solche Tendenzen nicht neu entstehen können.

In wieweit hat das Bild, das in Deutschland via Nachrichten über Israel verbreitet wird, aus Ihrer Sicht mit der Alltagsrealität dort zu tun? Die Reiseleitung für die Fahrt lässt entsprechende Hinweise in den Unterlagen ja nicht aus.
Israel ist seit Jahrzehnten mit Terroranschlägen konfrontiert, was wir Deutschland und Europa erst seit Kurzem kennen. In Israel gehört das zur Alltagsrealität. Ich kann mich erinnern: Wenn ich früher mit Joske Ereli über diese Problematik gesprochen habe, wies er immer darauf hin, dass die Häufigkeit dieser Vorkommnisse sehr gering ist. Bei uns in den Medien wird natürlich gerade über solch schreckliche Ereignisse berichtet. Das ansonsten weitgehend ungestörte Zusammenleben kommt in der Berichterstattung hingegen kaum vor. Während ich das alles zur damaligen Zeit nicht so gut verstehen konnte, habe ich jetzt, aufgrund der Entwicklung, die wir in Europa und weltweit haben, Verständnis. In Israel hat man sich mit der Situation arrangiert. Die Leute wissen, dass es keine absolute Sicherheit gibt und leben mit der Gefährdungslage. Wenn etwas passiert, geht das Leben in Israel so schnell wie möglich weiter. Das mag seltsam klingen, ist aber wohl eine Art Überlebensstrategie.

Das Gespräch führte Hartmut Hessel.