Vierbeiner mit "Migrationshintergrund" erobern fränkische Wiesen: Alpakas. Die aus Südamerika stammenden höckerlosen Mini-Kamele lösen bei Gisela Herbst in Niedermirsberg die Schafe ab.
Schaf ist "out", Alpaka ist "in". Keine Sorge, Gisela Herbst will keineswegs die Osterbräuche ändern. Aber der Wechsel von der einen Tierart zur andern bestimmt ihr derzeitiges Tun in mehrfacher Weise. Alpakas - eine aus den Anden stammende Kamelform - halten auf dem Aussiedlerhof vor Niedermirsberg das Gras niedrig. "Wir setzen die Tiere genauso wie Schafe ein", erläutert sie.
14 Tiere nennt sie ihr eigen. Begonnen hat die Haltung am Fuße des Feuersteins vor etwa drei Jahren. Da holte sie aus dem Bayerischen Wald die Alpaka-Stute Stella. Ihr folgt inzwischen längst ihr Sohn Steve. "Die Nachkommen erhalten immer einen Namen mit dem gleichen Anfangsbuchstaben wie die Mutter. Die anderen Zuchttiere, vor allem der Deckhengst Charlie, stammen aus österreichischer Zucht. Alle Farben sind vertreten. Vom tiefschwarzen Bernie bis zum blonden Hannibal. In der Früh, so gegen acht Uhr, ist für Herbst die erste Stallrunde.
Die Alpakas rupfen sich ihre Unterlege Heu und Stroh selber aus den Ballen, aber gereinigt muss der halbüberdachte Laufstall von Hand. Abends noch einmal. Gisela Herbst will möglichst sauberes Fell. Denn ihre Alpakas sind für sie auch die Materialquelle für selbst gesponnene Wolle.
Spinnen will gelernt sein
"Spinnen wollte ich immer schon lernen", erzählt sie. Sie hat erst in der Nähe, dann in ganz Oberfranken herumgefragt, aber keinen Kurs oder Lehrer gefunden. Die VHS Sonneberg bot so etwas an, und Herbst fuhr dann vor vier Jahren mit ihren Töchtern und einer Freundin ins Thüringische. Jede Woche waren es vier Stunden, und dann hieß es üben, üben, üben. Das Material war vom Schaf. "Mit Schafwolle lässt sich das Spinnen leichter lernen."
Inzwischen ist sie Selbstversorgerin. Vier Kilo Vlies wird - meist im Mai - von einem Alpaka geschoren.
Hals- und Rückenwolle ist die erste Qualität: Das Fell von Bauch und Beinen wird eher zum Filzen verwendet oder als Füllung für Betten.
Danach wird das Vlies in Regenwasser gewaschen, weil in der Fränkischen Schweiz das Leitungswasser zu kalkig ist.
Im Gegensatz zur Schafwolle enthält das Haarkleid der Alpakas kein Fett. Deswegen kann ein Vlies auch elektrisch kardiert werden. Spitze Stachel - wie die der namengebenden Karde - lockern das Vlies auf, so dass sich einzelne Haarbüschel herausziehen lassen. Kardierband heißt das Zwischenprodukt. Davon nimmt Herbst einen Strang ab und zieht ihn vorsichtig in die Länge. Derweilen setzt sie mit zwei Fußpedalen die Spindel ihres Spinnrads in Bewegung.
Durch die Drehbewegung läuft der entstehende Faden auf sie auf, während Herbst mit geübtem Griff immer lose Haare "nachschiebt".
"Ich habe jeden Tag zwei Stunden geübt, bis ich das Gleichmaß herausgefunden hatte", sagt sie, während ihrer Finger unermüdlich weiterzupfen und Material nachschicken. Je dünner sie zieht, desto feiner wird die Wolle. Und auch, je schneller sie tritt. Der nächste Arbeitsgang ist das Verzwirnen, wenn Gisela Herbst ein naturfarbenes Garn produzieren möchte. Sie steckt zwei volle Spulen an die Seite ihres Spinnrads, über eine Linksdrehbewegung laufen die beiden Fäden zusammen. Das Endprodukt hat dann die gewohnte gedrehte Wollstruktur.
Manchmal mischt Herbst auch einen naturbelassenen Faden mit einem gefärbten. Sie hat dazu Anilinfarben verwendet, ist aber über das Ergebnis nicht ganz glücklich, denn der Farbstoff ist indem feinen Alpakahaar zu spüren.
Deswegen will sie auf Rezepturen mit Farben aus Pilzen und Pflanzen zurückgreifen. Diese Prozedur ist aber aufwändiger, weil oft mehrerer Färbegänge nötig sind, um einen intensiven Farbton zu erhalten.
100 Gramm Wolle dreht sie dann zu einem Strang und legt ihn in ihr Warenregal. "Die meisten Kunden kaufen bei mir Wolle", sagt sie, auch wenn sie und ihre Freundin auch Strickwaren herstellen. Bislang verkauft sie ihre Waren auf Märkten, will sich aber demnächst eine Art Hofladen einrichten. Dann können die Kunden auch gleich die Wolllieferanten in Augenschein nehmen. Sie sind ganz freundlich und friedlich. "Das Scheren tut ihnen nicht weh; sie sind eher froh, wenn sie das dicke Fell im Sommer nicht haben", erklärt sie, damit niemand zu Unrecht besorgt ist.