Mangel an Spielstätten und Existenzängste angesichts der Pandemie: Kann Lorenz Deutsch die Forchheimer Künstlerszene retten?
Noch sitzt Lorenz Deutsch allein in seinem neuen Büro in der Stadtverwaltung. Aber auf seinem Schreibtisch wartet bereits "eine riesige Liste", die er abarbeiten muss. Der 34-Jährige hat zum Jahresbeginn die Leitung des neu geschaffenen Kulturamts übernommen. Der Fränkische Tag hat den Hoffnungsträger des Forchheimer Kulturlebens zum Exklusivinterview getroffen.
Sind Sie der Retter der Forchheimer Kulturpolitik?
Lorenz Deutsch: Als Retter aufzutreten, wäre wohl vermessen. Vor allem macht ein Amt alleine noch keine lebendige kulturelle Szene. Wir haben in Forchheim das Glück, dass wir eine starke, hauptsächlich ehrenamtlich getragene Kulturlandschaft haben, die vielfältige kulturelle Angebote hervorbringt.Das neue Kulturamt ist nun eine direkte Folge des Kulturentwicklungsplanes, der bei vielen Akteuren Euphorie ausgelöst hat. Jetzt freue ich mich, als Kulturamtsleiter genau diesen Prozess weiterführen zu dürfen. Was meine Person angeht: Ich komme aus der Kulturszene und kenne ihre Bedürfnisse ganz gut. Dass es jetzt ein Amt für Kultur gibt, das mit bestehenden Kulturinstitutionen im Referat für Kultur und Gesellschaft gebündelt ist, ist eine absolute Verbesserung und ist auch nötig für die anstehenden großen Aufgaben. Ein Kulturamt kann anders agieren als Initiativen der freien Kulturarbeit. Zum Beispiel in der Raumfrage: Hier können und sollen Impulse aus der freien Szene kommen, aber bei der Umsetzung ist die Stadt gefragt. Gleichzeitig sind verschiedene Ämter beteiligt und es ist ein politischer Prozess. Alles unter einen Hut zu bringen, ist letztendlich eine Querschnittsaufgabe, die sicher einige Zeit in Anspruch nimmt und deswegen sofort angegangen werden muss. Denn der Raummangel ist nicht von der Hand zu weisen.
Eine fehlende Spielstätte in der Stadt ist das drängende Thema. Wie wollen Sie das lösen? Was sind ihre Ziele?
Dieses Thema ist sehr komplex, da viele Dinge derzeit im Fluss sind, die Auswirkungen auf die "richtige" Lösung haben. Zum Beispiel ist die Frage, wann und wie das Kolpinghaus saniert werden kann. Ob also eine Zwischennutzung Sinn macht oder gleich die Generalsanierung ansteht. Damit einher geht auch die Frage, welchen Zeitraum es zu überbrücken gilt. Wann ist ein Kulturzelt die richtige Wahl? Oder lassen sich andere, vielleicht schon bestehende Räume umwidmen? In meiner ersten Woche im neuen Amt kann ich das noch nicht beantworten, ich glaube aber, dass auf jeden Fall noch in diesem Jahr eine Lösung gefunden werden muss. Sobald das Infektionsgeschehen zurückgeht und Veranstaltungen wieder möglich sind, müssen wir hier etwas in der Stadt anbieten können, das ist für die Kulturschaffenden teilweise überlebensnotwendig. Eine Interimslösung wäre mein Ziel, weil wir schnell spielbereit sein wollen.
Stichwort Corona: Wie kann und sollte die Stadt die Kulturschaffenden unterstützen?
Durch die Corona-Pandemie haben wir eine zusätzliche Herausforderung, die alles durcheinanderwirft. Dementsprechend wird auch die Corona-Bewältigung ein großer Anteil meiner Arbeit sein. Es gilt jetzt, mit den Kulturvertretern ins Gespräch zu kommen, um alle Weichenstellungen so zu treffen, dass sobald wieder etwas möglich ist, auch sofort wieder losgelegt werden kann und wir nicht vor einem Scherbenhaufen stehen. Da spielt natürlich auch wieder die Frage nach einer möglichen Interimsspielstätte, die geschaffen werden muss, eine Rolle.
Wie steht es um Forchheims Kulturszene?
Besonders präsent in der Kulturdebatte ist die vereinsbezogene Kulturarbeit insbesondere bei den aufführenden Künsten. Die bildenden Künstler zum Beispiel sind da weniger präsent, dabei gibt es auch für sie in Forchheim einen eklatanten Mangel an Ausstellungsmöglichkeiten. Das kommt zum Beispiel auch in der Raumdebatte oft zu kurz. Außerdem gibt es noch Initiativen, die völlig unter dem Radar fliegen, weil sie sich nicht verfasst haben und sich mitunter selbst vielleicht gar nicht als "der Kultur" zugehörig fühlen. Ich denke da zum Beispiel an die Organisatoren der Elektroparty "Tante Emma Club" oder Teile der Kultur- und Kreativwirtschaft, die mit dem Veranstalten von Kultur nichts zu tun haben. Im Kulturentwicklungsplan war es ein Ziel, alle mitzunehmen und nicht nur diejenigen, die man ohnehin auf dem Schirm hat. Das soll natürlich auch in Zukunft gelten. Zu sagen, wir haben in Forchheim alles, würde ein zu rosiges Bild zeichnen. Einige Sparten, zum Beispiel die Literatur dürften stärker bespielt werden. Die zentrale Raumproblematik betrifft aber den Großteil der kulturellen Szene vor Ort.
Angebote abseits der Vereine und Institutionen? Braucht Forchheim eine alternative Kulturszene - gerade für Jugendliche?
Das ist ein spannendes Feld. Manchmal kommen die Initiativen ja wie im Fall der Elektropartys direkt von den Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen selbst. Die geben sich dann in der Regel keinen institutionellen Rahmen und gründen zum Beispiel einen Verein. Darum ist es wichtig, ein Ohr an den jungen Leuten zu haben, damit man diesen Initiativen Anknüpfungspunkte und eine Perspektive vor Ort gibt. In ihrer jeweiligen Szene sind sie in der Regel bereits bestens über das Internet vernetzt und haben darüber ein Einzugsgebiet, von dem manche etablierte Kulturträger nur träumen können. Auch rund um den Büssing-Bus gibt es immer wieder Konzerte und Veranstaltungen, die man vielleicht als alternative Kulturangebote beschreiben kann.
Welche Visionen haben Sie für die Zukunft der Kulturstadt Forchheim?
Eigene Ideen habe ich genug, bis es aber darum gehen kann, diese zu verwirklichen, müssen erst einmal einige Aufgaben erledigt werden, die schon viel zu lange auf sich warten lassen und räumliche Voraussetzungen geschaffen werden. Zunächst muss auch das Kulturamt erst einmal handlungsfähig werden. Momentan bin ich noch alleine, insgesamt sind 4,5 Stellen vorgesehen. Dann wird es sicher auch aus dem Kulturamt heraus Impulse geben. Aber ich plane aktuell nicht die nächste Veranstaltung oder das nächste Festival. Was man nicht oft genug betonen kann: Die Kulturarbeit ist ein unglaublich weites Feld. Zwar gibt es etliche Leute, die von sich selbst sagen, dass sie sich nicht für Kultur interessieren. Meine Erfahrung zeigt, dass es für die allermeisten Menschen mindestens eine kulturelle Spielart gibt, die sie absolut begeistert. Für die einen sind es klassische Konzerte, für andere Elektropartys. Es gibt Leute, die gehen ins Theater oder erfreuen sich an Street-Art. Welche, die beim Kneipenfetzt abfeiern und Menschen, die sich im Museum zu Hause fühlen. Ob sie ihre Passion als Kultur bezeichnen, steht auf einem anderen Blatt. Aber dass es auch in der Heimatstadt Gelegenheiten gibt diese kulturellen Spielarten zu erleben, dafür möchte ich arbeiten.
Kommentar: Eine kluge Wahl, die Hoffnung schürt
von FT-Reporter Ronald Heck
Entschlossen, aber demütig tritt der neue Kulturamtsleiter auf das schwierige Parkett, das sich Forchheims städtische Kulturarbeit nennt. In der Vergangenheit zeichnete sich die Stadt vor allem durch Fehleinschätzung (Übernahme des einsturzgefährdeten Kolpinghauses) und Fehlbesetzung (eine wirkungslose und gescheiterte Kulturbeauftragte) aus. Die kluge Entscheidung für ein Kulturamt sowie die kluge Wahl, den Chefposten mit Szenekenner Lorenz Deutsch zu besetzen, schürt die Hoffnung: Die Klage der Kulturschaffenden könnte erhört und das himmelschreiende Problem Raumnot angepackt werden. Da der Kultur in der Stadtverwaltung personell sowie finanziell mehr Raum eingeräumt wird, sollte aber klar sein: Spätestens nach der Corona-Pause gelten keine Ausreden mehr.