Kein Annafest 2020 - wir stellen die Gesichter des Forchheimer Traditions-Events vor und erzählen, was sie bewegt. Sie gelten als Annafest-Urgesteine: die Familie Melchior mit ihrem Süßigkeitenwagen. Und die Damen haben noch einiges vor.
Es gibt sie noch, diese Schausteller, die man als Urgesteine ihrer Zunft bezeichnet. Die man bereits seit der eigenen Kindheit, oder anders gesagt, seit gefühlten Ewigkeiten kennt. Jedes Jahr aufs Neue stehen sie mit ihren Buden immer wieder auf dem selben Standplatz der regionalen Volksfeste.
Sie sind stets auf Achse, das Reisen wird ihnen in die Wiege gelegt. Ein faszinierendes Leben, das auch heute noch seinen Glanz bewahrt hat. Wenn nicht die Pandemie die Schausteller in eine ihrer größten Krisen gestürzt hätte, die auch die Unikate des Forchheimer Kellerwaldes nicht verschont.
Name Melchior gehört zum Annafest
Seit beschriebenen Ewigkeiten gehört der Name Melchior zum Annafest, wie das Festbier in den Steinkrug. Die Süßwarenbude Melchior steht seit Jahrzehnten gegenüber dem Riesenrad und ist von dort nicht mehr wegzudenken. Wenn es nach dem Wunsch von Eveline Melchior und ihrer Schwester Karin Jonas ginge könnte dies auch in tatsächlich alle Ewigkeit so weiter gehen.
Eveline Melchior (71), die von Freunden und Stammkunden meist nur "Evi" gerufen wird, führt das Schaustellergeschäft unter Mithilfe ihrer Schwester Karin Jonas (73) seit 2014 alleine weiter, nachdem ihr Mann Heinz nach längerer Krankheit damals im Herbst verstarb: "Ja, meinen Heinz hat ein jeder gekannt, hatte immer einen lockeren Spruch drauf. Noch heute fragen die Leute nach ihm, egal ob am Annafest oder der Michaelis-Kirchweih in Fürth. Er war bei Kunden und Kollegen gleichermaßen beliebt, das macht mich schon ein wenig stolz."
Heinz Melchior kam 1945 im Wohnwagen seiner Eltern auf der Bamberger Gartenstadt-Kerwa zur Welt. Als das Annafest im Folgejahr nach dem Ende des Krieges erstmals wieder in den Zeitungsarchiven auftaucht, war der kleine Heinz bereits dabei und feierte jährlich am 1. August seinen Geburtstag im Kellerwald. Selbst als er bereits über Schläuche von einer Sauerstoffflasche versorgt wurde, stand er weiter in der Bude - zusammengerechnet 68 Jahre lang. Bis ihn die Kraft verließ.
In Erinnerung schwelgend werden Evi und Karin etwas wehmütig. Nicht nur die überstandene Trauerphase beschäftigt sie, denn in diesem Jahr ist alles anders. Die Pandemie hat vor allem Schausteller hart getroffen, viele Märkte wurden abgesagt. Aber sie lässt auch ein Luftholen im sonst besonders stressigen Sommer zu, wenngleich ungewollt: "Es ist für uns beide ungewohnt, so lange daheim untätig herumzusitzen und wir hoffen, dass das Ende der Pandemie bald kommt. Die ausbleibenden Einnahmen sind dabei nicht einmal der Hauptgrund. Klar, das Geld verdienen gehört ja schließlich auch dazu, aber man hat sich ja über die Jahre ein kleines Polster zurück gelegt. Uns fehlt schlicht unser Schausteller-Dasein, es hilft uns sprichwörtlich am Leben zu bleiben."
Derzeit halten sie sich beide zumindest tageweise am Schweizer Keller in Reuth über Wasser und vertreiben dort am Bierkellerstollen Lebkuchenherzen und Süßigkeiten: "Die Chefin Sabrina Wittnebel haben wir am Annafest kennengelernt. Sie sagte, kommt zu uns, bevor euer Zeug kaputt geht. Jeweils am Freitag stehen wir dort und haben uns ein Stück Leben zurückgeholt."