An Weihnachten wurde Jesus geboren, und zwar in einem Stall inmitten von Tieren - das weiß doch jeder. Aber stimmt es auch? Theologen geben Antworten.
"Es begab sich aber zu der Zeit..." Ein paar Worte genügen, und viele wissen schnell, was gemeint ist: die Weihnachtsgeschichte. Erzählt wird vom Kind und der Krippe, vom kleinen Glück und der großen Verheißung. Aber wie steht es um den Faktenkern der Erzählung, um die sich seit 2000 Jahren alles dreht? Theologen geben Antwort.
"Der Geburtstag 25. Dezember steht nicht im Neuen Testament", stellt Michael Hölscher, Professor für die Erforschung des Neuen Testaments an der Ruhr-Universität Bochum, klar. In diesem gibt es vier Evangelien, die das Leben von Jesus recht unterschiedlich beschreiben. Das älteste Evangelium, das Markus-Evangelium, spart die Kindheit komplett aus, erst die späteren Evangelien von Matthäus und Lukas berichten davon.
Jeder kennt die Weihnachtsgeschichte - aber was daran ist wahr?
"Das Interesse für den Anfang der Lebensgeschichte Jesu hat sich also erst allmählich entwickelt", so Hölscher. Erst nachdem das Christentum im spätrömischen Reich zur Staatsreligion geworden war, begann man allmählich, den 25. Dezember als den Geburtstag von Jesus zu feiern. Rund um diesen Tag war bei den Römern schon ein Fest etabliert, nämlich das der "unbesiegten Sonne".
Wurde Jesus in Bethlehem geboren?
Nein, sondern in Nazareth, sind fast alle Experten überzeugt. Die Autoren des Lukas- und Matthäus-Evangeliums verlegten den Geburtsort vermutlich deshalb nach Bethlehem, weil dort schon der große König David geboren worden war. "Um Jesus als rechtmäßigen Messias - als Retter des Volkes Israel auszuweisen - musste er auch dort geboren worden sein", erklärt der Aachener Theologieprofessor Simone Paganini, der gemeinsam mit seiner Frau Claudia das Buch "Von wegen Heilige Nacht - Der große Faktencheck zur Weihnachtsgeschichte"* geschrieben hat.
Das Lukas-Evangelium ließ sich dann auch eine plausible Begründung dafür einfallen, warum Maria und Josef nach Bethlehem gezogen sein könnten: Demnach mussten sie sich dort zu einer Steuerschätzung melden.
Wurde Jesus in einem Stall geboren?
Die Sache mit dem Stall geht auf einen einzigen Satz im Lukas-Evangelium zurück: "Und sie gebar ihren ersten Sohn und sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge." Aus der Krippe folgerte man möglicherweise, dass diese in einem Stall gestanden haben müsse. Doch das ist laut Paganini ein Missverständnis: Die damaligen Häuser hätten typischerweise aus einem großen Wohnraum und einem kleinen angrenzenden Gästezimmer bestanden. Im Wohnraum lebten die Menschen mit Tieren wie Schafen zusammen - und dementsprechend gab es dort auch eine Futterkrippe. "Die war meistens in die Wand eingebaut, also ein denkbar sicherer Ort, um dort ein neugeborenes Baby abzulegen."
Hölscher sieht die Geburt im Stall als sehr bewusst gewähltes Motiv: "Für Lukas ist wichtig, dass dieser Retter, dessen Geburt er beschreibt, in einfachen Verhältnissen geboren wird. Dazu gehören die Krippe und auch die Hirten-Szenerie." Das Lukas-Evangelium beschreibe Jesus als Anti-Herrscher, der dem römischen Kaiser Augustus - dem mächtigsten Mann der damaligen Welt - entgegengesetzt werde.