Nach Kriegsflucht folgt Wohnungskampf

3 Min
Sie sind froh eine Wohnung für sich und die Kinder gefunden zu haben: Mazen S. und seine Frau Mariam. Foto. Andreas Oswald
Sie sind froh eine Wohnung für sich und die Kinder gefunden zu haben: Mazen S. und seine Frau Mariam.  Foto. Andreas Oswald

In dem Moment, in dem ein Asylsuchender als Flüchtling anerkannt ist, muss er aus der Sammelunterkunft ausziehen und sich selber ein Dach über dem Kopf suchen. Doch es gibt zu wenig Sozialwohnungen in Forchheim.

Als Mazen S. die Bombardierungen in Damaskus nicht mehr aushielt, flüchtete der 37-Jährige mit seiner Frau Mariam und seinen vier Kindern aus Syrien. Auf dem gefährlichen Seeweg übers Mittelmeer gelangten sie mit vielen Umwegen genau vor einem Jahr ins Erstaufnahmelager nach Zirndorf und von dort in die Asylbewerberunterkunft "Sonnenhaus" im Forchheimer Stadtteil Buckenhofen. Anfang dieses Jahres erhielt die Familie die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaften - verlor damit allerdings auch die Berechtigung, weiterhin in der Sammelunterkunft leben zu können.

Lange Warteliste

Drei Monate dauerte es, bis die Syrer eine Wohnung im Forchheimer Norden fanden. Sie haben Glück gehabt, auf dem hart umkämpften Mietwohnungsmarkt ein passendes Dach über dem Kopf zu erhalten. Denn in Forchheim stehen derzeit schätzungsweise 40 bis 50 wohnberechtigte Flüchtlinge in einer Schlange von rund 500 Wohnungssuchenden - so lange nämlich ist die Bewerberliste im Haus der Wohnungswirtschaft. Hier wird der Bestand der Wohnungsbau- und Verwaltunggenossenschaft, (WVG) , der städtischen Sanierungsgesellschaft (GWS) und der kirchlichen St.Josephs-Stiftung verwaltet.

Zunehmende Konkurrenz

WVG-Geschäftsleiter Wolfgang Bonengel gibt zu, dass der soziale Wohnungsbau in Forchheim jahrelang im "Dornröschenschlaf" gelegen habe. Dass jetzt durch die Zuwanderung mit einem Schlag eine Wohnungsnot entstehe, dies habe man so nicht vorausgesehen. Bonengel macht keinen Hehl daraus, dass es zu einer verschärften Konkurrenzsituation zwischen den wohnungsberechtigten Flüchtlingen und den übrigen Wohnungssuchenden komme. Derzeit betrage der Flüchtlingsanteil auf der Bewerberliste nicht ganz zehn Prozent.
"Wir als Vertreter der Wohnungswirtschaft gehen davon aus", so erklärt Bonengel auch im Namen von GWS-Geschäftsführer Alexander Dworschak, " dass sich die Zahlen deutlich erhöhen werden. Kurzfristig wird der Zustrom nach Deutschland nicht abnehmen und somit zu einer weiteren Verschärfung der Situation am Wohnungsmarkt führen". Wo man helfen könne, tue man dies - "aber wir können nicht alle unterbringen", bedauert Wolfgang Bonengel und stellt klar: " Wir können die anderen Wohnungsuchenden nicht außen vor halten - aus Gleichbehandlungsgründen!" Es sei "dramatisch", aber auf die Schnelle helfen könne man nicht.

Es mangelt an Sozialwohnungen

Ähnlich sieht auch der Vorstandssprecher der Joseph-Stiftung, Dr. Wolfgang Pfeuffer, die Lage. Insgesamt bestehe in Forchheim Bedarf an Sozialwohnungen. Die kirchliche Stiftung hat in Forchheim 222 Wohnungen, davon befinden sich 19 in der Gerhart-Hauptmann-Straße 11 a im Projekt "In der Heimat wohnen". Es handelt sich dabei allerdings nicht mehr um Sozialwohnungen - der gesamte Bestand ist jetzt frei finanziert. "Wir haben in Forchheim keinen Leerstand", betont der Vorstandssprecher der Josephs-Stiftung. Nur bei einem Auszug bestehe die Möglichkeit eines Wohnungswechsels. Wie Andrea Walther von der Kundenbetreuung berichtet, habe man eine Familie aus Aserbaidschan unterbringen können. "Es wird niemand abgelehnt, aber darauf geachtet, wer zu wem passt".

Notlösung des Landratsamtes

Das Landratsamt Forchheim behilft sich derzeit mit einer Notlösung: "Weil es für wohnberechtigte Flüchtlinge nicht so einfach ist, ein Quartier zu finden, hat der Freistaat entschieden, dass diese Menschen länger in den Sammelunterkünften wohnen dürfen", erklärt Frithjof Dier, der bei der Kreisbehörde für soziale Angelegenheiten zuständig ist.
"Die andere Konsequenz wäre, dass wir die Leute rausschmeißen müssen und sie wären obdachlos _ was doch nicht sein kann", gibt Dier zu bedenken. Deshalb schließt das Landratsamt mit den anerkannten Flüchtlingen Untermietverträge ab - die Kosten für die Miete übernehme das Job-Center im Rahmen der Unterstützung nach Hartz 4. Wenn die Sozialhilfe nicht ausreiche, um die Mietkosten zu decken, zahle der Freistaat den Differenzbetrag.
Auf die Nachfrage unserer Zeitung, ob sich da nicht die übrigen Hartz-Bezieher , die keinen solchen Ausgleich bezahlt bekommen, benachteiligt fühlen, gibt Dier zu: "Ich verkenne das nicht" - aber die Flüchtlinge hätten es ja auch schwerer erst einmal unsere Sprache zu lernen und hier Fuß zu fassen. Die Anerkennungsquote bei Asylsuchenden beträgt zirka 35 Prozent. Beim derzeitigen Stand von 759 Flüchtlingen im Landkreis bedeutet dies rein rechnerisch, dass davon 265 eine Wohnberechtigung erhalten. Die Bedingungen für sie seien genauso, wie für andere Hartz-4 Berechtigte auch, erklärt Roland Dauer vom Job-Center Forchheim. Ein Alleinstehender bekommt demnach einen Regelsatz von 399 Euro pro Monat, zuzüglich einer angemessenen Miete (rund 339 Euro Obergrenze) plus Heizkosten (ca. 100 Euro). Auch Dauer gibt zu, dass es an preisgünstigem Wohnraum fehle.
Wenn die Flüchtlinge ihre Anerkennung erhalten und die Aufforderung bekommen die Sammelunterkunft zu verlassen, finden sie bei Beate Zepf vom Asyl-Sozialdienst und der Migrationsberatung der Caritas Hilfe bei der Wohnungssuche. "Für Alleinstehende ist es schwierig auf dem Wohnungsmarkt", gibt sie zu. Familien kämen , wenn sie Glück haben, unter. Manche wollten auch nach Norddeutschland umsiedeln, weil dort der Wohnungsmarkt besser sei. Aber die Arbeitschancen seien schlechter, gibt Beate Zepf zu bedenken.
Mazen S. will mit seiner Familie in Forchheim bleiben. Er schätzt die Überschaubarkeit der Stadt und ist dankbar für die Hilfsbereitschaft der Bürger. Seine Kinder gehen in die Schule, mit Erfolg: sie können bereits nächstes Jahr die Regelklasse besuchen. Auch er zeigt viel Ehrgeiz, kann sich nach nur einem Jahr in Deutschland schon erstaunlich gut verständigen. Damit's auch mit dem Lesen und Schreiben klappt, will er nun einen Alphabetisierungskurs besuche. Zuhause in Syrien hatte er ein Restaurant - das wäre sein Traum auch in Deutschland. Zuhause - bei diesem Wort jedoch überfällt ihn ein Gefühl, für das er das deutsche Wort noch nicht kennt: Heimweh!