Aufklärung über Drogen und deren Abhängigkeit stand im Mittelpunkt eines Vortrags im Forchheim.
Der Laden, der in Forchheim Kräutermischungen verkauft, machte hellhörig. Zumindest Siegfried Adami aus Kirchehrenbach. Er ist Gemeinderat der SPD und Polizist in Erlangen. "Ich möchte zur Aufklärung über Drogen und Abhängigkeit beitragen", nannte er als Motiv, weshalb er seinen Kollegen, Ersten Kriminalhauptkommissar Günter Hofer, zu einem Vortrag und Diskussion eingeladen hat. Auch drei Mädchen aus der örtlichen Mittelschule hörten interessiert zu.
"Das Thema geht rum in den Nachrichten; wir sprachen auch in der Schule darüber", sagte die 15-jährige Laura. Die 14-jährige Sonja kam auf Empfehlung ihrer Mutter. Die zwei und ihre Schulkollegen Svenja sind sicher nicht der Personenkreis, um den sich manche anwesende Erwachsenen (samt Hofer) Sorgen machen. Der Leiter des Erlanger Drogenkommissariats hat Familienkonstellationen im Blick, in denen das vertrauensvolle Verhältnis gestört ist.
Darum nahmen auch Hinweise aus dem Verhalten von Jugendlichen, die auf den Konsum von Kräutermischungen schließen lassen, breiten Raum ein. Unkonzentiertheit, schnell radikal sinkende schulische Leistungen, Aggressivität und nicht zuletzt auffallender Geldbedarf, kostet doch ein Gramm "Kräuter" im Internet 20 bis 30 Euro. Eine irrsinnig hohe Gewinnspanne steckt dahinter, denn die Grundsubstanzen sind billig.
Den Headshop in Forchheim empfindet Hofer nahezu als Fossil. "90 Prozent des Handels laufen inzwischen über das Internet." Die Seiten sind offen zu finden, was vor allem die Jugendlichen verblüffte. "Es ist schon dreist, dass da sogar eine E-Mail-Adresse draufsteht", wunderte sich Ratsmitglied Laurenz Kuhmann, als Hofer ein sorgfältig geleertes echtes Kräuter-Tütchen herumgehen ließ mit der Aufschrift "Jamaican". Allein unter diesem Namen sind schon an die 100 verschiedene psychoaktive Substanzen verpackt worden.
Neue Substanzen
Hier, bei der einfachen Bezugsquelle, beginnt schon die Crux mit den "neuen psychoaktiven Substanzen" (npS), wie Kräutermischungen von der Wirkweise her benannt werden: Es gibt kein europaweit einheitliches Arznei- und Betäubungsmittelrecht. Und die Grundsubstanzen, die auf die namengebenden Kräuter aufgesprüht werden, sind inzwischen kaum mehr synthetische Cannaboide, also dem Marihuana und Haschisch verwandte Substanzen, sondern gehören zur Gruppe der Amphetamine. "Ihre Wirkung ist 1000mal stärker als Cannabis", so Hofer. 2010 waren 34 Stoffe bekannt - und alsbald verboten - , die beigemischt wurden. "Heute sind es ein paar Hundert und deren Wirkung wird immer stärker." Viele waren ursprünglich als Medikamente entwickelt worden. In chemischen Abwandlungen vertreiben sie vor allem Anbieter aus Asien.
Was Hofer am meisten Sorge macht, ist die Ungewissheit, welcher Wirkstoff und vor allem in welcher Konzentration aufgesprüht wurde. Einen garagengroßen Raum, eine Baumischmaschine und einen Internetzugang, mehr brauche man nicht um die heimtückischen Drogen zu fabrizieren. Der Vorgang lasse sich sogar als Filmchen bei Youtube ansehen. Die psychoaktive Substanz werde mit Azeton verflüssigt und beim Mischen aufgeprüht. Getrocknet wird das "Kraut" dann manuell in Tütchen verpackt. Ohne Qualitätskontrolle natürlich.
Und ab die Post. Der Zoll kann bei den täglich Millionen Sendungen aus dem Ausland nur Stichproben machen. Unauffällig lässt man sich sein "Kräuterpäckchen" dann per Post-Packstation zusenden und bleibt als Empfänger weitestgehend anonym.
"Der Konsument weiß nie, was er drin hat", ist Hofers erschreckende Einschätzung.
Es sind schon Todesfälle nach einmaligen Konsum vorgekommen. Er befürchtet eine hohe Dunkelziffer: "Kreislaufversagen kann 1000 Ursachen haben, und körperliche Symptome wie beim Langzeitkonsumenten gibt es nicht." Dafür weiß er von Sanitätereinsätzen: Während sie sich um einen Bewusstlosen bemühten, sprang ein zuvor ruhig Dasitzender plötzlich hoch und ging extrem aggressiv auf sie los. Das sei ein auffälliges Zeichen, wenn der Entzug einsetze, wissen er und andere Betroffene.
"Völlig unkontrollierbar, bei einer Marihuana-Zigarette wusstest du, wie's wirkt". Das und der Irrglaube der Legalität machen ihn am meisten Sorgen. Denn legal sind die Mischungen nur, bis sie auf den Index des Betäubungsmittelgesetzes gesetzt werden dürfen. Bislang musste das für jeden auch nur leicht variierten chemischen Stoff einzeln geschehen, woraus die zeitliche Lücke resultiert.
Hofer hofft auf eine Änderung der Rechtslage, wonach dann ganze Substanzgruppen verboten werden können.
Sprach hier ein harter Kriminaler? Nein, Hofer setzte sein Auditorium in Erstaunen, als er eine kontrollierte Freigabe von Cannabis für bestimmte Schmerzpatienten befürwortete. Ebenso sieht er Langzeitheroinkonsumenten nur als Menschen an, die Hilfe brauchen.