Bäcker Burkard bringt Brot mit Drohnen, Hochhäuser am Hörrlein-Areal: In Adelsdorf macht ein selbsternannter "Gemeindeschreiber" von sich reden.
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Adelsdorf macht eine Seite im Internet von sich reden, die sich selbst "Adelsdorfer Gemeindeschreiber" nennt. Das klingt offiziell. Nach Amtsblatt, nach Lokaljournalismus. Auf den ersten Blick, vor allem auf dem Schnell-Medium Facebook. Schon beim zweiten Blick wird jedoch klar, dass das, was hier veröffentlicht wird, nicht ganz stimmen kann.
Ein "Gurkenglas"-Hochhaus auf dem Hörrlein-Gelände? Pyramiden am Reuthsee? Spätestens wenn man liest, dass angeblich Donald Trump per Twitter den Adelsdorfer Bürgermeister Karsten Fischkal lobt, dieser mache "Adelsdorf great again", weiß man: Aha, lustig. Ein "Postillon" im Kleinen quasi. "Der Postillon" ist eine angesagte und oft schwarzhumorige Satire-Webseite mit Blick auf bundesweite Ereignisse, betrieben von einem Autor aus Fürth.
Denkerkappe und zerzauste Feder
Auch auf
Facebook ist der "Adelsdorfer Gemeindeschreiber" unterwegs. Das Profilbild stammt vom Schweizer Biedermeier-Maler Albert Anker. Konzentriert starrt der Schreiberling aufs Manuskript, auf dem Kopf die Denkerkappe, die zerzauste Schreibfeder im Mund.
Ein Impressum - gesetzlich vorgeschrieben - findet man erst seit Kurzem
auf der Seite des "Gemeindeschreibers". Auf Facebook wird im Kleingedruckten klar, wer hinter der Sache steckt.
Autor ist Martin Jungfer, manchen noch als Martin Utz bekannt. Will man den 38-Jährigen erreichen, muss man in der Schweiz anrufen. Seit einigen Jahren lebt er dort und arbeitet im Marketing für die Neue Zürcher Zeitung. Früher war er beim FT beschäftigt. "Es ist ein Experiment. Eine Art und Weise, mich für die alte Heimat zu engagieren", sagt Jungfer. Der satirische Blick eröffne ihm die Möglichkeit, "Themen aufzugreifen und auf die Agenda zu bringen." Nach eigenen Angaben erreicht er mehrere tausend Menschen mit seinen Beiträgen. 208 Facebook-Nutzer haben "Gefällt mir" geklickt.
Jungfers Engagement reicht von der These, die Geflügelzüchter Adelsdorfs würden eine neue Hühnerrasse gegen das Unkraut in den Ritzen der Gehwege einsetzen (Thema Kehrsatzung) bis hin zur Wahlwerbung des CSU-Vorsitzenden Matthias Goß als angeblicher neuer Bürgermeisterkandidat (Make Adelsdorf Goß again). Auch Bürgermeister Karsten Fischkal (FW) wurde schon mehrfach Ziel des Hobby-Satirikers.
Fischkal will dazu lieber nichts sagen, erfährt man auf Anfrage. Nur so viel: "Für die Bürger bin ich wie immer im Rathaus zu erreichen."
Ist es humorlos, oder nur konsequent, wenn man diese "Fake News" im Internet ignoriert? "Er ist ein Bürgermeister, der sich selbst gerne exponiert. Ist doch klar, dass er für mich als Satiriker eine geeignete Zielscheibe ist", sagt Jungfer. "Fake News" weist er von sich: "Ich möchte nicht, dass ein offensichtlich satirischer Beitrag mit Fake News in Verbindung gebracht wird."
Achtung Humor!
Er mache deutlich, dass es sich um Satire handelt. Auf der Webseite steht: "Also aufgepasst, auch wenn es ernst klingt - es ist (noch) nicht wahr." Das müsse man nicht noch bei jedem Artikel erwähnen. "Achtung Humor drunter zu schreiben, geht nicht."
Ganz so dürfte man das zum Beispiel bei der Bäckerei Burkard aus Pommersfelden nicht sehen. Denn auch über sie hat Jungfer einen süffisanten Text verfasst ("Bäckerei Burkard kommt jetzt doch - mit einem revolutionären Konzept") Er behauptet, Burkard liefere bald Brötchen mit Drohnen.
"Wir waren überrascht", sagt Robert Burkard diplomatisch, über das, was sich der Autor da "zusammengereimt" habe. Es habe durchaus Verunsicherung gegeben, was denn nun stimmt. Viele Leute hätten nachgefragt.
Die geplante Ansiedlung des Bäckers in Adelsdorf, darauf bezieht sich Jungfer, gehe zunächst die Mitarbeiter etwas an. Wenn es kommen sollte, informiere man erst die Mitarbeiter und dann die Presse, so Burkard. Das mit den Drohnen sei eigentlich gar keine so schlechte Idee.
Warum mischt sich da einer von Zürich aus in das Gemeindeleben seiner Heimat ein? Einmischen sei nicht das richtige Wort, so Jungfer. "Was bewegen zu wollen, steht mir nicht zu. Ich bin nur der Beobachter aus der Ferne." Er sehe "gewisse Dinge, die man anders machen könnte oder bei denen man sich fragt: Ist das der richtige Weg?"
Ambition zum Bürgermeister?
Jungfer - damals Utz - war von 2002 bis 2005 für die CSU im Gemeinderat. Vermisst da einer die alte Tätigkeit oder hat gar die Ambition vom "Gemeindeschreiber" zum Gemeindeoberhaupt zu werden? "Nein", sagt Jungfer und schiebt dann aber nach: "Zum jetzigen Zeitpunkt nein. Ausschließen sollte man nie etwas."
Zuletzt war Jungfer aktiver Teil der Gemeindepolitik, als er 2015 den Blog für die Bürgerinitiative zum Erhalt des Schulsportplatzes betrieb. Dort waren
Informationen aus nicht-öffentlicher Sitzung aufgetaucht, was die Rechtsaufsicht beschäftigte.
Die Merkmale der Satire führen regelmäßig dazu, dass wir nachdenklich werden oder lachen müssen – wenn sich ein Satiriker ihrer geschickt bedient. Es dürfte sich also lohnen, sie unter die Lupe zu nehmen. Satire ist eine Kunstform, die politisch-gesellschaftliche und allgemeinmenschliche Missstände und Unzulänglichkeiten verspottet und kritisiert. Satiriker lieben die Übertreibung, den grotesken, doch entlarvenden Vergleich und die Offenlegung von Widersprüchen in Lebensführung und Gesellschaft.
Satiriker sind ironisch, sarkastisch und manchmal pathetisch. Satire ist kritisch, will Bewusstsein schaffen und meist auch zu Veränderungen drängen. Satire möchte belehren und bessern – direkt oder indirekt. In jedem Fall lebt der Satiriker gefährlich und muss immer damit rechnen, dass er sanktioniert wird. Totalitarismen erlauben Satire höchstens, insofern sie dem Volk ein Ventil bietet, ihm ermöglicht, punktuell und ohne Risiko für das Regime Dampf abzulassen. Manche Regime missbrauchen politische Kabaretts und Ähnliches auch propagandistisch als angeblichen Beweis bestehender Kunst- und Meinungsfreiheit.
Demokratien sind für Satiriker sicher angenehmer, aber auch dort ecken sie regelmäßig an und sehen sich Klagen und anderen Repressalien ausgesetzt.
Quelle: Matthias Pleye, Berlin
-Sarkasnus-Ironie-Zynisnus.de-