"Das Gesetz der Schwerkraft" von Olivier Sylvestre, Siegerstück des 3. Autorenwettbewerbes, tanzt über die bleierne Schwerkraft der Geschlechterbindung.
Dom und Fred sind irgendwas dazwischen, nicht Männlein, nicht Weiblein, oder eben nicht nur. Die Welt verlangt aber, dass man sich eindeutig bekennt, alles andere verunsichert die schlichten Gemüter. Später schafft man das vielleicht, zu sagen, ihr könnt mich mal, ich zieh an, was ich will. Aber mit 14 Jahren, wo man gerade so in die Welt kommt?
Eigentlich gilt diese Situation für alle. Auch die eindeutig Orientierten müssen in Rollen und Bilder, Bestimmungen und Sicherheiten finden, von klein auf, in der Pubertät dann besonders herausgefordert. Und später im Leben gibt es doch auch immer wieder Erschütterungen. Das Thema Mannsein, Frausein hört nie auf. Die Gesellschaft kann den Lebensweg dabei erleichtern oder erschweren.
Das Siegerstück des 3. Cobburger Autorenwettbewerbes, veranstaltet vom Landestheater in der letzten Saison, ist ein wunderbares Theaterstückchen über eben diese schwierige Entwicklung des Individuums zu sich selbst. Der Kanadier Olivier Sylvestre war bei der deutschsprachigen Erstaufführung seines Stückes in der vollen Reithalle selbst anwesend. Er und sein (Jugend-) Stück "Das Gesetz der Schwerkraft" erhielten begeisterten, ausdauernden Beifall.
Eben kein dröges Sozialdrama
Die kurze Geschichte der Begegnung von Dom und Fred ist eben kein Sozial- oder gar Psychodrama zu Coming-out und Geschlechterbestimmung. Sie ist eine sehr humorvolle, spannende Szenenfolge über die Menschwerdung, hinreißend gespielt, authentisch, ohne vordergründige Jugend-Attitüde, aber in witziger Spiegelung heutigen Jugendverhaltens: Von Friederike Pasch als Mädchen, das kein Mädchen ist, aber auch kein Junge, und Valentin Kleinschmidt als der Junge, der nichts als "ein Junge" sein will, aber ein paar Sensorien zu viel hat für die schlichte Einordnung. Die beiden schauen sich an und wissen nicht weiter, lachen sich kaputt, tun verrückt, wie Jugendliche tun, nehmen sehr viel wahr. Und lassen sich nicht unterkriegen.
Die vielen verwirrenden Ebenen, auf denen sich Dom und Fred und Mensch überhaupt zurechtfinden müssen, werden durch eine sehr vielschichtige, faszinierende Inszenierung verdeutlicht. Die Produktion ist eine Kooperation des Landestheaters mit der Theaterakademie August Everding und der Hochschule Coburg. Und ein richtig geglückter Fall, ein Theatererlebnis für Jung und Alt.
Spannende Ästhetik
Die Regie-Studentin Camille Hafner hat als Kind einer Schweizer Zirkusfamilie wohl ohnehin einen offeneren Blick auf die Welt. Witzig, sensibel und einfallsreich lässt sie die beiden Jugendlichen sich begegnen, selbstverständlich auch musikalisch-atmosphärisch voll erfasst.
Diese Generation existiert ja nur noch in technischer Selbstreflektion. Also spielt eine kleine Handkamera hier die dritte Hauptrolle. Ständig wird gefilmt, oft in extremer Nähe, dann in Totale, und in Bildschirmgeräte übertragen, dazu aber auch in Großprojektion an die Rückwand der Reithalle.