Sie ist ein Kind dieser Stadt und steht international für die neue Medienkunst: Die Volkshochschule präsentierte Julia Stoschek. Sie sorgte für Staunen.
Vorsicht! "Zeitbasierte Medienkunst", schrille Videos, unverständlich und schräg gefilmte Aktionen, langatmige Wichtigtuereien per Kamera? Doch der große Kinosaal im Utopolis war ausverkauft. Keine Frage, man wollte vor allem sie sehen - Julia Stoschek, Tochter aus dem Hause Brose, Coburgerin, die sich mit ihrer in Düsseldorf und Berlin präsentierten Julia Stoschek Collection international einen Namen gemacht hat als Sammlerin und Förderin von neuer Medienkunst.
Fast möchte man sie schon Ikone nennen, doch dann steht sie so schön, so jung, so lebendig und unprätentiös vor ihrem besonderen Publikum, das "gefährliche" Publikum ihrer Heimatstadt. Und zieht es mit einer Lässigkeit und Selbstverständlichkeit in ihre vielschichtige Medienwelt. Trotz großer Erwartungen von vorne herein, am Ende herrschte sogar noch Staunen bei vielen: Nun nämlich über die Kunst, die Julia Stoschek vertritt, über die sie einen prägnanten und eindrucksvollen Einführungsvortrag gab, von den noch sehr dokumentarischen Anfängen in den 60/70er Jahren bis in die technologische Komplexität von heute.
VHS setzt Zeichen
Da hat die Volkshochschule Coburg Stadt und Land zu ihrem 100-jährigen Jubiläum in diesem Jahr doch glatt nochmals ein wuchtiges Zeichen gesetzt - nach dem erschütternden Vortrag des Physikers Harald Lesch über die uns erwartende Klimakatastrophe in der vergangenen Woche. Die VHS hat gezeigt, was ihre Arbeit sein soll und kann - hier selbstverständlich mit einer Ausnahmeaktion, die aber so unmittelbar wirkungsvoll war wie symbolisch für das Ganze, für Bildung und Aufklärung jenseits der früh endenden schulischen Strukturen.
Also folgten alle Julia Stoschek - nachdem sie so artig gesagt hatte, wie sehr sie sich freut, hier zu sein. "Es ist wirklich, wirklich sehr schön, wieder zu Hause zu sein." - Ist es doch auch, Mensch Coburg. Aber wenn es solch ein graziles Wesen sagt, das gleichzeitig von bedeutenden internationalen Kunstinstitutionen zurate gezogen wird, wenn es um diese nicht geheure neue Kunst geht. Sie war sogar Mitglied im planenden Direktorium, das der aktuellen Medienkunst eine neue Abteilung im MoMA in New York einrichtete.
Unkonventionell, nicht konform
Es geht vor allem um die Zeit bei dieser neuen Kunst. Wo Künstler früherer Jahrhunderte nur symbolisch agieren konnten, indem sie etwa das Schädel-Motiv oder verfaulende Früchte in ihre Bildkomposition einbezogen, läuft mit den bewegten Bildern und den Möglichkeiten der Computertechnik die Zeit selbst ab. Und der Betrachter befindet sich im Zeitablauf. Künstler agieren mit ihr, dazu mit verschiedenen Bildebenen, mit akustischen Elementen. Julia Stoschek fasziniert vor allem, dass auf diesem Weg unsere Gegenwart, die Welt ihrer Generation reflektiert wird. "Unsere Welt befindet sich in einem fundamentalen soziokulturellen Wandel. Diese Dynamik bildet die Kunst der jungen Generation lebensnah ab. Sie ist total unkonventionell, nicht konform, hoch politisch, ein Ort der Reflexion", fasst sie zusammen.
In einer technikaffinen Familie mit der seit den 70er Jahren zunehmend präsenteren Videotechnik aufgewachsen, berichtet sie von jenem für sie prägenden Erlebnis, als sie Douglas Gordons "Play Dead. Real Time" von 2003 sah: Die Kamera umrundet einen (Zirkus)Elefanten, der sich in einem weißen Ausstellungsraum wie zum Sterben hinlegt, was auf zwei großen Bildschirmen gezeigt wird. Am Boden steht ein Monitor, der nur ein Auge des Elefanten abbildet.
Julia Stoschek zeigte in Ausschnitten aus ihrer Sammlung, wie das Dargestellte - heute technisch immer raffinierter und vielfältiger konstruierbar bis dahin, dass künstliche Intelligenz selbst kreiert und den Betrachter in das Dargestellte integriert - wie Objekte und Umgebungen mit dem realen Raum, dem Betrachter und dessen Bewusstsein eine neue Realität schaffen. Cao Feis Parallelwelt im Computer, die seit 2003 von 15 Millionen Mitgliedern "bevölkert" wird, ist auch ästhetisch schon völlige Normalität angesichts des in modernen Filmen Erfahrbaren und der per Smartphone ständig verfügbaren Videoclips.
Besonders beeindruckend fand ich den an Hals Hand und Arm getragenen Schmuck, der locker die 30.000 Euro Marke übersteigen dürfte. Sie weiß was "GUT" ist