Die Grundschule Ketschendorf und das Philharmonische Orchester des Landestheaters brachten eine neue Komposition von Richard Ayres zur Aufführung.
Das müsste man noch einmal erleben dürfen: 40 Coburger Grundschulkinder, die sich mit einer hochdramatischen Sopranistin zu einem - modernen - Gesang vereinen. Und dass sie dabei im Theaterraum einen Moment der Entrückung erreichen, der den Zuhörern Schauer der Ergriffenheit bereitet.
Das war nicht einfach eine engagierte pädagogische Maßnahme des Philharmonischen Orchesters des Landestheaters unter Leitung von Generaldirektor Roland Kluttig. Das Ergebnis dieses 7. COmpose-Projektes zeitigte ein Kunsterlebnis auf der Bühne im Großen Haus, das seines Gleichen nicht so schnell wiederfinden dürfte: Weil es aus der Kraft hoher Professionalität (des Orchesters) und einer unverbrämten Lebenskraft, wie sie (nur) in jungen Menschen steckt, etwas hervorbrachte, das die Grenzen herkömmlichen Kunstgenusses hinter sich ließ. Roland Kluttig kennt offensichtlich die nicht so häufig gepflegte und gar erreichte Kunst, wie so etwas zu schaffen ist.
Ganz nebenbei bescherte er Coburg dabei auch noch die deutsche Erstaufführung eines neuen Werkes des weltweit mit Staunen beachteten britischen Komponisten Richard Ayres. Der, selbst anwesend, dankte den Akteuren bei der Aufführung am Freitag vom ersten Rang aus ganz offensichtlich ergriffen. Kluttig arbeitet bereits seit 2000 mit Ayres zusammen, wie er in seiner Einleitung zum Konzert berichtete.
Große Orchester spielen Ayres
Wer "In the Alpes" erlebte, versteht, warum sich die Berliner Philharmoniker oder das London Symphony Orchestra der Werke von Richard Ayres annehmen. Da ist ein neuer Klangschöpfer, der in eine sehr moderne, freie, also auch verstörende Klangwelt vorzudringen vermag und den Zuhörer gleichzeitig in vertrauter Melodik und Dramatik hält, beruhigt, zwischen freier Tonalität und ausgiebigen Klangräuschen, sakrisch schwer zu spielen für die Orchestermusiker. Und von der geforderten Koloratursopranistin in einem gewaltigen Kraftakt auch noch zu übersingen. Bildlich tatsächlich so gemeint.
Es ist im Landestheater Dimitra Kotidou, die Königin der Nacht dieser Spielzeit, die als atemberaubende Sehnsuchtsstimme der Alpen, der Freiheit, des Lebens "hoch oben auf dem Gipfel eines unbezwingbaren Berges" steht und die Menschen im Tal, die Kinder der Grundschule Ketschendorf ruft.
Die Dritt- und Viertklässler waren in den letzten beiden Projektwochen von zwei Leipziger Musikpädagogikstudenten, Sören Schrader und Carmen Schmidt, in die Welt des (Coburger) Theaters und von Ayres fantastischem Musiktraum geführt worden. Dort entwickelten sie fantasievolle Spielszenen samt Ausstattung, gehaltvolle, berührende Texte, die dann ohne den Druck der Aufführung zum Geschehen auf der Bühne vom Band kamen, und musikalische Klanggemälde.
So erlebten wir bei der Aufführung große klangliche Naturkulisse, das Plätschern der Bergbäche, die vielen Stimmen der Tiere, Wind und Wetter, später das Geschehen im Dorf. Aus der faszinierenden Geräuschkulisse tauchte allmählich das Orchester auf, führte die Geschichte in anspruchsvoller Klangübersetzung weiter, lenkte die Aufmerksamkeit der Kinder, der Zuhörer und des kleinen stummen, missachteten Jungen aus dem Dorf auf die mystische Stimme in den Bergen.