Warum die Musiker des Aramis-Trios mit ihrem Festival "Klanggrenzen" in Coburg auch vor Kindern und Jugendlichen auftreten.
So sieht Musikunterricht der ungewöhnlichen Art aus. Für ein besonderes Gastspiel verwandelt sich die Mensa des Gymnasiums Ernestinums vorübergehend in einen Musiksaal. "In jedem steckt ein kleiner Mozart" steht auf zwei großen Aufstellern. Dazwischen platzieren sich für eineinhalb Stunden die Musiker des Aramis-Trios um den Geiger Martin Emmerich, Konzertmeister im Philharmonischen Orchester des Landestheaters.
Im Gepäck: das 2. Klaviertrio von Dmitri Schostakowitsch und eindringliche Ausschnitte aus dem Film "Dem kühlen Morgen entgegen", in dem sich Armin Müller-Stahl auf die Spurensuche nach Schostakowitsch begibt. Das Auditorium bilden Schülerinnen und Schüler der Musikkurse der 11. Klassen.
Mit klug ausgewählten Ausschnitten aus dem 2. Klaviertrio von Schostakowitsch beleuchten die Musiker das Spannungsfeld zwischen Kunst und Politik, zwischen Freiheit und Unterdrückung durch totalitäre Regime. Vor allem aber lassen sie hörbar werden, wie Schostakowitsch in seinen Werken immer wieder versucht hat, doppelbödig zu komponieren. Geschickt lenken Martin Emmerich und seine Trio-Partner Heiner Reich am Violoncello und Fabian Wankmüller am Klavier immer wieder die Aufmerksamkeit der Schüler auf die ausgeklügelten Techniken des Komponisten, hinter einer scheinbar optimistisch tönenden Oberfläche dennoch immer wieder Abgründe anklingen zu lassen.
Totentanz statt Jubelmarsch
Denn dort, wo Schostakowitsch vordergründig Jubel und Optimismus in Szene setzt, ist in Wahrheit eigentlich ein Totentanz gemeint. Dem lärmenden Siegesgestus in den Sinfonien und manchen Kammermusik-Sätzen von Schostakowitsch ist nicht zu trauen. Oft kommt es auf ganz entscheidend auf die richtige Artikulation an, damit aus einem vermeintlich harmlosen Kinderlied eine Musik der stillen Verzweiflung wird. Auch das lässt das Aramis-Trio eindringlich hörbar werden.
Doch nicht nur um Schostakowitsch geht es an diesem Vormittag im Ernestinum. Das Aramis-Trio gewährt vielmehr auch Einblick in manche Aspekte des Musikerlebens. Dazu gehört beispielsweise auch die rein physische Komponente. "Im Prinzip ist das Musizieren Hochleistungssport", erklärt Martin Emmerich nach einer besonders furiosen und anstrengenden Passage des Schostakowitsch-Trios.
Auch die Frage nach dem Preis eines tauglichen Musikinstrumentes wird offen beantwortet. "Im Profibereich ist unter einem fünfstelligen Preis nichts drin", erklärt Martin Emmerich und verweist auf seine Geige, die keineswegs ein besonders wertvolles historisches Instrument ist, sondern aus der Werkstatt eines modernen Geigenbauers stammt.
Wertvolle Stradivari- oder Guarneri-Geigen aus dem 17. oder 18. Jahrhundert bringen es dagegen bisweilen gar zu Millionen-Preisen und werden von internationalen Finanz-Konsortien längst als Objekt für Kapital-Investitionen gehandelt.
Am Ende bleibt den Musikern die Hoffnung, bei den Gymnasiasten ein wenig Neugier geweckt zu haben. "Schon wenn zwei Schüler am Samstag in unser Konzert in die Reithalle kommen, hat es sich gelohnt", sagt Martin Emmerich, bevor er seine Geige wieder in den Geigenkasten packt.