Scheßlitz
Asyl
Platz für Asylbewerber in der Region ist knapp
Nicht nur Zirndorf ist überlastet: Die steigende Zahl der Asylsuchenden ist bis in die kleinsten Dörfer zu spüren. Und führt dazu, dass ein Aserbaidschaner auch weiterhin darauf warten muss, in die Gedankenwelt Bertolt Brechts einzutauchen.

Mehemmed Shiniehli arbeitete in seiner Heimat Aserbaidschan als Kriegsreporter. Seine Leidenschaft ist aber das Lesen. Und Dostojewski.
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Fjodor Dostojewski. Keiner ist größer. Und keiner hat so viel Einfluss auf sein Leben. Auf deutsch-englisch-türkisch beginnt Mehemmed Shiniehli zu Schwärmen. Von Dostojewski. Vom Lesen. Von Literatur.
Ohne ihre Literatur zu kennen, könne man eine Gesellschaft nicht verstehen. Davon ist der 29-Jährige Aserbaidschaner überzeugt. Und er glaubt, dass die deutsche Gesellschaft ihn nicht haben will. Weil sie ihm den Zugang zur Literatur so schwer macht. Zu Brecht. Zu Mann. Und zu den Menschen.
Die Bewohner des Berghofs fühlen sich isoliert
Seit Mehemmed vor acht Monaten politisches Asyl beantragt hat, lebt er in einem ehemaligen Hotel am Rande von Roßdach, einem 100-Einwohner-Ort hinter Scheßlitz. Einen Laden gibt es dort nicht. Und auch keinen Dostojewski oder Brecht.
Die Bewohner fühlen sich isoliert, sagt Katrin Rackerseder von der Initiative "Freund statt fremd". Auch die, die keinen Dostojewski zum Leben bräuchten: Von Roßdach wegzukommen sei schwierig. Deshalb säßen die Asylsuchenden nur herum. Monatelang.
Bisher war Roßdach nur Notlösung
Das Problem ist bekannt - weshalb Roßdach zunächst nur als Notlösung gedacht war. Bis die Regierung von Oberfranken das Hotel Anfang Oktober übernommen hat: Obwohl eher ungeeignet, soll es umgebaut und zur offiziellen Gemeinschaftsunterkunft werden.
Mehr als 200 Menschen musste die Regierung alleine in diesem Jahr neu unterbringen - 1224 Asylsuchende leben mittlerweile in Oberfranken. Auch hier treiben Sinti und Roma die Zahlen in die Höhe - nicht nur Zirndorf ist ausgelastet.
Politische Flüchtlinge müssen länger auf eine Entscheidung warten
Weshalb das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu einem drastischen Mittel greift: Asylsuchende aus den Balkan-Ländern, die kaum Aussicht auf Anerkennung haben, sollen schneller wieder abgeschoben werden. Bedingung dafür ist allerdings, dass diejenigen, die über die Asylanträge entscheiden, nur noch Sinti- und Roma-Fälle bearbeiten. Alle anderen müssten länger warten.
Auch Mehemmed, der schon acht Monate hofft - und jetzt noch länger auf Dostojewski und Brecht verzichten muss. "Das ist doch Blödsinn! Es kann nicht sein, dass Anträge länger dauern, weil die gerade etwas anderes zu tun haben", sagt er ärgerlich. Auf diese Weise ungeeignete Unterkünfte überflüssig zu machen, hält er für den falschen Weg: Auch er wäre weg, würde er endlich Antwort bekommen. "Und ich würde bis dahin nicht vor Langeweile verrückt."
15 Flüchtlinge, zwei Wochen Zeit
Thomas Hummel vom Landratsamt Bamberg sieht das naturgemäß anders. Denn auch die Städte und Kreise haben ein Problem: Sie tragen die Spitzenlasten, für die die Regierung keine Unterkünfte findet - so steht's in der Asyldurchführungsverordnung.
15 Flüchtlinge, Tendenz steigend, zwei Wochen Zeit. Auch Thomas Hummel ist verärgert: "Ich kann doch nicht ständig Unterkünfte in petto haben. Entweder ich buche sie, dann muss ich sie zahlen oder ich lasse es, dann sind sie vielleicht weg."
In Coburg stehen kreiseigene Wohnungen zur Verfügung
Der Landkreis Coburg kann das, allerdings mehr aus Zufall. Ihm stehen laut Pressesprecher Dieter Pillmann kreiseigene Wohnungen zur Verfügung, in denen in den vergangenen Wochen ebenfalls 15 Flüchtlinge untergebracht wurden. "Das macht zwar zusätzliche Arbeit, aber man kann es nicht ändern", sagt er. Und freut sich sogar ein bisschen. Denn so könne man zumindest ausprobieren, ob das Konzept der dezentralen Unterbringung funktioniere, das der Kreis seit einiger Zeit anstrebt.
Auch Thomas Hummel aus dem Landkreis Bamberg hat die 15 Flüchtlinge schlussendlich untergebracht: im Naturfreundehaus Demmelsdorf, das im Winter sowieso kaum Gäste hat. Eine Dauerlösung ist das aber nicht: In sechs Wochen läuft der Mietvertrag wieder aus. Dann sollen laut Hummel die Umbauten in Roßdach abgeschlossen sein. Und die Flüchtlinge ins abgelegene Hotel verlegt werden. Wo Mehemmed Shiniehli noch immer auf Dostojewski und Brecht wartet.
Ohne ihre Literatur zu kennen, könne man eine Gesellschaft nicht verstehen. Davon ist der 29-Jährige Aserbaidschaner überzeugt. Und er glaubt, dass die deutsche Gesellschaft ihn nicht haben will. Weil sie ihm den Zugang zur Literatur so schwer macht. Zu Brecht. Zu Mann. Und zu den Menschen.
Die Bewohner des Berghofs fühlen sich isoliert
Seit Mehemmed vor acht Monaten politisches Asyl beantragt hat, lebt er in einem ehemaligen Hotel am Rande von Roßdach, einem 100-Einwohner-Ort hinter Scheßlitz. Einen Laden gibt es dort nicht. Und auch keinen Dostojewski oder Brecht.
Die Bewohner fühlen sich isoliert, sagt Katrin Rackerseder von der Initiative "Freund statt fremd". Auch die, die keinen Dostojewski zum Leben bräuchten: Von Roßdach wegzukommen sei schwierig. Deshalb säßen die Asylsuchenden nur herum. Monatelang.
Bisher war Roßdach nur Notlösung
Das Problem ist bekannt - weshalb Roßdach zunächst nur als Notlösung gedacht war. Bis die Regierung von Oberfranken das Hotel Anfang Oktober übernommen hat: Obwohl eher ungeeignet, soll es umgebaut und zur offiziellen Gemeinschaftsunterkunft werden.
Der "starke Anstieg der Asylbewerberzahlen und die fehlenden Unterkünfte" hätten diesen Schritt notwendig gemacht, sagt Corinna Boerner von der Regierung von Oberfranken.
Mehr als 200 Menschen musste die Regierung alleine in diesem Jahr neu unterbringen - 1224 Asylsuchende leben mittlerweile in Oberfranken. Auch hier treiben Sinti und Roma die Zahlen in die Höhe - nicht nur Zirndorf ist ausgelastet.
Politische Flüchtlinge müssen länger auf eine Entscheidung warten
Weshalb das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu einem drastischen Mittel greift: Asylsuchende aus den Balkan-Ländern, die kaum Aussicht auf Anerkennung haben, sollen schneller wieder abgeschoben werden. Bedingung dafür ist allerdings, dass diejenigen, die über die Asylanträge entscheiden, nur noch Sinti- und Roma-Fälle bearbeiten. Alle anderen müssten länger warten.
Auch Mehemmed, der schon acht Monate hofft - und jetzt noch länger auf Dostojewski und Brecht verzichten muss. "Das ist doch Blödsinn! Es kann nicht sein, dass Anträge länger dauern, weil die gerade etwas anderes zu tun haben", sagt er ärgerlich. Auf diese Weise ungeeignete Unterkünfte überflüssig zu machen, hält er für den falschen Weg: Auch er wäre weg, würde er endlich Antwort bekommen. "Und ich würde bis dahin nicht vor Langeweile verrückt."
15 Flüchtlinge, zwei Wochen Zeit
Thomas Hummel vom Landratsamt Bamberg sieht das naturgemäß anders. Denn auch die Städte und Kreise haben ein Problem: Sie tragen die Spitzenlasten, für die die Regierung keine Unterkünfte findet - so steht's in der Asyldurchführungsverordnung.
15 Flüchtlinge, Tendenz steigend, zwei Wochen Zeit. Auch Thomas Hummel ist verärgert: "Ich kann doch nicht ständig Unterkünfte in petto haben. Entweder ich buche sie, dann muss ich sie zahlen oder ich lasse es, dann sind sie vielleicht weg."
In Coburg stehen kreiseigene Wohnungen zur Verfügung
Der Landkreis Coburg kann das, allerdings mehr aus Zufall. Ihm stehen laut Pressesprecher Dieter Pillmann kreiseigene Wohnungen zur Verfügung, in denen in den vergangenen Wochen ebenfalls 15 Flüchtlinge untergebracht wurden. "Das macht zwar zusätzliche Arbeit, aber man kann es nicht ändern", sagt er. Und freut sich sogar ein bisschen. Denn so könne man zumindest ausprobieren, ob das Konzept der dezentralen Unterbringung funktioniere, das der Kreis seit einiger Zeit anstrebt.
Auch Thomas Hummel aus dem Landkreis Bamberg hat die 15 Flüchtlinge schlussendlich untergebracht: im Naturfreundehaus Demmelsdorf, das im Winter sowieso kaum Gäste hat. Eine Dauerlösung ist das aber nicht: In sechs Wochen läuft der Mietvertrag wieder aus. Dann sollen laut Hummel die Umbauten in Roßdach abgeschlossen sein. Und die Flüchtlinge ins abgelegene Hotel verlegt werden. Wo Mehemmed Shiniehli noch immer auf Dostojewski und Brecht wartet.