Nicht nur ein böser Traum

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Die Innenstadtkirche St. Martin im österlichen Schmuck, obwohl die Pfarrei derzeit eher die Passion durchlebt. Foto: Marion Krüger-Hundrup
Die Innenstadtkirche St. Martin im österlichen Schmuck, obwohl die Pfarrei derzeit eher die Passion durchlebt.  Foto: Marion Krüger-Hundrup

Nach der Suspendierung des Pfarrers von St. Martin informierte Generalvikar Georg Kestel den Pfarrgemeinderat über die Gründe.

Die Pfarrei St. Martin schien nach langen Querelen und Auseinandersetzungen um einen nicht nur beliebten Pfarrer in ruhige Gewässer gekommen zu sein. "Die Entwicklung nach den Schwierigkeiten war positiv, wir waren gemeinsam auf dem Weg in die Zukunft", sagt Regina Paul. Die 68-Jährige gehört seit vier Wahlperioden dem Pfarrgemeinderat an und engagiert sich vielfach im Pfarreileben.

Und nun das! "Ich bin fassungslos, erschüttert, es ist wie ein böser Traum", bekennt Regina Paul nach dem Dienstagabend, der alle Hoffnungen erst einmal zunichte machte. Die Pressestelle des Erzbischöflichen Ordinariates hatte die knappe Mitteilung verbreitet, dass Erzbischof Ludwig Schick den Pfarrer von St. Martin aller kirchlichen Ämter enthoben und ihm die Ausübung aller priesterlichen Funktionen verboten hat. Er habe sich schwerer Verfehlungen gegen kirchliche Vorschriften schuldig gemacht, die das sechste Gebot und den priesterlichen Zölibat betreffen. Der Pfarrer habe die Vorwürfe eingeräumt.

Just an diesem Dienstagabend war ohnehin die konstituierende Pfarrgemeinderatssitzung anberaumt. Eine glückliche Fügung im Unglück. Denn Generalvikar Georg Kestel nutzte sofort die Gelegenheit, die versammelten Räte persönlich über die Gründe zu informieren, die zur Suspendierung des Pfarrers geführt haben. Die Pfarrgemeinderäte reagierten erschüttert: "Es ist eine menschliche Tragödie", meint Regina Paul. Und der neu gewählte PGR-Vorsitzende Christoph Brey erklärt, dass "die Nachricht die ganze Pfarrei absolut unvorbereitet getroffen hat". Er hoffe, dass gemeinsam mit dem Ordinariat schnell Lösungen gefunden werden, "damit unser Pfarrleben weitergeht". Genauso wichtig ist dem gemeindlichen Laienvertreter allerdings, "unseren Pfarrer im Gebet zu begleiten".

Dieses "unser Pfarrer" gehört jedoch jetzt schon der Vergangenheit an. Denn noch am Dienstag, nach dem Offenbarungsgespräch mit dem Erzbischof und zwei weiteren Vertretern der Bistumsleitung, hatte der Pfarrer seinen Verzicht auf die Pfarrstelle St. Martin unterschrieben. Und ob er jemals wieder in den Dienst des Erzbistums Bamberg zurückkehren kann, ist völlig offen: "Über seine Zukunft kann man keine Prognose geben", sagt Generalvikar Georg Kestel auf Anfrage unserer Zeitung. Derzeit sei der Pfarrer "in klösterlicher Obhut, die ihm der Erzbischof angeboten hat". Dort erfahre der Pfarrer auch "Begleitung".

"Wenn Handlungsbedarf da ist, wird reagiert, und wenn es analoge Fälle gäbe, würden wir das auch tun", erklärt der Generalvikar unmissverständlich. Dieser Handlungsbedarf sei nicht durch Presseberichte entstanden, will Kestel nicht den unmittelbaren Zusammenhang mit den Enthüllungen eines italienischen Callboys herstellen. Auf dem "kirchlichen Dienstweg vom Vatikan zum Nuntius in Deutschland" habe Erzbischof Schick gewisses "Material" erhalten: kurze Texte in Italienisch, Fotos und die Dokumentation von Kommunikationsabläufen. Weitere Angaben wolle er, so der Generalvikar, aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht machen, zumal nach jetzigem Stand auch keine strafrechtlichen Vorwürfe im Raum stünden.

Georg Kestel hat dem Pfarrgemeinderat versichert, dass die anstehenden pfarrlichen Fragen wie Gottesdienste oder Übernahme der Administration zügig geklärt werden. Er selbst werde am kommenden Sonntag die Erstkommunion in St. Josef/Hain, die Aufgabe des Pfarrers gewesen wäre, übernehmen. "Alles ist noch frisch", sagt der Generalvikar zu der Situation. Er wisse, dass nun innerhalb der Pfarrei der Gesprächsbedarf hoch sei: "Das Ordinariat geht darauf ein und bietet für Gruppen und Kreise Gespräche mit geschulten Leuten an." Auch eine Pfarrversammlung sei denkbar, wie sie der Pfarrgemeinderat favorisiert. "Wir versuchen alles, um das Geschehene gemeinsam aufzuarbeiten", betont Generalvikar Kestel.