Eine Riesenchance für die Stadt - wenn man sie nutzt. Derzeit sieht es ganz danach aus, als ob die Wohnungen auf dem US-Gelände erst einmal längere Zeit leer stehen.
Schon in wenigen Monaten werden rund 900 Wohn-Einheiten auf dem US-Gelände leer stehen. Ein Segen für den überhitzten Bamberger Wohnungsmarkt? So einfach ist es leider nicht: Eine schnelle Nachnutzung der US-Wohnviertel ist derzeit nicht in Sicht, weil sich Bund, Stadt und die US-Armee gegenseitig blockieren.
Harald Lang war in den letzten Wochen häufiger Gast auf dem Gelände der Warner-Barracks. Der schrittweise Abzug der Amerikaner ist hier kaum mehr zu übersehen. "Blockweise werden die Wohnungen der Housing-Areas freigezogen", sagt der Leiter des Konversionsamts. Schon erinnert die Kaserne in Teilen an eine Geisterstadt.
Bis zum Sommer 2014 wird sich der Entleerungsprozess noch verschärfen. Ende September ist dann Zapfenstreich auf dem 450 Hektar großen US-Gelände. Das heißt auch: Die Kaserne wird abgesperrt. Rund 900 Wohnungen werden dann leer stehen, viele von ihnen mit großzügigen Grundrissen, wie sie in der Stadt sehr gesucht sind.
Für Bamberg ist das ein Glücksfall - sollte man meinen.
In einer Stadt, in der sich der Wohnungsmangel in den letzten Jahren immer mehr aufgeschaukelt hat, wo die Mieten seit 2006 um 35 Prozent und die Baulandpreise gar um 70 Prozent stiegen, ist über Nacht ein neuer Stadtteil frei - Platz genug für viele Hunderte Neubürger.
Die Realität sieht anders aus. Ein dreiviertel Jahr vor der Übergabe der US-Liegenschaften an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) hat noch kein einziger Gutachter den Wohnungsbestand genauer unter die Lupe genommen. Nicht einmal über die Grundrisse ihrer neuen Immobilienlandschaft verfügt die Stadt. Aus Angst vor Anschlägen sei das von den US-Amerikanern abgelehnt worden.
Dabei kennt man im Rathaus die Möglichkeiten, die etwa im Wohngebiet hinter der Zollnerstraße stecken, nur zu gut.
Das Gebiet mit neun 60er-Jahre-Blocks und rund 200 Wohnungen könnte ohne größeren Aufwand an das städtische Versorgungsnetz angeschlossen werden. Auch der Schutzzaun um die Kaserne könnte problemlos nach hinten verlegt werden, so dass eine Vorab-Übergabe leicht möglich wäre. Ähnliches gilt für das noch größere Areal an der Pödeldorfer Straße. Hier drohen in Kürze 700 Wohnungen leer zu stehen - und, wenn nichts geschieht, zu verwahrlosen.
Extremer Wohnungsmangel diesseits, extremer Leerstand jenseits des Kasernenzauns. Der Kontrast könnte nicht größer sein. Dabei ist unter den Experten unumstritten, dass sich für Bambergs Zukunft im Osten große Chancen abzeichnen. Erst Mitte September hat der Systemanalytiker Klaus Peter Möller im Forum "Wohnen" der Stadt Bamberg ein Bevölkerungswachstum von bis zu 3000 Menschen als realistisch vorausgesagt.
Voraussetzung ist freilich: Die Stadt muss attraktive Wohnangebote machen. Dann könnten alleine 1500 Menschen aus dem Umland nach Bamberg zurückkehren.
Wohnraum für 1500 Euro?
1000 neue Altbauwohnungen für Bamberg? Bei den Bauunternehmen in Bamberg mangelt es weder an Interesse noch am Geld. Ganz im Gegenteil: Niemand weiß besser als die Fachleute, dass die vor zehn Jahren sanierten US-Wohnungen auf dem Immobilienmarkt wie die warmen Semmeln weggingen, stünden sie nur zum Verkauf. Freilich nicht erst in zehn Jahren, sondern heute.
"Hier könnte günstiger Wohnraum für einen Preis zwischen 1500 und 2000 Euro pro Quadratmeter geschaffen werden", sagt Heiner Kemmer von der Stadtbau. Allerdings nur, wenn in den Wohnungen nicht irgendwelche derzeit noch unbekannten Altlasten schlummern. Doch nicht einmal darüber herrscht Klarheit.
Grund für die Blockade: Die Bima habe kein Interesse, Teile der Kaserne vorab zu veräußern. Und die Stadt will das US-Gelände komplett kaufen.
Doch schließen sich der "große Wurf", wie ihn die Stadt anstrebt, und das Herauslösen einzelner Wohngebiete aus der Konversionsmasse überhaupt aus? Nicht unbedingt, sagen die von uns befragten Experten: Ein Abriss großer Teile der Altwohnungen auf dem US-Gelände wäre derzeit politisch weder durchsetzbar, noch erscheint es ökonomisch sinnvoll: Denn die Konsequenz - neuer und teurer Wohnungsbau - löst das Problem in Bamberg nicht.
Das hat längst auch die Politik erkannt. Die SPD-Fraktion spricht sich dafür aus, einzelne Wohngebiete aus dem Kasernengelände vorab zu nutzen, um den Bamberger Wohnungsmarkt schnell zu entlasten. "Diese Wohnungen sind großzügig geschnitten und gut erhalten.
Wir sollten unbedingt über Zwischenlösungen nachdenken", sagt Wolfgang Metzner.
Auch die CSU will den US-Wohnungsbestand nicht unnötig lange leer stehen lassen - schon im Interesse einer guten Stadtentwicklung: "Wir sollten alles tun, um die Einwohnerzahl auf 75.000 zu steigern", urteilt Helmut Müller. Anders sei die Infrastruktur, die die Stadt vorhalte, auf Dauer kaum finanzierbar.
Trotz der verlockenden Möglichkeiten, die sich im Bamberger Osten auftun, hat sich bei den Plänen für die Nachnutzung der US-Wohngebäude bis heute wenig Konkretes getan. Warum? Das Großprojekt Konversion scheint wie gemacht dafür, dass Bürgerwünsche im Pokerspiel zwischen Bund, Amerikanern und Stadt Bamberg untergehen.
Jede der Parteien wartet darauf, dass die andere den ersten Schritt geht...
Leerstand bei Wohnungsnot?
Hört man Harald Lang vom Konversionsamt, dann ist es die Bima, die das Verfahren in die Länge zieht. Sie habe kein Interesse, vor dem ersten Quartal 2015 überhaupt über einzelne Teile der Kaserne zu sprechen.
Das sieht man beim Bund anders. "Grundsätzlich wollen wir möglichst schnell eine zivile Nachnutzung finden", sagt Larissa Komnick von der Bima Nordbayern. Auch sie findet das Szenario von Hunderten leer stehenden Wohnungen bei gleichzeitig grassierender Wohnungsnot schwer erklärbar. Dennoch müsse der Bund warten, bis die Stadt ihre Pläne vorgelegt habe.
In der Zwischenzeit läuft der Region die Zeit davon. "Bei uns stehen die Familien Schlange", sagt Harald Lang vom Konversionsamt.
Er weiß auch, dass dies nur noch ein paar Jahre der Fall sein wird. Schon 2017 schließt sich das Zeitfenster wieder. Eine andere Sorge bewegt Heiner Kemmer von der Stadtbau. Das Beispiel der Konversion in Würzburg führt vor Augen, was droht, wenn Wohnungen erst einmal zwei Jahre leer stehen: "Dann ist alles kaputt und man kann man die Häuser wegschieben."
Die Amerikaner würden der Stadt doch sicher erlauben, dass einzelne gemeldete Gutachter in leerstehende Wohnungen könnten (evtl. unter Aufsicht)...