Auffällig an der neuen Bamberger Statistik ist ein weiterer Punkt: Die Gesamtzahl der "nicht deutschen Tatverdächtigen" sei laut Polizei ebenfalls leicht gestiegen, und zwar von 36,4 auf 39,8 Prozent. Davon unterscheiden die Beamten den Anteil der "Zuwanderer": Hier stieg die Zahl der Tatverdächtigen von 23,1 auf 26,4 Prozent. Besonders hoch ist laut Statistik der Anteil ausländischer Tatverdächtiger, die Ladendiebstahl begehen: Von 591 ermittelten Tätern seien 369 Nichtdeutsche und davon wiederum 324 Zuwanderer – dies sei laut Polizei eine neue Entwicklung.
Ausreißer vs. Anstieg: Wie lassen sich die Straftaten interpretieren?
Doch Strafrechtsexpertin Kett-Straub relativiert die Zahlen: Denn der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger sei wirklich nur gering gestiegen. "So einen kleinen ‚Ausreißer‘ nach oben kann man immer mal beobachten, ist aber noch nicht als ,echter‘ Anstieg zu verbuchen."
Polizei musste 2021 öfter zum Ankerzentrum ausrücken
Die Bamberger Statistik zeigt aber noch ein weiteres Phänomen: "Seit Inbetriebnahme des Ankerzentrums stellt sich in Bamberg die Frage nach der Tatbeteiligung von Zuwanderern", erläutert die Polizeiinspektion Bamberg-Stadt. Sie nähmen eine "herausragende Stellung" in der Statistik ein: Von insgesamt 1129 ermittelten Nichtdeutschen seien 749 Zuwanderer gewesen.
Im Ankerzentrum kam es 2021 zu insgesamt 450 Delikten, darunter 75 gefährliche Körperverletzungen, fünf Sexualdelikte und ein Tötungsdelikt. 584-mal musste die Polizei zur AEO ausrücken, das sind 107 mehr Einsätze als im Vorjahr. "Dies liegt unter anderem daran, dass teilweise Abschiebungen wieder aufgenommen werden, die bis dato coronabedingt ausgesetzt waren", erklärt die Polizei. Die Beamten merken aber auch an: In den meisten Fällen handelte es sich sowohl bei den Tätern als auch bei den Opfern um Zuwanderer.
Junge Männer sind besonders anfällig für Kriminalität
Mit dieser Zunahme sei bereits zu rechnen gewesen: "Schon aus dem einfachen Grund, dass in Bamberg nun mehr Zuwanderer als vorher leben", lautet die Einschätzung von Kett-Straub. "Unter den Zuwanderern befinden sich zudem viele junge Männer und diese Personengruppe ist insgesamt von Haus aus deutlich kriminogener als andere." Die Expertin betont aber: Auch junge deutsche Männer werden häufiger straffällig als beispielsweise ältere Frauen.
Abgrenzung zum "Racial Profiling" wird schwierig
Konkret bedeutet das für Bamberg: Je mehr junge Männer in einer Stadt leben, desto stärker wird wohl die Kriminalität ansteigen. Das könnte wiederum dazu führen, dass Ladendetektive und Security-Mitarbeiter diese Personen in Geschäften von vorneherein genauer beobachten. "Das wird teilweise kritisiert, ist aber aus Ermittlersicht auch nachvollziehbar", sagt die Professorin. Man wolle zwar "erfolgsorientiert" vorgehen, die Abgrenzung zum "Racial Profiling" sei aber schwierig.
Die Kriminologin vermutet hinter den vielen Ladendiebstählen eine schlichte Motivation: Langeweile. „Es gab ja wenig Ablenkung im Jahr 2020.“ Dafür würden vor allem vermehrte Diebstähle im Innenstadtbereich sprechen. So lasse sich auch die erhöhte Kriminalität im Ankerzentrum erklären: Wo viele Menschen, und vor allem junge Männer, unter psychischer Belastung und Zukunftsängsten zusammenleben, komme es zu mehr Straftaten.
Corona verstärkt Aggressionen und Straftaten
Auch die Pandemie trägt also ihren Teil dazu bei: "Diese Umstände führen zu größerer Aggression. Und da ist es dann durchaus zu erwarten, dass es im Ankerzentrum selbst vermehrt zu Gewaltdelikten wie der einfachen und gefährlichen Körperverletzung, aber auch zu Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz kommt", sagt die Expertin. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Taten in der Einrichtung konsequent von den Verantwortlichen zur Anzeige gebracht werden.
Die Bamberger Polizei stellt aber auch klar: "Es ist nach wie vor Fakt, dass die übermäßige Zahl der Zuwanderer rechtstreu ist. Dies ergibt sich aus dem Vergleich der Anzahl der Bewohner der Ankereinrichtung und der Anzahl der Zuwanderer bei den ermittelten Straftätern, welche teilweise auch mehrfach in Erscheinung traten."
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