Ankerzentrum Bamberg: Warum gibt es dort so viele Polizeieinsätze?

Im Bamberger Ankerzentrum kommt es immer wieder zu Polizeieinsätzen. Erst vor Kurzem ereignete sich eine Auseinandersetzung zwischen einer größeren Menschengruppe. Die Polizei rückte mit mehreren Streifen an - einige Personen wurden vorübergehend festgenommen. Laut Polizeiinspektion Bamberg-Stadt müssen Beamte im Durchschnitt "ungefähr einmal pro Tag" zu einem Einsatz ins Ankerzentrum ausrücken.
"Die Anlässe für polizeiliche Einsätze im Ankerzentrum sind für die Bamberger Ordnungshüter ähnlich vielfältig wie außerhalb der Einrichtung", erklärt Polizeihauptkommissar Holger Düring inFranken.de. Ihm zufolge kommt es neben Ruhestörungen und verbalen Streitigkeiten auch zu Körperverletzungsdelikten unter den Bewohnern und Sachbeschädigungen.
Ankerzentrum Bamberg: 2021 bislang mehr als 333 Polizeieinsätze
Seit September 2015 dient die Einrichtung im Bamberger Osten als Anlaufstelle für Asylbewerber in Oberfranken. Sie bietet Platz für bis zu 3400 Bewohner. Neben den eingangs geschilderten Delikten werde im Ankerzentrum mitunter auch wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz oder verschiedener Eigentumsdelikte polizeilich ermittelt, teilt die Bamberger Polizei mit.
"Neben diesen, für die Polizei alltäglichen Einsatzsituationen, kommt es im Ankerzentrum im Speziellen zu sogenannten Amtshilfeleistungen durch die Polizei", schildert Hauptkommissar Düring das Aufgabengebiet seiner Einsatzkräfte. Hierbei unterstützten die Beamten regelmäßig die dort ansässige Zentrale Ausländerbehörde der Regierung beim Vollzug ausländerrechtlicher Maßnahmen - etwa die Durchsetzung von "Abschiebungen".
Nach Angaben der Polizeiinspektion Bamberg-Stadt kam es 2021 bislang insgesamt zu 333 Einsätzen im Ankerzentrum (Stand: 05.08.2021). "Bereinigt man diese Zahlen um die bereits erwähnten Unterstützungseinsätze der Zentralen Ausländerbehörde im Rahmen der Amtshilfe, so lässt sich in der Gesamtschau sagen, dass die Beamten ungefähr einmal pro Tag zu einem Polizeieinsatz ausrücken müssen", konstatiert Düring.
Wohnsituation im Ankerzentrum: Helferin sieht "Ähnlichkeiten mit Ghetto"
Indes entstehen Konflikte unter den Bewohner des Ankerzentrums womöglich schon allein durch die verhältnismäßig engen Wohnverhältnisse. "Die Situation ist dort natürlich sehr spezifisch", sagt Ulrike Tontsch inFranken.de. Sie betreut im Ankerzentrum das sogenannte "Café Willkommen". Das Café wurde vom Bamberger Verein "Freund statt fremd" ins Leben gerufen. Es wird laut eigener Webseite ausnahmslos von ehrenamtlichen Helfern betrieben und finanziert sich demnach aus Spenden.
"Die Wohnverhältnisse im Ankerzentrum sind nicht gerade förderlich", betont Tontsch. Erschwerend hinzu komme, dass die Bewohner ihre Zimmer nicht absperren könnten. Sie plädiert deshalb nicht zuletzt aus diesem Grund für eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten. "Ein paar Nachbarn links, ein paar Nachbarn rechts - dann wäre vieles anders." Das Ankerzentrum habe dagegen "Ähnlichkeiten mit einem Ghetto" - in Hinblick auf Absonderung, Untätigkeit, existenzielle Unsicherheit und ähnliche Aspekte. Zudem sei das Areal mit Stacheldraht eingezäunt.
Konfliktpotenzial sieht die ehrenamtliche Helferin insbesondere beim Lebensalter der Einrichtungsbewohner. Ihr zufolge kommen insbesondere junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren ohne Aufgabe mitunter auf dumme Gedanken. "In dieser Altersgruppe gibt es auch bei uns Rabiate und Querschläger", betont Tontsch. Sie selbst verbringt laut eigenen Angaben täglich Zeit mit den Bewohnern des Ankerzentrums. Ihre Erfahrung: "Die meisten sind nett und anständig. Das sind wirklich höfliche und anständige Menschen."
Polizei Bamberg: Nächtliche Ankerzentrum-Einsätze für Nachbarschaft "mit Sicherheit wahrnehmbar"
Nach Einschätzung von Polizeihauptkommissar Düring dürften Anwohnende im Bamberger Osten insbesondere nächtliche Blaulichteinsätze zur Kenntnis nehmen. Gemäß dem Einsatzkonzept rückten grundsätzlich stets mehrere Polizeistreifen bei Einsätzen im Ankerzentrum zur Einsatzörtlichkeit aus - "teils unter Verwendung von Sondersignalen".
"Vor allem zur Nachtzeit ist dies für die direkte Nachbarschaft des Ankerzentrums mit Sicherheit wahrnehmbar", berichtet der Hauptkommissar. Anzumerken sei aber, dass in den meisten Fällen ein Großteil der eingesetzten Streifen - nach einer ersten Sachverhaltsaufklärung vor Ort - wieder von der Einsatzörtlichkeit ohne weiteres polizeiliches Einschreiten abrücken könne.
Zu regelmäßigen Festnahmen komme es dennoch. "Ja, die gibt es", bestätigt Düring. Sie seien in der Regel abhängig von der Schwere der Straftat und vergleichbaren Aspekten. "Über den weiteren Fortgang der Freiheitsentziehung - sprich, ob der Festgenommene einem Ermittlungsrichter vorzuführen ist oder die Festnahme unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben wird - entscheidet in jedem Einzelfall der zuständige Staatsanwalt."
"Größte Herausforderung" Sprachliche Barriere erschwert Polizeieinsätze im Ankerzentrum
Die Polizei wird bei Problemen im Ankerzentrum indes von verschiedensten Seiten verständigt. Oft seien es die vor Ort anwesenden Security-Mitarbeiter, die wegen sprachlicher Barrieren im Auftrag eines oder mehrerer Bewohner anrufen. "Aber auch die Security selbst teilt polizeilich relevante Sachverhalte proaktiv der Dienststelle mit und bittet bei körperlichen Auseinandersetzungen oder anderen Problemstellungen um die Anwesenheit der Polizei", erklärt Düring.
Dem Bamberger Hauptkommissar zufolge erschwerten Verständigungsprobleme nicht selten die Einsätze der Polizei. "Die größte Herausforderung bei alltäglichen Einsatzsituationen liegt sicherlich in der vorherrschenden, sprachlichen Barriere zwischen den Polizeikräften und den Bewohnern", berichtet Düring. Um polizeiliche Maßnahmen transparent zu machen und diese dem Betroffenen verständlich zu kommunizieren, bedürfe es unter Umständen der Mithilfe dort lebender Personen als Übersetzer.
Eine weitere negativ belastete Herausforderung, seien vereinzelte Einsätze, bei denen sich Bewohner gegen einschreitende Polizeikräfte solidarisierten. "Solche Einsätze waren in der Vergangenheit glücklicherweise sehr selten, jedoch für uns als Polizei nur mit einem hohen Kräfteansatz, auch mit Unterstützungsstreifen von benachbarten Dienststellen, zu bewältigen", resümiert Düring. "Anlass für derartige Einsätze sind dann meiste körperliche Auseinandersetzungen unter mehreren Bewohnern, wobei hier oftmals eine hohe Alkoholisierung der Beteiligten festzustellen ist."
Gewalt gegen Einsatzkräfte: Keine "explizite Statistik" in Bezug auf Ankerzentrum-Bewohner
In der Vergangenheit habe es mitunter auch schon Gewalt von Bewohnern gegenüber Polizisten gegeben. Laut Düring gab es im Bamberger Stadtgebiet 2020 insgesamt 86 Fälle von Gewalt gegen Einsatzkräfte. "In Einzelfällen waren die 'Angreifer' hierbei Bewohner des Ankerzentrums, wobei eine explizite Statistik dahingehend polizeilich nicht geführt wird", erläutert der Hauptkommissar.
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