Mitarbeiter des Bamberger Tierheims mussten am Waldrand bei Freudeneck auf Fangtour gehen. Die Zahl der geretteten Nager erhöht sich stetig, da viele der neuen Gäste trächtig sind. Benachbarte Heime sind um Hilfe gebeten.
Pfeifen und Quieken im Wald. Dem Opa, der mit dem Enkelkind unterwegs ist, fällt die ungewohnte Geräuschkulisse auf. Er folgt den hohen Tönen und staunt nicht schlecht: Eine Horde Meerschweinchen wuselt durch den Wald. Der Opa weiß, dass europäischer Wald nicht der eigentliche Lebensraum der aus Südamerika stammenden Kleintiere ist. Damit steht für ihn schnell fest, dass er Hilfe organisieren muss - ein Fall für das Tierheim.
"Von etwa 15 Meerschweinchen" hatte der Anrufer gesprochen, berichtet Tierheimleiterin Elke Pohl. Tatsächlich waren es aber weitaus mehr, die eingefangen wurden. Da etliche trächtige Tiere dabei sind, rechnet man in Bamberg nun täglich mit ansteigender Zahl der neuen Gäste.
Nach dem Anruf am späten Vormittag hatte die Meerschweinchen-Aktion natürlich Vorrang vor den anstehenden Routine-Arbeiten am Rothofer Weg. Schnell so viele Kleintier-Transportboxen wie möglich ins "Berganza"-Mobil, dazu zwei weitere Helfer und los ging's in den nördlichen Landkreis. Konkret nach Freudeneck, einem Ortsteil von Rattelsdorf.
Beim Notieren der Nummer des Anrufers hatte sich in der Hektik offenbar ein Zahlendreher eingeschlichen, so Pohl. Deswegen dauerte es, bis man anhand der Gesprächsnotizen dann den genauen Aufenthaltsort der Tiere an einem Waldrand gefunden hatte.
Schnell Verdacht geschöpft
Der Verdacht, dass jemand die Tiere ausgesetzt hatte, verdichtete sich angesichts dessen, dass sich auch noch etwas Rauhfutter zurückgelassen war. Ein Tier freilich war schon tot, mussten Elke Pohl und ihre Helfer betroffen feststellen. Doch Zeit für Gefühle war erst einmal nicht, denn das Trio musste zusehen, möglichst alle Tiere einzufangen. Mit bloßen Händen und mit einem Kescher versuchte das Tierheim-Team, der wild umher wuselnden Bande habhaft zu werden.
Ein echter Kraftakt, bei dem die Akteure zudem Geduld beweisen mussten. Zwei fingen die Tiere, der Dritte beobachtete, in welche Richtung der Rest zu entkommen suchte. Freilich zeigte sich, dass der Anrufer nur so ungefähr hatte schätzen können. Statt der geschilderten circa 15 Tiere waren es am Ende exakt 25, die in die Transportbehältnisse bugsiert werden mussten. "Wir hoffen, dass wir alle bekommen haben", sagt die Tierheimleiterin. Freilich suchten sie, der ehrenamtliche Tierheimmitarbeiter Elmar Leicht und Praktikant Moritz die Umgebung der Fundstelle noch eine ganze Weile weiter ab. "Wir hoffen zumindest, dass wir alle haben", wiederholt Elke Pohl.
Im Tierheim selbst stellt der ungewöhnlich umfangreiche Zuwachs die Mitarbeiter vor logistische Herausforderungen: Zuerst einmal mussten die Neuankömmlinge untersucht und dann nach Geschlechtern getrennt und für alle entsprechende Bereiche frei gemacht werden. Die räumliche Trennung war schon deswegen nötig, damit nicht noch weiterer Vermehrung bzw. Rangkämpfen Raum gegeben war. Etliche, wenn nicht alle der insgesamt elf Weibchen dürften trächtig sein, schätzt Pohl. Ein Weibchen hat bereits dreiköpfigen Nachwuchs bekommen. "Zwischen zwei und etwa vier sind nach etwa zwei Monaten Trächtigkeit die Norm", erklärt Ayleen Jesse vom Kleintierbereich. Nachdem drei erwachsene Tiere eingegangen sind, handelt es sich im Moment zwar wieder "nur" noch um 25 zusätzliche Meerschweinchen. Deren Zahl wird aber gewiss weiter steigen.
Weil sich Tierheime untereinander helfen, hatte Bamberg vor kurzem elf Ratten aus Lohr am Main übernommen. Jetzt nimmt man im Gegenzug Meerschweinchen aus Bamberg. Coburg hat sechs Plätze zugesagt, Lichtenfels und Feucht sind ebenfalls kontaktiert. Denn mit seinen bisherigen 40 Gästen im Kleintierbereich und den 25 Meerschweinchen aus dem Wald ist dieser Bereich "absolut ausgereizt", so Leiterin Pohl.
Überforderung?
Als eine mögliche Ursache für das grausame Verhalten des Besitzers der Fund-Meerschweinchen vermutet sie mögliche Überforderung. Was die Sache freilich nicht entschuldigt. Natürlich hat der Tierschutzverein Bamberg und Umgebung in der Zwischenzeit auch Anzeige erstattet.
Die Wenigsten dürften indes wissen, dass es sich beim Aussetzen eines Tieres um eine so genannte Ordnungswidrigkeit handelt, erklärt Elke Pohl. "Darauf steht eine Strafe von bis zu 25 000 Euro", konkretisiert sie. Wer möglicherweise Hinweise geben kann, wird gebeten, sie dem Tierheim mitzuteilen: Telefon 0951/700 927-0.
Im Übrigen hat Elke Pohl eine Wut auf solche Leute, die ihr Tier aussetzen und in Kauf nehmen, dass es qualvoll umkommt. "Ins Tierheim bringen kostet doch nichts und ist für alle Beteiligte da die sinnvolle Lösung."