Wozu braucht man eigentlich Physik?

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Florian Treisch (links) und Walter Rohkrämer unterrichten Physik am Jack-Steinberger-Gymnasium Bad Kissingen. Foto: Benedikt Borst
Florian Treisch (links) und Walter Rohkrämer unterrichten Physik am Jack-Steinberger-Gymnasium Bad Kissingen. Foto: Benedikt Borst

klar.text fragt Lehrer, warum sich Schüler mit manchen Fächern oder Lernstoffen beschäftigen müssen. Heute erklären Florian Treisch (links) und Walter Rohkrämer vom Jack-Steinberger-Gymnasium Bad Kissingen, warum es Einstein braucht, um sich mit einem Navi nicht zu verfahren.

Die überraschendste Antwort gibt Walter Rohkrämer gleich zu Beginn: "Natürlich kann man auch ohne Physik glücklich werden. Man muss auch nicht das Gesetz von Ohm können, um durchs Leben zu kommen", meint der erfahrene Physik-Fachbetreuer des Bad Kissinger Gymnasiums.

Jeder Mensch hat unterschiedliche Begabungen, mit denen er sich für andere Berufe eignet. "Es braucht natürlich auch Menschen, die wissen, wie man eine gute Fernsehsendung macht.
Auch wir Physiker möchten uns zuhause unterhalten lassen." Er lächelt spitzbübisch.

Trotzdem kann eine physikalische Grundbildung nicht schaden. "Schon alleine, um an gesellschaftlichen Diskursen teilnehmen zu können", sagt Florian Treisch, der seit sechs Jahren an der Schule unterrichtet.

Beispiel Kernphysik: Wie funktioniert ein Atomkraftwerk? Wie kommt Strom vom Uran-Brennstab in die Steckdose? Warum kann Atomenergie gefährlich sein und was ist in Fukushima passiert?

"Wir sind eine technische Gesellschaft. Darauf müssen wir die Schüler vorbereiten." Junge Menschen können zwar mit moderner Technik, etwa ihren Smartphones, umgehen. Sie wissen aber nicht, wie sie funktioniert. "Für sie ist ihr Handy wie eine Blackbox."

Physik erklärt die Welt
Okay, etwas technisches Grundverständnis ist schön und gut. Das alleine wird einen naturwissenschaftlich Uninteressierten wenig trösten, wenn er an Sir Isaac Newtons Bewegungsgesetzen verzweifelt. "Physikalische Theorien sind Kulturgüter", sagt Treisch. Sie gehören zur menschlichen Geschichte und prägen unser Weltbild ganz massiv.

Ohne Galileo Galilei würden wir schließlich heute noch denken, die Welt sei eine Scheibe. "Wir wollen ja nicht auf dem Wissensstand des Mittelalters bleiben", merkt Rohkrämer an. Von Galilei führt der Lehrplan im Lauf des Schullebens zu Newton und seinem Apfel und endet bei Albert Einstein und dessen Relativitätstheorie.

Komplexe und abstrakte Themen sind im Normalfall für die Schüler nicht abschreckend, solange sie von den Lehrkräften gut illustriert werden. Der Unterricht muss sich am Können der Schüler orientieren. Treisch: "Da müssen wir die Schüler abholen." Das findet auch der erfahrene Kollege Rohkrämer: "Wir dürfen nicht über die Köpfe der Schüler hinwegreden."

Einstein fährt als Navigator mit
Wie vermittelt man komplexe Sachverhalte spannend und anschaulich? Um bei Albert Einstein zu bleiben: Was hat ein Zwillingspaar, ein Raketenflug durchs Weltall und moderne GPS-Navigationstechnik miteinander zu tun? "Die GPS-Technik wurde vom amerikanischen Militär entwickelt", sagt Rohkrämer. Die Wissenschaftler schickten Satelliten ins All, bauten Ortungsgeräte und programmierten die Software. Später stellten sie fest, dass ihre Navigationsgeräte zu ungenau waren. Berechnung und Realität stimmten um Kilometer nicht überein.

"Sie hatten den Effekt der Zeitdehnung nicht berücksichtigt", sagt Rohkrämer. Den hatte Einstein beschrieben. Laienhaft ausgedrückt heißt das, dass Zeit unterschiedlich lange dauern kann. Das hängt von Bezugspunkten ab.

Die Physiklehrer geben ein Beispiel: Angenommen ein Zwilling bleibt auf der Erde und sein Bruder fliegt mit einer Rakete durchs All. Drückt man auf der Erde und in der Rakete gleichzeitig eine Stoppuhr, merkt man, dass auf der Erde mehr Zeit vergangen ist.

Im Flug wird die Zeit gedehnt. Sie dauert länger. Der Effekt betrifft auch die GPS-Ortung, bei der die Signale mit hoher Geschwindigkeit zu den Satelliten gefunkt werden. Sie sind aufgrund der Zeitdehnung "langsamer" als berechnet. Deshalb funktionierten die ersten Navis nicht.

Der Physik-Unterricht am Gymnasium besteht natürlich zu einem großen Teil aus Fachwissen. Aber eben nicht nur: "Wir schulen Kompetenzen", sagt Treisch. Die Schüler lernen, Erscheinungen und Phänomene zu beschreiben. Sie planen eigene Versuche, führen sie durch und müssen sie anschließend interpretieren.

"Das schult das logische und strategische Denken", erklärt Rohkrämer. Die Schüler sollen lernen, richtig zu argumentieren und Sachverhalte kritisch zu hinterfragen. Am Ende des Physik-Abiturs steht im Idealfall ein junger, mündiger Bürger. "Das ist doch das, was man später im Leben braucht."

Eine weitere Lektion fürs Leben lässt sich noch aus dem Physik-Unterricht ziehen. "Durchhaltevermögen und Arbeitsmoral", wird sie von Rohkrämer genannt. Wenn Schüler nicht von vornherein abblocken, ist nichts verloren. Treisch macht naturwissenschaftlich Unbegabteren Mut. "Mit Fleiß kannst du auch in Physik was reißen."


Was wird wann gelehrt?
7. Klasse Kräfte in Natur und Technik, Strom und Optik stehen auf dem Lehrplan.

8. Klasse Hier geht es um Energie und Energieerhaltung.

9. Klasse Thema ist Physik als Grundlage moderner Technik.

10. Klasse Physikalische Weltbilder werden behandelt.

11. Klasse Elektrische Felder oder Biophysik sind Lehrstoff.

12. Klasse Es kann zwischen Quanten- oder Astrophysik gewählt werden.