Schmuddelwetter beflügelt Oberleichtersbach

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Hir wird scharf geschossen, und zwar von Florian Heier von der SG Oberleichtersbach/Modlos im Spiel gegen die mit 1:2 unterlegene SG Hendungen.Sebastian Schmitt
Hir wird scharf geschossen, und zwar von Florian Heier von der SG Oberleichtersbach/Modlos im Spiel gegen die mit 1:2 unterlegene SG Hendungen.Sebastian Schmitt

Die Spielgemeinschaft überspringt mit der SG Hendungen auch die zweite Relegationshürde im Aufstiegsrennen mit ganz viel Schwung und Offensivpower.

SG Hendungen - SG Oberleichtersbach/Modlos 1:2 (1:1). Tore: 0:1 Simon Wittmann (2.), 1:1 Alexander Sopp (28.), 1:2 Florian Friebel (55.).

Am Sonntag trifft die SG Oberleichtersbach/Modlos in Hammelburg im alles entscheidenden Spiel auf den FC Poppenlauer. Ab 18 Uhr wird der einzige freie Platz in der Kreisklasse ausgespielt. "Bei Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen spielen wir gar nicht so gerne. Rhöner Schmuddelwetter liegt uns schon viel eher. Da machen wir immer unsere besten Spiele", sagt der Oberleichtersbacher Coach Stefan Brustmann. Und Brustmann hat ganz offensichtlich einen super Draht zum Wettergott, denn Mitte der ersten Halbzeit öffnete der Himmel über Bischofsheim an der Rhön erbarmungslos seine Schleusen. Es regnete nicht, es schüttete nach Herzenslust. Die offiziell 640 zahlenden Zuschauer flüchteten sich teilweise ins Sportheim, manche unter Bäume, andere gar in ihre Autos. Selbst wer vorsorglich einen Schirm dabei hatte, musste angesichts der Wassermassen bisweilen kapitulieren und den Rückzug antreten.


Ein furioser Start

Doch schon bei (noch) strahlendem Sonnenschein hatten die Oberleichtersbacher furios begonnen. Routinier Simon Wittmann erlief sich einen eigentlich viel zu lang geratenen Steilpass und schob den Ball ganz abgezockt am verdutzten Keeper Alexander Schöppach vorbei ins Netz zur frühen Führung der SGO. Was für ein Blitzstart. Die Violetten aus Hendungen und Sondheim waren mit ihren Gedanken da noch in der Kabine. "Doch die SG Hendungen ist nur ganz schwer auszurechnen, denn in der Offensive kann fast jeder Spieler zuschlagen", wusste Brustmannn, und er sollte völlig Recht behalten. Nach acht Minuten hätte Steffen Scholz den Ausgleich machen müssen, doch sein Schuss aus Nahdistanz strich knapp über die Querlatte. Das war überhaupt ein großes Manko der Hendunger in diesem Match: Die strammen Scholz-Schüsse und die brandgefährlichen Abschlüsse von Nico Reußenzehn waren allesamt deutlich zu hoch angesetzt. Trotzdem ließ der verdiente Ausgleich der Hendunger nicht lange auf sich warten. Nach einer scharf hereingegebenen Flanke von Michael Kürschner tief in den Oberleichtersbacher Strafraum schnappte sich Alexander Sopp einen Abpraller und schoss unhaltbar ein.


Schon oft sind sich die beiden offensiv eingestellten Teams in der Saisonvorbereitung begegnet, denn der heutige Abteilungsleiter bei der SG Hendungen, Tobias Hahn, stammt ursprünglich aus Modlos. Insofern kennt man sich, man schätzt sich sehr, aber man schenkt sich nichts. Irgendwie wurde man das Gefühl im ersten Durchgang allerdings nicht los, dass sich beide Mannschaften fast auswendig kennen, denn die Teams neutralisierten sich über weite Strecken. SG-Goalgetter Florian Friebel wurde von den Hendungern zunächst völlig aus dem Spiel genommen, was sich aber nach dem Kabinengang ändern sollte. Nur wenige Sekunden nach Wiederanpfiff erzielte der hoch gewachsene Dauerläufer Friebel per Kopf einen sehenswerten Treffer, den der Unparteiische Wolfgang Hellert allerdings nicht anerkannte, weil der Linienrichter die Fahne gehoben hatte. Das war ein unglückliches Missverständnis, denn Friebel selbst stand überhaupt nicht im Abseits, sondern nur die Oberleichtersbacher Außenstürmer an den Seitenlinien, die aber gar nicht ins Spiel eingreifen konnten, weil der hohe Ball zentral in den Strafraum kam. Die Proteste der SGO hielten sich in Grenzen, denn nun fanden die Oberleichtersbacher und Modloser auf klitschnassem Geläuf endlich zu ihrem gefürchteten Konterspiel. Joschka Eberlein und Florian Friebel wirbelten die Hendunger Defensive durcheinander. Es folgten dicke Chancen (Lattentreffer, 48.) und ein echtes Powerplay der Gelb-Blauen, wobei Friebel teilweise nur um Zentimeter am Spielgerät vorbei rutschte.

Die erneute Führung der SGO ging dann allerdings voll auf die Kappe des Hendunger Keepers Alexander Schöppach, dem das Leder nach einer Ecke der Oberleichtersbacher im Fünf-Meter-Raum gleich zweimal aus den Fingern flutschte. Im dichten Getümmel behielt nur einer den Überblick: Florian Friebel. Er drückte das in der Luft kurios schlingernde Spielgerät aus kürzester Distanz in die Maschen. Jetzt wachten die zahlreichen Oberleichtersbacher Anhänger so richtig auf ("Hier regiert der SGO") und machten ordentlich Krawall. SGO-Coach Brustmann reagierte auf die neue Ausgangslage und brachte mit Julian Enders und Moritz Leitsch zwei frische Kräfte, die das druckvolle Spiel der Dreistelz-Kicker ankurbelten. Doch obwohl die Oberleichterbacher eine Angriffswelle nach der anderen anschoben, das entscheidende dritte Tor wollte einfach nicht fallen. Bei den Violetten aus Hendungen schwanden zusehends die Kräfte, sodass die eigenen Entlastungsangriffe allesamt völlig unkonzentriert mit teilweise haarsträubenden Torschüssen in die Regen-Wolken im Sande verliefen.


Der 26-Tore-Mann verzweifelt

"Wir haben es von Anfang an gut gemacht und die offensivstarken Hendunger nicht so richtig zur Entfaltung kommen lassen", sagte Coach Brustmann hernach. In der Tat verzweifelten der 26-Tore-Mann Nico Reußenzehn, der 23-Tore-Mann Noah Stock sowie der 15-Tore-Mann Steffen Scholz zuweilen, weil immer ein Oberleichtersbacher Bein präzise in die zu weit vorgelegten Bälle grätschte. "Unser Gegner hat in dieser Saison fast 100 Tore geschossen, wir wussten also, auf was wir uns da einstellen mussten", so Brustmann, der wie immer mit viel Geduld und Gelassenheit die Fäden an der Seitenlinie gezogen hatte.

Hendungen Schöppach, Kürschner, Sopp, Seibt, Roos, L. Hess, Stock, K. Hess, Scholz, N. Reußenzehn, M. Reußenzehn. Eingewechselt Schmidt.
Oberleichtersbach/Modlos Müller - Geppert, Schmitt, Heier, Schottdorf - Enders Y., Wittmann, Lormehs, Leitsch J., - Eberlein, Friebel. Eingewechselt: Enders J., Leitsch M., Klug.
Zuschauer 640 (in Bischofsheim).
Schiedsrichter Wolfgang Hellert (Lindach).

KOMMENTAR
Mehr als nur fragwürdig war das Auftreten einiger weniger Hendunger "Fans". Warum nimmt man es eigentlich immer noch billigend in Kauf, dass Spieler von Zuschauern mit homophobem Gegröle ("Du schwule S..") beleidigt und dunkelhäutige Kinder mit fremdenfeindlichen Sprüchen ("Allahu Akbar") erniedrigt werden? Satte 90 Minuten lang hat die fragwürdige kleine Splitter-Gruppe der Hendunger Anhänger ganz gezielt, ununterbrochen und unüberhörbar einen Oberleichtersbacher Spieler mit "schwul" angebrüllt. Dass er am Ende dann in den Gesängen der "Fans" plötzlich zur "Frau" wurde, machte das entwürdigende Spektakel auch nicht viel komischer. Dass weder Ordner noch Schiedsrichtergespann noch gemäßigte Fans auf die andauernden persönlichen Verbal-Angriffe Einfluss nahmen, um diese zu beenden, mag der Tatsache geschuldet sein, dass die Splitter-Gruppe fraglos alkoholisiert wirkte und man daher eine körperliche Eskalation und eventuelle Gewaltausbrüche vermeiden wollte. Angst ist nicht immer ein guter Ratgeber. Vor dem betroffenen Spieler allerdings kann man nur respektvoll den Hut ziehen: Er ertrug die peinlichen Entgleisungen ohne erkennbaren Zorn und konzentrierte sich voll und ganz auf das sportliche Geschehen. Im Amateursport hat Homophobie und Fremdenfeindlichkeit ganz sicher nichts verloren.