Für Matthias Kessler ist der TSV Wollbach eine Herzensangelegenheit. Eigentlich wollte der 36-Jährige kürzer treten, aber der Ehrgeiz ist ungebrochen groß.
18 Jahre musste Matthias Kessler auf seine zweite Meisterschaft mit dem TSV Wollbach warten. 18 Jahre, in denen der 36-Jährige alle Höhen und Tiefen in seinem Heimatverein durchlebt hat. Damit ist der verheiratete Vater eines Sohnes der ideale Interview-Partner, um den aktuellen Erfolg einzuordnen.
Mit welchem Spieler im Profibereich würdest Du Dich vergleichen?
Mit Paolo Maldini. Der hat 25 Jahre für den AC Mailand gespielt und seinem Verein über all die Jahre die Treue gehalten. Bei mir sind es jetzt 18 Jahre im Herren-Bereich. Was das Kämpferische und den Ehrgeiz betrifft, ist vielleicht der Philipp Lahm ein ähnlicher Typ.
Und wessen Talent hättest Du gerne?
Im Profibereich bewundere ich die Mittelfeldspieler, die ein Spiel aufbauen und ein Spiel dirigieren können. Wie ein Thiago vom FC Bayern.
Ich selbst bin ja defensiver Mittelfeldspieler, und ein Spiel zu lesen, ist sicher nicht meine Stärke.
Fragt man Fans und Mitspieler, wirst Du als unermüdlicher Kämpfer bezeichnet. Wie behält man nach so vielen Jahren eine gewisse Grund-Aggressivität? Tatsächlich fällt es mir schwer, mich Spiel für Spiel zu motivieren nach all den Jahren. Wenn aber die jüngeren Mitspieler mitziehen, motiviert mich das. Dann kann ich die Truppe auch nicht im Stich lassen. Vor der Saison wollte ich eigentlich kürzer treten, allenfalls aushelfen, das war auch so mit dem Trainer besprochen. Die jungen Spieler sollten ruhig voran gehen. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich zu ehrgeizig bin. Ich bin keiner für halbe Sachen. Also habe ich wieder komplett mitgezogen.
Und klar, wenn der Erfolg da ist, motiviert man sich leichter.
Was sind Deine größten sportlichen Erfolge?
Im Seniorenbereich zwei Meisterschaften. Die erste mit 18 Jahren unter Dominik Schönhöfer und jetzt mit 36 Jahren. Abgesehen davon die fünf Jahre in der Bezirksliga, die ich unheimlich genossen habe. Da hat man gesehen, was unser Verein leisten kann. Wir hatten bis auf drei vier Spieler nur einheimische Kicker.
Jetzt bist Du im Herbst Deiner Karriere. Was machst Du nach Deiner aktiven Zeit? Trainer wie Dom Schönhöfer?
Ich habe mich in die Vorstandschaft wählen lassen und bin für die Liegenschaften verantwortlich. Nach der Karriere wird der Schwerpunkt darin liegen, weiter dem Verein zu dienen. Sportlich werde ich vielleicht mal in der Reserve aushelfen oder bei den Alten Herren kicken, die freuen sich auch über jeden Spieler.
Eine Trainerlaufbahn ist jedenfalls nicht geplant.
Welche Qualitäten musst Du als Mit-Vorstand einbringen?
Man sollte immer erreichbar sein. Ich habe das Glück, dass ich mit Detlef Reitelbach jemanden an der Seite habe, der mich mit Rat und Tat unterstützt und der das jahrelang mit Unterstützung seines Sohnes sehr gut gemacht hat. Das alles ist nicht selbstverständlich. Nicht umsonst liegt unser Sportgelände so gut da. Meine Aufgabe ist es, das alles zu erhalten. Und ich versuche das bestmöglichst zu machen.
Es heißt, Du wärst nie verletzt. Warst Du doch mal verletzt? Und was ist Dein Geheimnis?
Es gab schon einige Wehwehchen, Aber nie eines, was mich länger außer Gefecht gesetzt hat. Und wenn ich was hatte, habe ich es für mich behalten.
Der Dominik Schönhöfer hat immer gesagt, das läuft sich schon raus.
Euer Trainer Thorsten Ziegler ist HSV-Fan. Was fällt Dir dazu ein?
Es sollte nicht jeder Bayern- oder Dortmund-Fan sein. Er weiß es ja, dass sein Verein seit Jahren gegen den Abstieg kämpft. Da finde ich es toll, dass er zu seinem Verein auch in schweren Zeiten steht.
Deine Brüder Carsten und Oliver leben beide in der Schweiz. Inwieweit sind die noch auf dem Laufenden, was bei ihrem Heimatverein passiert?Beide haben das Fußballspielen vor einigen Jahren aufgehört, verfolgen aber über Zeitung und Internet, was beim TSV Wollbach so abläuft. Als der Titelgewinn feststand, haben auch beide angerufen und gratuliert.
Heimatverein.
Was bedeutet das für Dich?
Ich bin in Wollbach aufgewachsen, habe beim TSV schon in der Jugend gespielt. Mein Vater hat gekickt, mein Großvater war Gründungsmitglied. Für mich gibt es nichts anderes. Die Verbundenheit zum Verein ist in die Wiege gelegt.
Jetzt also wieder Kreisliga mit dem TSV Wollbach. Bei Eurem Abstieg vor einigen Jahren wart Ihr hoffnungslos chancenlos.Die Abstiegs-Saison damals ging einher mit einem Umbruch samt Verjüngung in der Mannschaft. Da wurde im Umfeld vielleicht auch zu viel Druck aufgebaut. Aber die Jungen sind jetzt älter und damit reifer geworden, vor allem mit der Meisterschaft im Rücken. Die werden schon wissen, wie man in der Kreisliga bestehen. Und wenn sie es nicht wissen, haben sie einen sehr guten Trainer, der ihnen entsprechend alles sagen wird.
Und ich bin ja auch noch da.
Viele Vereine in der Umgebung können nur durch Spielgemeinschaften überleben. Ihr habt sogar zwei Teams im Spielbetrieb - wie schafft man das?Das liegt am Verein, aber auch an der Vereinsführung. Der Verein macht sehr viel für die Mitglieder. Hier fühlt man sich einfach richtig wohl. Unser Verein kann wirklich jedem was bieten. Wer Sport treiben will, ist beim TSV Wollbach bestens aufgehoben.
Du hattest auch höherklassige Angebote. Sogar vom TSV Großbardorf vor gut zehn Jahren. Warum hast Du abgelehnt?Für mich war das erstmal erfreulich. Und ich war stolz, ein solches Angebot zu bekommen. Ich habe mir das gut überlegt, habe mich damals auch mit meinem Trainer Dominik Schönhöfer ausgetauscht, der übrigens jede Entscheidung unterstützt und akzeptiert hätte.
Abgelehnt habe ich, weil mein Bruder Oliver, der in der Jugend für den FC 05 Schweinfurt kickte, von der DJK Waldberg zurückkam und Carsten nach einer Verletzung wieder mit Fußball angefangen hatte. Die Aussicht, dass die drei Kessler-Brüder erstmals gemeinsam für den TSV Wollbach auflaufen, hat mich zu sehr gereizt. Außerdem hatte früher schon mein Vater mit seinen Brüdern beim TSV gespielt. Diese Tradition konnten wir damit wieder aufleben lassen.
Innerhalb der Mannschaft bist Du der "Endgegner", an dem niemand vorbei kommt. Was hat es denn damit auf sich?Ich bin schon ein zweikampfstarker Spieler, der beim Ballverlust gleich wieder nachsetzt. Der Begriff "Endgegner" stammt aus einem Computerspiel. Und wurde benutzt von einem Fan, der mir nach einem Spiel gratulierte und zu mir sagte, dass ich der Endgegner sei. Die Mannschaft stand daneben, und seitdem bin ich der Endgegner.
Aufhören, wenn es am schönsten ist?
Das sagt man so. Und der Zeitpunkt könnte ja nicht besser sein. Aber ich tue mir da einfach schwer.