Geschwärmt hat Edo Günther nicht. Doch im Gespräch über die "tolle Entwicklung" des ehemaligen US-Übungsplatzes war der Ortsvorsitzende des BN nahe dran.
Seit April 2016 ist der ehemalige US-Truppenübungsplatz im Norden der Stadt
Schweinfurt Nationales Naturerbe - und mit über 1250 Hektar die größte Naturerbe-Fläche in Bayern. Auf den zumeist vormals militärisch genutzten Gebieten des Naturerbes (bundesweit 156 000 Hektar) soll die biologische Vielfalt gesichert und eine eigenständige Dynamik die Entwicklung der Flächen bestimmen. Die Trägerschaft für den Brönnhof hat die Eigentümergemeinschaft (99 Prozent Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, jeweils ein halbes Prozent Hospitalstiftung Schweinfurt und Schweinfurter Waldschutzgemeinschaft) übernommen: Ein Novum, denn zumeist sind für die Naturerbeflächen Trägervereine neu gegründet worden.
Mit dem Bund Naturschutz Bayern (BN) hatte sich die Redaktion jetzt einen sowohl kompetenten, unabhängigen als auch am Projekt beteiligten Gesprächspartner gesucht. Besuche auf dem Brönnhof, etwa beim Schäfer oder mit Gerold Ort, der Teilflächen durch Wildpferde und Rinder beweiden lässt, hatten bislang gezeigt, dass das federführende Bundesforst Reußenberg (Hammelburg) die naturnahe Entwicklung nach Kräften fördert. "Es gibt nichts, was wir komplett anders machen würden. Die Arbeit des Bundesforsts ist stimmig. Der zuständige Förster Mattias Enslein lebt den Auftrag der naturnahen Gestaltung", sagt Edo Günther. Nicht nur der Grundsatz, der Natur ein Terrain zurückzugeben, sei gut, auch die Handhabung passe, urteilt der Schweinfurter Ortsvorsitzende des größten bayerischen Natur- und Umweltschutzverband (228.000 Mitglieder): "Die Entwicklung des Brönnhof ist eine tolle Sache und eine tolle Geschichte."
Kritik kommt nur an der Schnelligkeit der Umsetzung auf. Unter der Leitung des Bundesforstamtes seien gute Projektgruppen entstanden, Behörden und Umweltverbände beteiligt, Programme in Arbeit und Konzepte im Entstehen. All dies brauche seine Zeit. Das Reagieren auf aktuelle Situationen bleibe dabei zu oft außen vor, sagt Günther. Als Beispiel nennt er das Besucherlenkungskonzept. Dieses werde irgendwann stehen, werde dann wohl bestens durchdacht sein, doch die Besucher seien jetzt schon da, würden ihre Autos irgendwo abstellen, seien auf dem Gelände alleingelassen. Parkplatz oder Parkplätze seien jetzt nötig, wolle man das wilde Parken nicht zur Gewohnheit werden lassen.
Dezent beschilderte Lehrpfade
Dezent beschilderte Lehrpfade - möglicherweise auch mit QR-Codes - zu verschiedenen Themen könnten schon heute den Besuchern die Wildnis näherbringen. Steuern und regeln sei sofort und nicht irgendwann angesagt. Eine Bestandsaufnahme in Flora und Fauna sei bereits vorhanden.
Für Edo Günther ist der Bundesforst die richtige Wahl. Dieser stelle den Naturschutz in den Vordergrund, der beim Staatsforst, den kommunalen Wäldern und im Privatwald zumeist weit hinter der Bewirtschaftung rangiere. Und so setzt der Vorsitzende des Natur- und Umweltschutzverbandes auch auf ein Umweltbildungskonzept für den "singulären Lebensraum für sehr viele, auch geschützte Arten". Der Brönnhof biete Spaziergängern, Wanderern und Fahrradfahrern Möglichkeiten zum Naturerleben, lasse Aussichten genießen und seltene Landschaftsbilder erfahren.
300 Hektar große Freifläche
Der Historie geschuldet ist die etwa 300 Hektar große Freifläche, die einst dem Wald abgerungen wurde. Dieses von den Menschen geschaffene weite Land sei schon durch seine ganz eigene Entwicklung besonders erhaltenswert, so Günther. Mit der Beweidung durch Wildpferde (Koniks), robuste Angusrinder, durch Schafe und Ziegen, sowie durch das Mähen (Winterfutter für die Tiere auf dem Brönnhof) werde die freie Fläche derzeit bestens geschützt. Edo Günther: "Toll, wirklich eine tolle Sache."
Von den einst 2400 Hektar des Übungsplatzes sind rund 1000 Hektar an die Eigentümer (Privatwald, Kommunalwald) zurückgegeben. Bei den verbleibenden 1000 Hektar Wald sind die Waldungen, in denen die Buche als natürlicher Bewuchs dominiert, sich selbst überlassen. Bestände mit übermäßig viel Nadelholz werden umgebaut, bis auch diese aus der Bewirtschaftung genommen werden. Unter Schutz steht der mehrfach anzutreffende Eichen-Hainbuchenwald. Hier unterdrückt der Bundesforst die nachdrängenden jungen Buchen.
Für die an das Naturerbe grenzenden Wälder wünscht sich der Bund Natur- und Umweltschutz einen sanften Übergang, also eine naturnahe Waldbewirtschaftung. Das Naturschutzgebiet solle nicht am Schlagbaum enden und auf die Nachbarflächen ausstrahlen können, so Edo Günther, der sich eine Erweiterung des Naturerbes auf 2000 Hektar wünscht, der ein Stadtbusangebot zum Besuch des Geländes anregt, der die jetzige Bejagung als gutes Wildtiermanagement einstuft und der Solarkraftanlagen auf den versiegelten Flächen begrüßen würde.
Gerd Landgraf