Zum EU-Beitritt von Kroatien am Montag, 1. Juli, haben wir mit Dominik Kesina (Nüdlingen) und Ilija Lovric (Bad Kissingen) über ihre Heimat und ihre Erwartungen an die EU geredet. Letztere sind trotz der derzeitigen Krise hoch.
Dominik Kesina hat sich schon immer als Europäer gefühlt. Und während in der großen Europa-Politik seit Jahren von nichts anderem als der Dauer-Krise die Rede ist, in Großbritannien laut über einen EU-Austritt nachgedacht wird und sich in Deutschland eine Partei gegründet hat, die den Euro abschaffen will, freut sich Nüdlingens Pfarrer auf den heutigen Tag. Jetzt darf nämlich sein Heimatland der Europäischen Union (EU) beitreten. "Wir Kroaten waren immer westlich orientiert. Mit dem EU-Beitritt wird das auch offiziell anerkannt", ist Kesina stolz.
Obwohl Kroatien von 1945 bis 1990 Teil des sozialistischen Jugoslawiens war und erst seit 1991 als selbstständiger Staat anerkannt ist, fühlen sich viele von Kesinas Landsleuten kulturell dem Westen verbunden. Kesina hat dafür ein historisches Beispiel parat: "Kroatien wurde im 7. Jahrhundert christianisiert. Schon damals gab es Beziehungen in den Westen." Viele Studenten im Mittelalter seien vor allem nach Wien und Prag an die Universitäten gegangen.
Blick in Richtung EU Der Blick in Richtung Europa gehört gerade zur jüngeren Geschichte, findet Ilija Lovric. Der 58-Jährige hat drei Jahrzehnte lang das Restaurant Zagreb in der Schönbornstraße in Bad Kissingen betrieben: "Deutschland mit Hans-Dietrich Genscher war das erste Land, das Kroatien als unabhängigen Staat anerkannt hat." Damit hat Deutschland sich in Kroatien viel Sympathien erworben.
Am 1. Juli schauen die Kroaten mit viel Wohlwollen, großer Hoffnung und hohen Erwartungen nach Europa. "Gerade wenn ich mit Jüngeren rede, sind alle für den EU-Beitritt", sagt Lovric. Ihn wundert das nicht. Die Stimmung hatte sich so schon im Januar letzten Jahres ausgedrückt, als rund 68 Prozent aller Wahlberechtigten in einem Referendum über die EU-Mitgliedschaft mit Ja stimmten. Die Menschen hoffen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung durch den Beitritt, auf frische Investitionen, auf neu geschaffene Arbeitsplätze. Irgendwo im Hinterkopf steckt dennoch die Furcht, dass die Erwartungen zu hoch fliegen und von der EU nicht erfüllt werden. "Ich hoffe, dass sich viel bewegt, und dass es vorwärts geht", wünscht sich der ehemalige Gastwirt, der jetzt als Barmann im Spielbank-Restaurant arbeitet.
Hoffnung auf wirtschaftliche Impulse Pfarrer Kesina hofft, dass sich Krisen wie in Griechenland oder Spanien nicht in seiner alten Heimat wiederholen. Neue wirtschaftliche Impulse hält er für wichtig. "Wir hoffen auf eine bessere Zeit in der EU", sagt er. Trotz aller Erwartungen, die durch die Mitgliedschaft geweckt werden, wünscht sich Kesina, dass sich Kroatien nicht nur in ökonomischer Hinsicht entwickelt. Die geistige Komponente dürfe nicht vernachlässigt werden. "Kroatien soll auch in der EU Kroatien bleiben", fordert er. Dazu gehöre, dass das Land seine ureigenen Werte nicht vernachlässigt. Also die tiefe Verwurzelung im christlichen Glauben oder der große Familien- und Gemeinschaftssinn. "Die Leute unterstützen sich gegenseitig, ungeachtet der Ethnien. Wir pflegen eine gute Gemeinschaft, vor allem auf dem Land."
Trotz kleiner Zweifel wird die Reise in die EU für Kesina persönlich nicht in einer Enttäuschung enden; das versichert er. Zu groß ist sein Vertrauen in das Projekt Europa. Dafür sorgen die persönlichen Erfahrungen: "Ich fühle mich in Deutschland sehr wohl. Menschlich ist das einmalig hier", sagt er. Bei Ilija Lovric klingt das ähnlich: "Die Garitzer lieben mich heute noch und ich liebe sie. Deutschland ist für mich zur Heimat geworden Ich könnte hier nie weggehen." Kroatien ist längst in der EU angekommen.