Kissinger Gymnasium spielt Szenen aus Stasi-Akten

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Die Tramper Mona Lauter und Adeliya Sagitova (von links) werden von den Stasi-Leuten Sarah Keuner und Xenia Simon bespitzelt. Fotos: Benedikt Borst.
Die Tramper Mona Lauter und Adeliya Sagitova (von links) werden von den Stasi-Leuten Sarah Keuner und Xenia Simon bespitzelt. Fotos: Benedikt Borst.
Aus der Ausstellung: Lange Haare, Rockmusik, halblegale Konzerte: Diese Art der Jugendkultur war der Stasi ein Dorn im Auge.
Aus der Ausstellung: Lange Haare, Rockmusik, halblegale Konzerte: Diese Art der Jugendkultur war der Stasi ein Dorn im Auge.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Bei einem Projekttag im Jack-Steinberger-Gymnasium in Bad Kissingen zur ehemaligen DDR setzen sich die Schüler kritisch mit der Diktatur auseinander: Sie spielen Szenen aus Stasi-Akten nach.

Anne ist ein normales Mädchen mit einer harmlosen Vorliebe für Blues-Rock. Sie besucht die zehnte Klasse an irgendeiner durchschnittlichen Schule, in irgendeinem kleinen Städtchen, irgendwo in der Deutschen Demokratischen Republik. Und sie steht im Fokus der Staatssicherheit. Warum?

"Sie gehört zur jugendlichen Tramper-Szene der 70 er Jahre", erklärt Anke Drößiger.
Die Sachbearbeiterin bei der Stasi-Unterlagenbehörde in Erfurt begleitet zwei Projekttage zum Thema DDR-Diktatur, die gestern und heute am Jack-Steinberger-Gymnasium stattfinden.

Der Fall um die Schülerin Anne beruht auf echten Stasi-Akten. Drößiger und ihre Kollegen haben drei Fälle aus den Dokumenten ausgearbeitet und in kurzen Theaterstücken umgesetzt, mit denen die Behörde an Schulen über die DDR-Diktatur aufklärt. Das findet Sozialkunde-Lehrer Rudolf Walter, der die Projekttage organisiert hat, wichtig. "Vom Lehrplan her wissen die Schüler sehr viel über das Dritte Reich. Das Wissen über die zweite deutsche Diktatur ist viel weniger ausgeprägt", kritisiert er.

Wie arbeitete die Stasi?

Deshalb gibt Drößiger in einem Vortrag einen Einblick darüber, wie es ist, in einer Diktatur zu leben. Wie arbeitete die Stasi als Geheimdienst? Mit welchen psychologischen Tricks wurden inoffizielle Mitarbeiter als Spitzel angeworben und unter Druck gesetzt? Wie ging es in Stasi-Gefängnissen zu? Parallel wird im Rahmen der Projekttage eine Ausstellung über das Leben in der DDR gezeigt. "Wer die Stasi verstehen will, muss die DDR verstehen", sagt Drößiger.

Schüler der 11. Klasse halten zudem kurze Referate. Vier Schülerinnen aus der 10. Klasse führen Szenen aus dem Stück "Anne in den Fängen der Stasi" auf: "Anne ist gut geeignet, um uns über die Aktivitäten dieser negativen Jugendlichen zu berichten", knurrt dort Stasi-Agent Horch seinem Kollegen Guck (gespielt von Sarah Keuner und Xenia Simon) zu.

Die Jugend hörte Rockmusik und traf sich in der DDR zu halblegalen Konzerten. Um unauffällig zu bleiben, wurden keine öffentlichen Transportmittel genutzt. "Das Trampen war ihre einzige Möglichkeit, um zu den Konzerten zu reisen", sagt Drößiger, die im heutigen Sachsen-Anhalt aufgewachsen ist. Die jungen Leute entzogen sich der staatlichen Kontrolle, was dem SED-Regime missfiel.

"Individualistische Menschen waren dem Staat ein Dorn im Auge." Deshalb versuchte die Stasi, Jugendliche wie Anne aus der Tramper-Szene als Spitzel zu gewinnen, die den Staat dann über sämtliche Aktivitäten informieren und ihre Freunde ans Messer liefern sollten. "Die Stasi versuchte, die Szene von innen heraus zu kontrollieren", erklärt Drößiger. Zumindest Anne (Mona Lauter) wehrt sich: "Ich mach bei euch nicht mehr mit!"