Somit liegt das aktuelle BGH-Urteil zum Stadtblatt Crailsheim, in dem das Gebot der Staatsferne der Medien betont wird, auf dieser Linie der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Klage ist nachvollziehbar
Darüber hinaus weist das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs zu den Grenzen der Zulässigkeit kommunaler Publikationen (hier "Crailsheimer Stadtblatt") Parallelen auf zur Entscheidung "Tagesschau-App".
Im ersten Fall wehrten sich die Verleger der örtlichen Tageszeitung gegen einen Konkurrenten (Crailsheimer Stadtblatt), der durch die öffentliche Hand finanziert wird, der zudem nach ihrer Ansicht von Inhalt, Umfang und Aufmachung her presseähnlich ist und auch noch kostenlos verteilt werden sollte. Dass diese Tageszeitung, die als privatwirtschaftliches Unternehmen Geld erwirtschaften muss, gegen die staatsnahe, steuerfinanzierte Konkurrenz klagte, ist nachvollziehbar. Denn wenn sich die Leser in einer kommunalen, regelmäßig erscheinenden und auch noch kostenfreien Publikation umfassend informieren können, dann mag es naheliegen, das Abo der kostenpflichtigen Tageszeitung abzubestellen.
Im zweiten Fall klagten die Presseverleger gegen das Online-Angebot der Tagesschau (ARD). Um ihrem Rundfunkauftrag nachzukommen und um auch junge "User" zu erreichen, bietet die ARD auch Online-Angebote wie die Tagesschau-App. Diese ist kostenfrei, da sie von den Bürgern schon mit der Rundfunkgebühr finanziert wurde. Die Zeitungsverleger dagegen müssen mit ihrem Angeboten Geld erwirtschaften und können eine App nicht kostenfrei anbieten. So klagten sie gegen die Tagesschau-App vom 15. Juni 2011 mit der Begründung sie sei in unzulässiger Weise presseähnlich und bekamen Recht.
Nachteile für Nutzer
Aus Verlegersicht sind beide Klagen absolut nachvollziehbar! Für die Mediennutzer bringen sie dagegen Nachteile. Im ersten Fall werden die Gemeindeblätter künftig inhaltlich wohl dünner werden und so mancher Bericht aus dem Gemeindeleben abseits der kommunalen Mitteilungen wird nicht mehr dort erscheinen. Im zweiten Fall enthalten die Onlineangebote der ARD nun weniger Text, dafür aber mehr Audiodateien und Videos. Für den Nutzer heißt das, dass das Datenvolumen am Smartphone schnell aufgebraucht ist. Und die Informationsübermittlung per Video verbraucht insgesamt deutlich mehr Strom als ein "stehender Text".
In einer digitalisierten, konvergenten Medienlandschaft, wo die Grenzen zwischen den klassischen Gattungen Print, Radio, TV und Online verschwimmen, ist es wichtig, dass alle Marktteilnehmer reale Chancen haben, mit ihren Geschäftsmodellen gut wirtschaften zu können. Ganz im Dienste einer Meinungs- und Medienvielfalt, die für eine freiheitliche Demokratie unerlässlich ist.
Rund um Professor Kilian Moritz
Privat Kilian Moritz wurde 1965 in Bad Kissingen geboren und wuchs im Burkardrother Gemeindeteil Gefäll als Sohn des ehemaligen Bürgermeisters und Kreisrats Ludwig Moritz auf. Mittlerweile lebt der 53-Jährige mit seiner Frau und den drei Kindern in Theilheim bei Würzburg.
Werdegang Kilian Moritz war 20 Jahre lang ARD-Redakteur, arbeitete beim Bayerischen Rundfunk in Nürnberg und beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt. Seit 2012 unterrichtet er als Professor für Journalismus sowie Medien- und Urheberrecht an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Berufsbegleitend legte er den "Master of Laws" in Medienrecht an der Universität Mainz ab.