Nicht nur Unterfrankens Regierung, auch etliche Bürger hinterfragen, ob ein weiteres Gewerbegebiet im Markt Burkardroth wirklich notwendig ist.
Das Gewerbegebiet am Poppenrother Berg ist nun beschlossene Sache. In seiner Sitzung am Dienstagabend verabschiedete der Marktgemeinderat einen entsprechenden Beschluss. Zudem beauftragte das Gremium das Ingenieurbüro Johannes Hahn damit, die Planungen fortzuführen. Überrascht haben diese Entscheidungen nicht, denn bereits in der Sitzung am 19. Juli zeichnete sich dieses Umschwenken des Gemeinderates ab. Vermutlich war der Protest der Stralsbacher gegen das ursprünglich geplante Industriegebiet einfach zu groß geworden. Dennoch bleiben Fragen.
Schließlich gibt es mehrere Einsprüche von Bürgern, die sich gegen jedwede Form der Bebauung der Fläche aussprechen - und somit auch gegen das nun geplante Gewerbegebiet. Es gebe im Landkreis ausreichend freie Gewerbeflächen in deutlich besserer Lage, so ein häufig genanntes Argument. Doch der Gemeinderat ging in seiner Sitzung am Dienstagabend, in der die rund 30 persönlich verfassten Stellungnahmen öffentlich verlesen wurden, überhaupt nicht auf diese und weitere Erklärungen ein.
Weder Diskussionen noch Fragen
Es gab weder Diskussionen noch Nachfragen. Stattdessen winkten die Mandatsträger sämtliche Antworten auf die Einsprüche der Bürger, die die Verwaltung im Vorfeld verfasst hatte, regelrecht durch. Dabei war bereits in der Gemeinderatssitzung vor zwei Wochen bekannt geworden, dass auch die Regierung von Unterfranken die Pläne, neues gewerbliches Bauland auszuweisen, für fragwürdig hält. Sie hatte in ihrer Stellungnahme zu dem Vorhaben darauf hingewiesen, dass zunächst der örtliche Flächenbedarf sorgfältig zu hinterfragen sei und verfügbare Potenziale der Nachbargemeinden berücksichtigt werden sollen.
Doch im Markt Burkardroth hat das bis jetzt offenbar niemand getan. Zumindest fand keine öffentliche Diskussion dazu statt, weder in der Sitzung am 19. Juli, noch in der am Dienstagabend. Dabei erzeugt allein der Blick in die Kommunen Bad Bocklet, Nüdlingen oder Oberthulba Redebedarf. Denn in den drei Marktgemeinden, die ebenso wie Burkardroth zur Allianz Kissinger Bogen gehören, gibt es bereits seit Jahren Gewerbegebiete mit freien Grundstücken.
Freier Baugrund in Oberthulba
So etwa das Areal "Eckartspfad" in Steinach, ein Ortsteil des Marktes Bad Bocklet. Dieses umfasst eine Fläche von insgesamt 3,1 Hektar. Etwa die Hälfte davon ist noch frei. "Es hat etwas gedauert. Nun füllt es sich Stück für Stück", fasst Thomas Beck, der Geschäftsführer des Marktes Bad Bocklet, die recht zögerliche Entwicklung dieses Areals zusammen.
Auch in Großenbrach gebe es noch ein freies Grundstück. Dabei handele es sich jedoch um ein privates, so Beck. In Oberthulba berichtet Sachgebietsleiterin Simone Nürnberger aus der gemeindlichen Bauverwaltung ebenfalls von freiem Baugrund für Firmen. Im Gewerbegebiet "Neumühle" in der Schlimpfhofer Straße in Oberthulba seien einige Flächen verfügbar. Wie groß diese insgesamt sind, konnte sie allerdings nicht sagen. "Es handelt sich dabei um private Flächen", erklärt sie. Lediglich ein 8000 Quadratmeter großes Grundstück im Industriegebiet Reith, das direkt an der Autobahn A7 liegt, sei noch über die Gemeinde zu erwerben.
Nüdlingen ist ebenfalls gut bestückt. Momentan sind im Gewerbegebiet Pfaffenpfad II fünf gemeindliche Grundstücke mit insgesamt rund 1,5 Hektar frei, teilt Arno Tatzel aus dem Bauamt der Gemeinde mit. "Im Pfaffenpfad I gibt es ebenfalls noch freie Stellen, die aber in privatem Besitz sind", fügt er hinzu. Zudem hält die Gemeinde mit der 2,5 Hektar großen Fläche "Am Brügel" noch unerschlossene Reservefläche vor. Somit sind allein in der Allianz Kissinger Bogen mehr als sechs Hektar gewerblich nutzbare Fläche unbebaut.
Im gesamten Landkreis Bad Kissingen lässt sich das nur schwerlich feststellen. Im Standortportal der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bayern sind aktuell 37 Gewerbegebiete ausgewiesen, 33 davon sind sogar rechtskräftig beschlossen. Die Fläche dieser 33 Areale umfasst insgesamt 177 Hektar gewerbliches Bauland. Laut IHK-Portal sind auch alle diese Grundstücke noch verfügbar, was jedoch nicht stimmen kann.
Daten wenig aktualisiert
Grund: Nur wenige Gemeinden haben die Informationen zu ihren Gewerbegebieten in dieser Datenbank aktualisiert, so dass Nutzer falsche Informationen herauslesen. So auch für den Markt Burkardroth, der Daten von 2009 präsentiert. Laut IHK-Portal sind somit in der Großgemeinde mehr als 50 000 Quadratmeter gewerblicher Baugrund verfügbar - in den Gewerbegebieten Stangenroth und Zahlbach. Interessant ist, dass auch der Wirtschaftsförderer des Landkreises, Frank Bernhard, diese Quelle nutzt, um Zahlen und Informationen zu generieren. Das bestätigt auf Nachfrage unserer Zeitung die Sprecherin des Landratsamtes Lena Pfister.
Unterm Strich haben somit weder die Regierung von Unterfranken noch die Bürger Unrecht, wenn sie sagen, es gebe genügend gewerbliches Bauland in der Region.
An den Plänen festgehalten
Dennoch halten Bürgermeister Waldemar Bug (ödp) und die Marktgemeinderäte an ihren Planungen fest und begründen diese so: "Es wäre blauäugig anzunehmen, dass eine Gemeinde ihre wirtschaftliche Zukunft gestalten kann, indem sie sich lediglich auf ihre Nachbargemeinden mit deren künftigen Gewerbeansiedlungen verlassen würde." Ein durchaus nachvollziehbares Argument. Jedoch widerspricht dieses einem Gemeinderatsbeschluss, der noch gar nicht so lange zurückliegt: Im März 2014 wurde das Integrierte ländliche Entwicklungskonzept (ILEK) für die Allianz Kissinger Bogen verabschiedet.
Baugrund dringend gebraucht
Darin ist als Ziel des Projektes "Flächenmanagement" in den Handlungsfeldern "Verkehr und Wirtschaft" festgehalten. Dass die Planung und Entwicklung von Wohn-, Gewerbe- und Verkehrsflächen allianzintern abgesprochen wird. Ob es Absprachen beim neuen Gewerbegebiet am Poppenrother Berg gab, ist nicht bekannt. Wie "dringend" gewerblicher Baugrund im Markt Burkardorth gebraucht wird, zeigte sich auch in der Gemeinderatssitzung. Dort wurde die Bauanfrage eines Stralsbacher Gewerbetreibenden behandelt. Dieser möchte seine Werkstatt abreißen und neu errichten - aber nicht etwa in einem Gewerbegebiet, sondern am bisherigen Standort mitten im Dorf.
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