Sich im Gesetzesdschungel des deutschen Baurechts auszukennen, ist nicht immer leicht. So musste ein Hühnerhalter seine Tiere, die er seit vier Jahren in Bad Kissingen (Garitz) hält, aufgeben. Die Nachbarschaft ist gespalten.
Was war zuerst da? Das Huhn, oder der Bebauungsplan? Letzteres. Bis vor kurzem waren im Garitzer Sanderweg noch 82 Hühner zu Hause. Nach vier Jahren mussten sie weichen, denn Vorschriften sprechen dagegen. In der Nachbarschaft herrscht Unverständnis.
"Ich bin tottraurig, dass ich meine Hühner weggeben musste", sagt der Pächter des Grundstücks und Besitzer der Hühner Stefan Nitsch. Er halte die Tiere als Hobby: "Ich schlachte sie nicht, ich lasse sie leben bis sie umfallen." Doch Mitte November kam ein Brief vom Bauamt: Da es sich bei dem Grundstück um den Außenbereich des Garitzer Gebietes handelt, dürfe Nitsch keine baulichen Anlagen anbringen - damit gemeint ist der Zaun und die Wohnwägen für die Hühner. Sie hätten eine Genehmigung erfordert. Den Beteiligten war diese Regelung unbekannt.
Die Frist für den Rückbau ging bis zum 15. Januar. Er sei sehr unruhig gewesen, nachdem er den Brief erhalten hatte. Daher hatte er den Zaun relativ zeitnah zusammen mit seiner Frau entfernt. "Zum Glück konnte ich die Tiere verkaufen. Sie sind jetzt in Hassfurt", sagt Nitsch. "Die Leute waren schwer entsetzt: Sie fanden es schön, dass es das noch gibt", sagt er.
Grundstück im Außenbereich
Eine Nachbarin hat sich besonders für ihn und die Tiere eingesetzt: Christa Kestler wohnt am angrenzenden Grundstück und hatte sich sehr über die gefederten Nachbarn und die frischen Eier gefreut. Sie hatte daher dem Bad Kissinger Bürgermeister Dirk Vogel (SPD) eine Mail geschickt. Und etwas hat es auch gebracht: "Die Stadt sieht von dem Bußgeld ab", sagt Nitsch.
"Das ist ein solcher Käse, das ist unmöglich", schimpft Christa Kestler. Die Nachbarschaft sei entsetzt gewesen. "Kein Mensch versteht, warum man einen Wohnwagen anmelden muss. Es tut uns in der Seele weh. Das wäre normal ein komplett ungenutztes Stück." Doch genau darauf zielt das Gesetz ab, auf das sich die Stadt beruft: Das Grundstück zählt zum sogenannten Außenbereich.
Das ist ein Gebiet, der außerhalb der Ortschaft und damit nicht im Bereich von Bebauungsplänen liegt. Das Gesetz, das etwaige Ausnahmen für die Bebauung regelt, ist sehr streng. Es soll verhindern, dass die Landschaft zersiedelt wird und es möglichst wenige Eingriffe in die Natur gibt.
Stadt trägt Verantwortung
"Außenbereiche sind Gebiete, die von jeglicher Bebauung freizuhalten sind. Dazu zählen auch Nutzungen wie Tierhaltungen mit den entsprechenden Gebäuden", sagt Thomas Hack von der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Bad Kissingen. Die Beurteilung dieses Sachverhalts stehe nicht im Ermessen der Stadt Bad Kissingen, es handele sich um Vorschriften nach Bundes- und Landesrecht.
Die Stadt sei jedoch in der Verantwortung, zu prüfen, ob alles eingehalten wird.
"Es geht uns auch nicht um die Tierhaltung an sich, sondern um die Vorschrift, dass da nicht einfach etwas gebaut werden darf. Wenn der Halter einen anderen Platz hat, kann er das natürlich dort machen."
"Es ist ja nur ein Hobby"
Zudem sagt er: "Es ist auch nicht so, dass die Nutzung in der Umgebung generell auf Zustimmung stieß - im Gegenteil liefen bei der Stadt Bad Kissingen etliche Beschwerden über die dort vorzufindenden Verhältnisse ein." Darufhin habe die Baubehörde den Sachverhalt geprüft.
Eine Möglichkeit wäre gewesen, einen Ort für die Hühner innerhalb des Garitzer Gebietes zu finden. "Wie hätte ich das schaffen sollen bis zum 15. Januar?", sagt der Hühnerfreund. Die Möglichkeit, die Frist zu verlängern, habe es jedoch laut Hack gegeben. Er habe auch ersuchen können, gegen den Bescheid vorzugehen, sagt Stefan Nitsch. Aber: "Es ist ja nur ein Hobby. Deswegen gebe ich mich geschlagen."