Bad Kissingens Stadtbild im Wandel

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Die Entwicklung des Stadtbildes geht von Inhaber geführte Geschäfte in Richtung Filialen wie hier Tchibo. Fotos: Benedikt Borst
Die Entwicklung des Stadtbildes geht von Inhaber geführte Geschäfte in Richtung Filialen wie hier Tchibo. Fotos: Benedikt Borst
 
 
 

Filialen bekannter Marken prägen deutsche Innenstädte, auch in Bad Kissingen. Kleinunternehmer schließen, das Angebot in Fußgängerzonen gleicht sich an. Dass diese Entwicklung nicht prinzipiell schlecht ist, erklärt Wirtschaftsförderer Michael Wieden.

Ingeborg Menge hat 32 Jahre lang den "Schreibwaren Rath" als Inhaberin geführt. Dieses Jahr schließt die 70-Jährige das Traditionsgeschäft. Sie zollt damit einerseits ihrem eigenen Alter Respekt und reagiert andererseits auf das veränderte Kaufverhalten ihrer Kundschaft. Sie könne mit den Angeboten der Discounter nicht mithalten. Und: "Die Jugend kauft viel im Internet", schilderte Menge im Januar im Gespräch mit unserer Zeitung, als sie ihren Entschluss bekannt gab. Neben dem Schreibwaren Rath wird dieses Jahr mit "Cubus Wohnen" ein weiteres Inhaber geführtes Traditionsgeschäft aus Altersgründen geschlossen - Betreiber Norbert Büttner feiert demnächst seinen 66. Geburtstag.

Dafür finden sich mittlerweile zahlreiche Filialen größerer Einzelhandelsketten in der Innenstadt: Fielmann und Apollo Optik, Tchibo, die Parfümerie Douglas, der Drogeriemarkt Müller, die Bekleidungsgeschäfte NKD, Ernstings Family und Cecil oder die Buchhändler Weltbild und Schöningh. Die Liste lässt sich beliebig fortführen.

Filialen prägen die Innenstädte

"Das ist eine generelle Entwicklung", sagt Volker Wedde, unterfränkischer Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE). Die Innenstädte werden "filialisiert". Ableger größerer Unternehmen prägen heute die Stadtbilder, Inhaber geführte Läden werden zurückgedrängt. "Besonders der Textil-Bereich ist davon betroffen", weiß Wedde. Er beruft sich auf eine Wirtschaftsstudie aus dem Jahr 2009, die den Grad der Filialisierung in Bad Kissingen untersucht hat: "Der ist in Bad Kissingen im Vergleich zu anderen Städten gering." Es gebe eine gute Fachhandelsstruktur. "Auch wenn die Studie etwas älter ist, lassen sich die Aussagen von der groben Tendenz her auch heute noch benutzen."

"Ich habe nur bedingt Einfluss auf diese Entwicklung", sagt Michael Wieden, Wirtschaftsförderer der Stadt Bad Kissingen. Unternehmensketten haben andere finanzielle Grundlagen und können andere ökonomische Risiken eingehen als kleine Einzelhändler. Zudem haben sie bessere Kontakte zu Immobilienhändlern. Große Konzerne werden schneller über Leerstände in den Städten informiert und kommen leichter an Ladenflächen in guter Lage. Wieden: "Das ist für eine strategische Stadtentwicklung etwas problematisch." Er könne vor allem langfristig handeln.

Hochwertigkeit und Gesundheit

Wieden bewertet die Entwicklung der Geschäfte in der Innenstadt differenziert. Filialen seien nichts Schlechtes. "Für die Stadt zählt in erster Linie das Angebot, das drinnen ist", meint er. Es muss ein ausgewogener Branchen-Mix am Ort sein. "Die Struktur der Stadt ist gesund, wenn die Unternehmen gesund sind", sagt Wieden. Langfristig möchte der Wirtschaftsförderer den Fokus auf Gesundheit und Hochwertigkeit ausrichten. Bad Kissingen soll auch auf das Klientel vorbereitet werden, das die geplanten Fünf-Sterne-Hotels an die Saale holen sollen.
HDE-Mann Wedde warnt davor, eine voranschreitende Filialisierung reflexhaft zu verteufeln. "Namhafte Betriebe sind wichtig für eine Innenstadt", weil sie als Kundenmagnet wirken. Davon, dass die Innenstadt stärker frequentiert wird, profitieren am Ende auch kleine ortsansässige Unternehmer. Wedde weist darauf hin, dass Innenstädte bekannte Filialisten als Zugpferde benötigen, weil sie wegen großflächiger Gewerbegebiete an den Stadträndern, etwa in Garitz und der ehemaligen Kaserne, Kundschaft verlieren.

Stadt mit Wiedererkennungswert

"Ich persönlich freue mich, wenn es viele Inhaber geführte Geschäfte gibt", sagt Wirtschaftsförderer Wieden. Dafür gibt es zwei subjektive Gründe. Zum einen schätzt er Tradition. "Ich finde, eine Stadt muss ein Gesicht nach Außen haben und darf nicht austauschbar sein." Wer sich in Bad Kissingen aufhält, muss das im Positiven merken. Das wird durch das einheitliche Erscheinungsbild der Filialisten erschwert.

Außerdem erleichtert es Wiedens strategische Arbeit, wenn er mit vielen selbstständigen Unternehmern kooperieren kann. "Die Zusammenarbeit ist da einfach freier", weiß er. Filialleiter und Lizenzunternehmer sind häufiger durch Verträge mit den Mutterkonzernen in ihren Entscheidungen eingeschränkt. Jenseits subjektiver Argumente gilt letztlich: Der Mix macht's.