Im Schönderlinger Wald unterhalb des Hegkopfsees riss ein Luchs mehrere Damwildtiere im Wildgehege von Familie Belz. Sein sonderliches Verhalten erstaunte die erfahrenen Jäger und die Gutachter gleichermaßen.
Aufgebracht läuft Erwin Belz am Freitagmorgen auf seinem Wildtiergehege vorweg: "Dass gerade uns das passieren muss. Und dann auch noch in diesem Umfang. Drei Tiere in so kurzer Zeit zu reißen, ist ein sehr ungewöhnliches Verhaltensmuster für den Luchs." Belz begleiten zwei gesandte Gutachter vom Netzwerk Große Beutegreifer (NBG), die den Fall - übrigens den ersten, seitdem sie 2010 diese Ausbildung absolviert haben - dokumentieren. Sie wurden Donnerstagabend informiert: "Auch für uns ist das eine ganz besondere Situation. Wir wurden schon öfters gerufen, aber ein Luchs als Täter konnte bisher immer ausgeschlossen werden", sagt Peter Reuter, einer der Gutachter: "Dieser Fall ist anders."
Er und sein Kollege Christian Müller-Wirth sind sich sicher, dass es der Luchs war: "Die erlegten Tiere weisen die typischen Male auf. Der Luchs tötet gezielt durch einen Drosselbiss. Er erstickt sein Opfer und fängt dann an, das Muskelfleisch zu fressen." Diese Vorgehensweise bestätigt auch Michael Belz, der zusammen mit seinem Vater Erwin das Damwildgehege in Schönderling führt. Als zweites Standbein hat es sein Vater 1993 neben der Landwirtschaft aufgebaut. "Noch nie hatten wir Probleme, dass ein Tier ausgebrochen ist, oder ein wilder Hund ins Gehege kam."
Erste Sichtung in der Woche davor
Vorletzte Woche erst, erzählt Michael Belz, wurde ein Luchs im Neuwirtshäuser Forst im Bezirk Sand gesichtet - sogar fotografiert. Belz, selbst Jäger und Mitglied im Verband Fränkischer Wildtierhalter, wurde längst darauf vorbereitet, wie ein Luchs sein Opfer tötet. Daher war es sofort klar, als er am Donnerstag, um 16.30 Uhr, das erste tote Tier und schließlich das zweite fand.
Er meldete den Fall Christian Müller-Wirth, der ihm riet, die toten Tiere im Gehege liegen zu lassen, und eine Wildkamera aufzustellen. Denn der Luchs kehre immer wieder zu seinem Opfer zurück, bis er das gute Fleisch aufgefressen hat. Als Belz mit seinem Vater gegen 19.30 Uhr ins Gehege zurück kam, sah er schon vom Eingang aus zwei leuchtende Augen im unteren Teil des Geheges. "Damit haben wir nicht gerechnet: In aller Gemütlichkeit lief der Luchs am unteren Wald entlang, bis er schließlich mit einem gekonnten Sprung über das Gatter in die Nacht verschwand. Das ist sehr ungewöhnlich, denn die Tiere sind normalerweise menschenscheu", zeigte sich Belz überrascht.
Unabhängiges Gutachten
Am Freitagmorgen ereignete sich schließlich das nächste Drama: Über Nacht kehrte der Luchs zurück und hat nicht, wie vermutet, an den bereits erlegten Tieren gefressen, sondern ein weiteres im oberen Teil des Geheges gerissen. Erwin Belz ist außer sich vor Wut, er stellt sogar die Vermutung in den Raum, dass dieser Luchs - gerade weil er sich so untypisch verhält - aus der Gefangenschaft stammt. "Unser wirtschaftlicher Schaden ist groß, und er wird nicht aufhören zu töten. Wer denkt da an uns? Wir können uns nicht wehren, denn der Luchs unterliegt dem Jagdrecht, ist aber ganzjährig geschont." Aber dafür sind sie da, die ehrenamtlichen Gutachter vom NBG. Sie fotografieren, kartieren und entnehmen DNA-Spuren. Sie sind genau für diese Fälle ausgebildet, um objektiv zu berichten. Schließlich muss das Landesamt für Umwelt (LfU) entscheiden, ob die Betroffenen entschädigt werden (siehe Infokasten). Ein Besuch aus dem LfU hat sich bereits angekündigt. Er wird sich die Lage vor Ort genau ansehen und dann entscheiden, wie weiter verfahren wird. "In Zukunft wird es wohl mehr von diesen Fällen geben, das war erst der Anfang", meint Peter Reuter. Nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt haben, wird Michael Belz nachdenklich: "Der Luchs ist nun da, und man muss jetzt lernen, damit umzugehen, wenn er in unserem Lebensraum wildert."
Julia Raab