Fußgängerzone: Eine Analyse in fünf Schritten

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Trotzdem nach vorne blicken: Adolf Dörflinger gibt seine Filiale in der Ludwigstraße auf und vergrößert sein Geschäft im Stammhaus. An der Entscheidung des Stadtrats zur Fußgängerzone übt er Kritik. Foto: Ulrike Müller
Trotzdem nach vorne blicken: Adolf Dörflinger gibt seine Filiale in der Ludwigstraße auf und vergrößert sein Geschäft im Stammhaus. An der Entscheidung des Stadtrats zur Fußgängerzone übt er Kritik. Foto: Ulrike Müller

Nach der Entscheidung des Stadtrats, die Fußgängerzone nicht probeweise für den Verkehr zu öffnen, sind die Meinungen geteilt. Einige ärgert die Art und Weise, mit der die Debatte geführt wurde.

Es ist der Tag nach der Entscheidung, alles bleibt, wie es ist. Die Frau schaut über die Theke und sagt: "Ein Glück!" 18 Einzelhändler hatten den Antrag gestellt, die Zufahrtszeiten in die Ludwigstraße für eine Probephase zu erweitern, doch der Stadtrat lehnte den Vorschlag mit 13:8 Stimmen ab. "Ich habe mich in meine Kindheit zurückversetzt gefühlt", erzählt die Frau weiter. "In einem Sommer wie diesem würden wir ja umkommen!"

Das ist der erste Teil des Dilemmas um die Fußgängerzone: Denn niemand will die Zustände zurück, wie sie vor dem Bau der Umgehungsstraße waren. Auch nicht der Einzelhandel. Aber die Geschäfte und Restaurants sind dringend auf Kunden angewiesen. Oft liegt die Innenstadt regelrecht verwaist da.

"Die Ludwigstraße ist inzwischen die schlechteste Verkaufslage in Bad Brückenau", heißt es zur Begründung im Antrag. Aber wie man das ändern könnte, darüber gehen die Ansichten auseinander. "Ich bin für eine Öffnung, schon seit zehn Jahren", sagt ein Mann in seinem Geschäft. Die Mehrheit der Einzelhändler hat sich für eine Öffnung ausgesprochen, aber längst nicht alle. "Die Fußgängerzone öffnen... nein", sagt eine andere Frau in ihrem Laden. "Das Zauberwort sind Events!"


Stadt ist eigentlich zu klein

Die Gastronomie, so entstand der Eindruck in der Vergangenheit, steht geschlossen gegen den Vorstoß des Forums. Aber so wie nicht alle Einzelhändler die Öffnung befürworten, sind auch nicht alle Gastronomen dagegen. "Fünfzig, fünfzig", sagt Dalbo Luigi vom Eiscafé am Eck. "Einerseits wollen die Gäste in Ruhe sitzen. Andererseits..." Sein Blick wandert die leere Straße entlang und bleibt am Marktplatz hängen. Andererseits sind die Händler über jeden froh, der noch kommt. Egal auf welchem Wege. Das ist der zweite Teil des Dilemmas: Einzelhändler und Gastronomen sind sich nicht einig.

Immer wieder fällt in der Diskussion um die Fußgängerzone auch der Hinweis auf eine Studie, die das Bayerische Wirtschaftsministerium und der Landesverband des Bayerischen Einzelhandels in Auftrag gegeben haben. Sie ist zwar schon elf Jahre alt, ihre Kernaussage dürfte aber dennoch aktuell sein: Fußgängerzonen funktionieren in der Regel in Städten, die zwischen 15.000 und 20.000 Einwohner haben. Bad Brückenau hat rund 6500. Das ist der dritte Teil des Dilemmas: Die Stadt ist schlicht zu klein, das Angebot an den Randbereichen zu groß, um den Einzelhändlern viel Spielraum zu bieten.


Doppelter Frust

"Es wird so getan, als sei das eine Entscheidung über Leben und Tod", stellt eine Einzelhändlerin fest, die die Debatte im Stadtrat verfolgt hat. Sie bedauert, wie wenig flexibel der Stadtrat sich zeigt, etwas Neues auszuprobieren. Adolf Dörflinger vom Schuhgeschäft wird deutlicher: "Wer über die Situation Witze macht, hat den Ernst der Lage absolut nicht erkannt." Er habe "Mut und Weitblick" in der Diskussion vermisst. "Der Fokus lag darauf, Probleme zu suchen, anstatt eine Lösung zu finden", schildert Dörflinger seinen Eindruck. Der vierte Teil des Dilemmas ist also, dass der Vorschlag eines Experiments zur Grundsatzfrage wurde.

Auf die Ernüchterung nach dem Stadtratsbeschluss folgte der Rücktritt von Hans Rohrmüller als Vorsitzender des Forums. Für viele Einzelhändler ist das ein doppelter Frust, denn mit Rohrmüller an der Spitze stellte sich der Verband der Gewerbetreibenden gerade neu auf. Und das ist der letzte Teil des Dilemmas der Fußgängerzone: Die Entscheidung des Stadtrats ist kein einfaches Nein, sondern - so der Eindruck nach etlichen Gesprächen - ein herber Schlag für die Motivation der hiesigen Geschäftsleute.