Der Stadtrat Bad Kissingen beschäftigt sich in seiner Sitzung am Mittwoch mit dem Sondergebiet Kur. Das Bauamt stellt Überlegungen vor, wie die Kurzone modernisiert und entwickelt werden kann. Leerstände sollen langfristig beseitigt werden.
Das Kurgebiet beschäftigt Stadtplaner Wolfgang Russ, im Prinzip seitdem er im städtischen Bauamt arbeitet. Seit gut 30 Jahren hat er mal mehr, mal weniger intensiv mit dem Thema zu tun. Zuletzt war es wieder mehr. "Vor zweieinhalb Jahren kam vom Stadtrat die Aufgabe, uns über die Kurzone Gedanken zu machen", sagt Russ. Die Ergebnisse wird er heute Abend dem Stadtrat vorstellen. "Wir wollen die Kurzone in eine neue Zeit bringen."
Niedrige Bodenpreise Die Kurzone ist seit Jahren ein Streitthema in der Stadt und im Stadtrat. Die Meinungen gehen auseinander: Die einen halten sie für überflüssig und wollen sie komplett abschaffen, andere wiederum wollen sie unverändert lassen. Eine Abschaffung verbietet sich für Wolfgang Russ. "Weil wir die Kurbetriebe dem freien Markt überlassen würden und sie nicht mehr schützen könnten", sagt er. Er befürchtet, dass ohne das Sondergebiet Kurbetriebe und somit auch Übernachtungsgäste wegbrechen würden.
Die Kurzone wurde 1976 erlassen, um Kurbetrieben gute Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Die Nutzung des Sondergebietes ist beschränkt, dauerhaftes Wohnen ist zum Beispiel vollständig ausgeschlossen. "Durch die eingeschränkte Nutzung sind die Bodenpreise günstiger als anderswo in der Stadt", erklärt Russ. Der Preis pro Quadratmeter Grund ohne Erschließung liege in der Kurzone bei rund 110 Euro, in der Altstadt dagegen bei 300 Euro. Erfolgreiche Neuinvestitionen in leerstehende Gebäude wie bei der Hescuro-Klinik und dem Hotel Cup-Vitalis wären laut Russ ohne das Kurgebiet nicht möglich gewesen.
Dennoch sieht der Stadtplaner Handlungsbedarf. Die Bestimmungen im Bebauungsplan wurden zwar über die Jahre von der reinen Kur mehr in Richtung Tourismus angepasst - mittlerweile sind beispielsweise auch Tagungsstätten mit erfasst -, aber: "Wir haben ein Kurgebiet, dass sehr restriktiv ist", sagt Russ. Und alt. Die Kur und das Gesundheitswesen haben sich durch diverse bundespolitische Reformen nach den 1990er Jahren verändert. Die Aufenthaltsdauer der Gäste hat sich verkürzt. Die klassische vierwöchige Kur gibt es kaum noch, Rehapatienten bleiben nur ein paar Tage. Russ: "Alte Kurhäuser sind von den Strukturen her heute nicht mehr für die Kur geeignet."
Die immer kürzere Aufenthaltsdauer muss mit mehr Gästen kompensiert werden. Für kleine Pensionen mit wenigen Zimmern wurde das immer schwerer. Die Folge waren Schließungen. Auch weil eine Umnutzung etwa als Wohnhaus oder Altenheim in der Kurzone nicht möglich ist, stehen etliche Kurhäuser leer. Eine Nutzungsänderung könnte helfen. Eine zweite Möglichkeit, die hin und wieder diskutiert wurde, ist: Das Kurgebiet verkleinern und kritische Areale herausnehmen.
Bewahren oder Modernisieren CSU-Fraktionssprecher Michael Heppes betont, dass es wichtig sei, Leerstände zu beseitigen und ins Sondergebiet Kur zu investieren. "Es gilt, den richtigen Weg zu finden zwischen Bewahrung und Fortschritt", sagt er. Das Kurgebiet sei enorm wichtig für die Stadt. Änderungen gelte es mit Augenmaß umzusetzen. "Wir müssen an das Sondergebiet ran", findet auch Bernd Czelustek, Sprecher der SPD-Fraktion. Vorstellbar sei eine Verkleinerung der Kurzone sowie eine Nutzungsänderung. Aber: "Wir müssen aufpassen, dass nicht das ganze Kurgebiet kippt", betont er die Bedeutung für die Stadt.
Wolfgang Russ hat neben dem Bebauungsplan ein weiteres Werkzeug, um die Kurzone zu entwickeln: Das städtebauliche Förderprogramm "Soziale Stadt", das vom Bund seit 1999 aufgelegt wird. "Damit haben wir in Bad Kissingen Nord-Ost (Wohnsiedlung in der ehemaligen US-Kaserne,
Anm. d. Red.) gute Erfahrungen gemacht", sagt der Stadtplaner. Es wurde ein Paket an Infrastrukturmaßnahmen erarbeitet, das in den nächsten zehn bis 15 Jahren abgearbeitet werden könne. Voraussetzung dafür ist, dass das Fördergebiet auf die Kurzone ausgedehnt wird.
Kurgebiet Bad Kissingen
Geschichte Der erste Bebauungsplan für eine Kurzone wurde 1976 erlassen. Seitdem wurden die Bestimmungen in kleinen Schritten von der Kur in Richtung Tourismus ausgedehnt.
Nutzung Das Kurgebiet dient der Dienstleistung am Gast. Erlaubt sind unter anderem Kurheime, Kliniken, Sanatorien, Pensionen, Ferienwohnungen, Arztpraxen, therapeutische Einrichtungen aber auch Tagungsstätten. Ausnahmen gibt es für Behörden (das geplante Behördenzentrum Luitpoldbad) und Freiberufler (etwa Architekten). Wohnungen sind nicht erlaubt. Allerdings gibt es einen Bestandsschutz für Wohnhäuser, die schon vor 1976 existierten.