FINANZEN: Streit über höhere Steuern für Reiche
Ein neues Konfliktthema kam aber in der Sommerpause hinzu. Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil schließt höhere Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende nicht aus, um eine Lücke von bislang mehr als 30 Milliarden Euro im Etat 2027 zu schließen. «Da wird keine Option vom Tisch genommen», sagte der SPD-Politiker etwa im ZDF-«Sommerinterview».
Vor allem der Koalitionspartner CSU reagiert darauf reflexhaft ablehnend. So konterte CSU-Chef Markus Söder im ARD-«Sommerinterview»: Mit der CSU werde es «definitiv keine Steuererhöhungen» geben. Das sei «erstens immer ein Rohrkrepierer, zweitens der falsche Weg, und würde doch jetzt, nachdem wir gerade Steuern gesenkt haben, alles wieder kaputt machen.»
Kanzler Merz klang jedoch weniger kategorisch, als er am Wochenende beim Parteitag der Niedersachsen-CDU lediglich erklärte: «Mit dieser Bundesregierung unter meiner Führung wird es eine Erhöhung der Einkommenssteuer für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland nicht geben.» Und der CDU-Haushaltspolitiker Andreas Mattfeldt zeigte sich am Dienstag in der «Bild» sogar offen für Klingbeils Position: «Ich halte es persönlich für vertretbar, die sogenannte Reichensteuer zu erhöhen – aber nur, wenn im Gegenzug notwendige Sozialreformen umgesetzt werden.»
SOZIALSTAAT: Union pocht auf Reformen beim Bürgergeld
Das dickste Brett des zweiten Halbjahres dürfte die Frage sein, ob und wie die Koalition eine große Reform des Bürgergelds und anderer Sozialleistungen hinbekommt. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zieht bereits eine Parallele zur «Agenda 2010», mit der die rot-grüne Regierung des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder Anfang der 2000er Jahre die Wirtschaft wieder in Schwung brachte. Sie bedeutete aber auch weitreichende soziale Einschnitte und wurde zur dauerhaften Belastung für die SPD.
Der «Herbst der Reformen» werde darüber entscheiden, ob Politik überhaupt noch reformfähig sei, meint Linnemann. Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) hat inzwischen eine Kommission eingesetzt, die für Sozialleistungen wie Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag Reformvorschläge machen soll. Bis Ende des Jahres soll klar sein, wohin die Koalition bei diesem Thema steuert.
Dass Reformen notwendig sind, sagt auch Klingbeil. Es gehe aber nicht, nur beim Bürgergeld zu streichen. Vielmehr müsse es am Ende ein Gesamtpaket sein, das alle in der Gesellschaft herausfordern werde. «Es kann nicht sein, dass man bei denen, die wenig haben, sagt, ihr gebt jetzt noch ein bisschen was ab, und bei denen, die viel haben, sagt, ihr müsst nichts machen.»
STIMMUNG IN DER KOALITION: Es gibt Luft nach oben
Vor allem die vor Beginn der Sommerpause verpatzte Richterwahl ließ manche Beobachter schon Parallelen zur schlechten Stimmung in der vorherigen Ampel-Regierung ziehen.
Klingbeil geht davon aus, dass es in Sachfragen auch künftig «ruckeln» wird. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat aber einen Vorschlag parat, wie das Miteinander besser werden könnte: «Ich würde anregen, dass nicht alle Spitzenpolitiker ständig die Social-Media-Beiträge der anderen lesen», sagte er dem Magazin «Stern». «Harmonie statt Hyperventilieren könnte doch ein Motto für den Herbst sein.»